Mit Klingen und Maschinen gegen ein Statussymbol
Es kommt der Tag im Leben eines jungen Mannes, da muss er sich entscheiden: Wie beseitigt er das Stoppelfeld in seinem Erker, bevor es zum Taliban-Vollbart mutiert? Die Wahl zwischen der stilvollen Nassrasur mit Schaum vor dem Mund oder der einfachen Trockenrasur wird seinen Tagesablauf fortan prägen. Zumindest, wenn der junge Rekrut im Gesicht nicht wie ein bis in die Nasenlöcher behaarter Milchbubi aussehen will. Auch der zeitweilig meistgesucht Mann der Erde, Osama bin Laden, wird sich auf seiner Flucht das ein oder andere Mal um sein Barthaar gekümmert haben. Und das zeugt davon, dass Männer ihren Gesichtsstatus nicht nur für Frauen pflegen, sondern hygienische Gründe eine mindestens genauso große Rolle spielen.
Das Rasieren hat eine lange Tradition. Schon in der Steinzeit entfernten sich unsere Vorfahren die Haare mit geschliffenem Feuerstein, Steinmessern, Muschelschalen und Haifischzähnen. Archäologische Funde von Rasierschabern aus harten Gesteinen wie Obsidian bezeugen, dass sich 6000 vor Christus die Löwenmähne gestutzt hat. Die Ureinwohner Südamerikas dagegen zupften sich die Haare aus, die Römer verwendeten Bimsstein und die Ägypter bevorzugten Messer aus Kupfer oder Gold. Im 17. Jahrhundert wurde das schon vor Jesu Geburt bekannte Klapprasiermesser endgültig eingeführt. Doch nicht jeder Mann pflegte seinen Bart selbst. Für diese hygienische Aufgabe war der Barbier zuständig, ein vielfältiges Berufsfeld, das sich inzwischen zum Herrenfriseur gewandelt hat. Lediglich im arabischen Raum oder bei Mittelalterfestspielen kommen Barbiere noch zu ihrer ursprünglichen Tätigkeit, zu der auch medizinische Eingriffe gehören. Erst die Erfindung des mechanischen Rasierhobels mit doppelseitiger Sicherheitsrasierklinge im Jahre 1901 durch King Camp Gillette ermöglichte eine Rasur zu Hause. Dabei waren diese Apparate im Ersten Weltkrieg eigentlich dazu da, um Gasmasken luftdicht am Gesicht abzuschließen. Hygienische Gründe kamen später dazu.
Für eine gründliche Nassrasur wird traditionell Rasierseife, ein Rasierpinsel aus weichen Dachshaaren, Rasierschüssel, Spiegel, und Alaunstift verwendet. Letzterer stillt die Blutung, während die Seife die Haare erweicht und ein besseres Gleiten der Klinge auf der Haut gestattet. Heute kommt der Rasierschaum aus der Dose, erreicht aber nicht die Cremigkeit und damit Wirksamkeit beim Aufweichen der Barthaare einer selbst aufgeschäumten Rasierseife oder Tubencreme. Alternativen bilden Rasieröl oder zweckentfremdeter Haarconditioner. Nach dem vorsichtigen Abschaben der Bartstoppeln mit der Klinge wird der Schaum abgespült und Rasierwasser aufgetragen. Dadurch riecht der im Gesicht frisch gestutzte Mann nicht nur gut, sondern desinfiziert gleichzeitig mikroskopische Verletzungen, die der scharfe Rasierapparat hinterlässt. Zu den renommiertesten Herstellern von tauglichen Rasierklingen gehören Gillette und Wilkinson Sword, die ihre Produkte kontinuierlich weiterentwickeln. Feuchtigkeitsstreifen oberhalb der Klinge, Gummilamellen oder schwenkbar gelagerte Klingenblöcke sind nur einige Beispiele dafür. Beide Hersteller setzen bei den Spitzenmodellen mittlerweile auf eine batteriebetriebene Unterstützung. Eine Nassrasur mit einem Systemrasierer ist bei richtiger Anwendung ungefährlich und absolut gründlich, jedoch nicht ganz billig im Unterhalt. Schließlich sollte ein Klingenblock nach einem Dutzend Rasuren ausgetauscht werden. Übrigens weiten die Rasurgiganten ihr Angebot längst auch speziell für Frauen aus. Obwohl diese extra konzipierten Geräte kaum von den Modellen für Männer unterscheiden, kostet eine Rasur im Schnitt deutlich mehr. Nicht zu empfehlen ist die stilvollere Variante der Barthaarentfernung bei empfindlicher Gesichtshaus oder Akne, da die Nassrasur stark reizt.
Die Vorteile der Trockenrasur mit elektrischen Geräten liegen auf der Hand: geringer Zeitaufwand und kaum Hautreizungen, verbunden mit niedrigen Kosten. Außerdem finden batteriebetriebene Elektrorasierer auf Flugreisen im Gegensatz zu den scharfen Klingen eines Nassrasierers anstandslos Platz im Handgepäck. Die Präzision der Elektrorasierer und Ladyshaver reicht allerdings nicht an die Nassrasur heran, da der Messerblock zur Sicherheit hinter einem Scherblatt verborgen ist. Moderne wasserfeste Elektrorasierer von Braun, Philipps, Remington oder Panasonic sind auch für die Nassrasur geeignet und kombinieren deren Gründlichkeit mit den Vorzügen des Bartstutzers aus der Steckdose, der nach jeder Benutzung mit einem Pinsel gereinigt werden sollte.
Ob der Bart nun wirklich ein Statussymbol ist, bleibt dahingestellt. Für Diktatoren und Anführer terroristischer Vereinigungen mag das womöglich zutreffen, denn wer kann sich Adolf Hitler ohne Schnauzer oder Fidel Castro ohne Rauschebart vorstellen? Wer hat gar schon einmal ein Fahndungsfoto von Osama bin Laden ohne Vollbart oder Sadam Hussein glattrasiert gesehen? Fest steht, dass auch diese mächtigen Männer ihre Rotzbremse getrimmt haben oder haben lassen, bevor sie vor einer Rede eine komplette Mahlzeit aus dem Gestrüpp puhlen mussten. Wobei Osama bin Laden auf seiner Flucht durch die Verstecke dieser Erde wahrscheinlich wenig Zeit und Mittel hatte, sich zu rasieren. Vielleicht hat er sich ja in Höhlenverstecken - ganz wie unsere Vorfahren - mit Obsidianschabern den Bart gestutzt oder gar mit den bloßen Händen ausgerupft. Vermutlich war die Bartpflege während seiner Weltreise im Verborgenen jedoch so ziemlich das Letzte, worum sich Osama kümmerte - schließlich sei Rasieren laut Taliban unislamisch.