Mörder, Räuber, Hexen - Ein Interview mit Kreisheimatpfleger Prof. Dr. Walter Pötzl
Der spannend klingende Titel des Buches „Mörder, Räuber, Hexen“ weckte das Interesse unserer geschichtsinteressierten Redaktion. Deshalb besuchte unser Redakteur Joachim Meyer den Kreisheimatpfleger und unterhielt sich mit ihm über das mittelalterliche bzw. frühneuzeitliche Strafrecht, die Hexenverfolgungen bzw. -prozesse im 16. und 17. Jahrhundert und das Ende des Inquisitionsprozesses.
neusässer: Herr Pötzl, wie kamen Sie auf die Idee, sich mit der Kriminalgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit auseinanderzusetzen? War dieses Thema ein bisheriger Forschungsschwerpunkt von Ihnen?
Walter Pötzl: Die Kriminalgeschichte war beziehungsweise ist nicht mein Forschungsschwerpunkt im eigentlichen Sinn. Ich bin in dieses Thema eher „hineingewachsen“, als ich mich mit verschiedenen Ortsgeschichten beschäftigte. So enthält mein Buch über Dinkelscherben zum Beispiel umfangreiche Kapitel zur Kriminalgeschichte. Als „Nebenprodukt“ des Dinkelscherben-Buches entstand auch noch ein Aufsatz, den ich für die „Kriminalgeschichte des Mittelalters“ verwendet habe. Die Quellenlage für Dinkelscherben ist sehr gut, da es in Bezug auf diesen Ort einen Band im Archiv gibt, der alle Kriminalfälle von 1498 bis 1534
enthält. Darüber hinaus habe ich auch in meinem Buch über Neusäß ausgewählte Kriminalfälle aufgearbeitet. Und schließlich habe ich in meiner Eigenschaft als Professor für Volkskunde an der Universität Eichstätt ein Hauptseminar über Kriminalgeschichte gehalten. Dabei stand der volkskundliche Aspekt im Vordergrund. Es wurde vor allem der Frage nachgegangen, was die Akten bzw. Quellen über die Lebensverhältnisse der damaligen Menschen aussagen. In diesem Zusammenhang sind Kriminalakten wahre „Fundgruben“, weil dort Dinge auftauchen, die Sie woanders in dieser Form nie erfahren würden: So haben wir beispielsweise den ältesten Beleg über das Sternsingen in einem Kriminalakt. Warum? Ganz einfach: Zwei rivalisierende Sternsingergruppen haben sich in der Nähe des Tegernsees „mit einem Stern verdroschen“. Der Fall ging natürlich vor Gericht. Ein weiterer Antriebsfaktor für mich, das Thema „Kriminalgeschichte“ aufzugreifen, war die Tatsache, dass ich in der Beschäftigung mit Geschichte zunehmend die Tendenz erkenne, sich nur mit dem „Großen“ und „Erhabenen“ auseinanderzusetzen. „Sperrige“ oder überwiegend negativ besetzte Themenwie die Kriminalgeschichte werden dagegen nur mit äußerster Zurückhaltung in Angriff genommen. Hier wollte ich ein wenig gegensteuern.
neusässer: Ihr Buch trägt den Titel „Mörder, Räuber, Hexen“. Wie kam dieser Titel zustande?
Walter Pötzl: Da mein Buch nicht ausschließlich für Historiker, sondern auch für geschichtsinteressierte Laien geschrieben wurde, musste ein interessant klingender, „griffiger“ Titel gefunden werden. Ich denke, dass der von Ihnen zitierte Titel unter diesem Gesichtspunkt vertretbar ist. Auf der einen Seite geht es also darum, aus historischen Quellen gewonnene Informationen fundiert darzustellen, andererseits soll ein möglichst breites Leserpublikum angesprochen werden.
neusässer: Können Sie unseren Lesern in knappen, nachvollziehbaren Sätzen schildern, worum es in Ihrem Buch inhaltlich geht?
Walter Pötzl: Im ersten Teil des Buches sollten zunächst einmal die Gesetze und Ordnungen aufgezeigt werden, nach denen die Menschen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit lebten. In diesem Kontext müssen Sie berücksichtigen, dass die verschiedenen Grundherren im Bereich der niederen Gerichtsbarkeit ganz unterschiedliche Ordnungen erließen. Das führte häufig dazu, dass im Nachbardorf, das einer anderen Herrschaft unterstand, das gleiche Vergehen strenger oder milder geahndet wurde. Der Jurist und Historiker Prof. Dr. Reinhard
Heydenreuter schrieb freundlicherweise das Kapitel über Gerichtsverfahren und meine Assistentin Dr. Alexandra Kohlberger übernahm einige Kapitel, darunter den Abschnitt über Ehren-, Verstümmelungs- und Todesstrafen. Das erste Drittel des Buches hat somit einen „Einleitungscharakter“, der dem Leser helfen soll, das eigentliche Thema zu verstehen. Der Schwerpunkt des Buches liegt dann auf den konkreten Kriminalfällen. Für das Mittelalter wurden möglichst alle Quellen ausgewertet, die folgenden Jahrhunderte zwangen zur repräsentativen Auswahl. Insgesamt legte ich darauf Wert, dass für das Buch vor allem Delikte ausgewählt wurden, die heute nicht mehr strafbar sind - so zum Beispiel Ehebruch, Hexerei und Zauberei.
neusässer: Einen breiten Raum in Ihrem Buch nehmen die Hexenprozesse beziehungsweise Hexenverfolgungen der Frühen Neuzeit ein. Welche Verdachtsmomente mussten gegeben sein, dass eine Frau bzw. ein Mann in Zusammenhang mit Hexerei gebracht wurde?
Walter Pötzl: Die betreffenden Personen waren meistens Außenseiter bzw. Randfiguren in der Gesellschaft, in der sie lebten. Sie mussten irgendwie verdächtig sein ...
neusässer: ... um sie anschließend in eine Verbindung mit dem Teufel bringen zu können?
Walter Pötzl: In diesen Ruf hat man sie dann eigentlich erst im Lauf der interrogatoria des Prozesses gebracht.
neusässer: Herr Prof. Pötzl, vielen Dank für dieses Gespräch.
Interview: Joachim Meyer; Bilder: Joachim Meyer u. Walter Pötzl,
Mörder, Räuber, Hexen. Kriminalgeschichte des Mittelalters und der
Frühen Neuzeit, Augsburg 2005.