Hainhofen damals
Da sprach der alte Häuptling der Indianer
Winnetou hat ausgedient
"Kauboi und Indianer" zu spielen war eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen bis hinein in die 70er Jahre, wobei lange Zeit die bleichgesichtigen Revolverhelden mit ihren vielschüssigen Colts in der Beliebtheit der Jungs deutlich weiter vorne lagen, als die Rothäute mit ihren wenig treffsicheren Pfeil und Bogen. Das kriegerische Spiel war reine "Männersache", für kleine Schwestern schien allenfalls die stumme Rolle der untertänigen Squaw angemessen, falls diese partout mitspielen wollten. Die dicken grünen Karl-May-Bände standen zwar in der Ministrantenbibliothek zur Ausleihe bereit, aber das holprige Lesen dieser vielseitigen Wälzer war den meisten Volksschülern viel zu anstrengend. Die Wende kam 1962 durch die RIALTO-Film Gmbh, als sie mit dem "Schatz im Silbersee" den ersten Streifen um die Superhelden Winnetou & Old Shatterhand auf die deutschen Kinoleinwände brachte. Der edelste aller edlen Apachenhäuptlinge war seinem weißen Blutsbruder als Idol quasi gleichgestellt, nachdem sie sich in "Winnetou Teil 1" beim gemeinsamen Aderlaß ewigen Beistand geschworen hatten.
Um die unzähligen Abenteuer und Dreharbeiten in Ex-Jugoslawien zu überleben, brauchte der Oberindianer Winnetou die entsprechende Ausrüstung. Anders als seine einfachen Krieger, die als unterbezahlte Statisten halbnackt im blauen Lendenschurz um den Marterpfahl tanzten, bekam der Häuptling ein richtig dekoratives Gwand im indigenen Landhausstil verpaßt. Dieses von allen Filmplakaten und Titelbildern der BRAVO bekannte Modell wurde der Verkaufsschlager in den Faschingsabteilungen von MERKUR und ZENTRAL und zwang weniger begüterte aber handwerklich begabte Mütter zurück an die Nähmaschine. Das am meisten begehrte Utensil war jedoch eindeutig die reichlich verzierte, unfehlbare Silberbüchse, deren Kugeln die tollpatschigen Feinde ebenso todsicher ins Jenseits beförderten wie der halbautomatische Henrystutzen von Karl Schmetterhand, dem immigrierten deutschen Ingenieur und Freund aller Indianer.
Dermaßen filmreif ausstaffiert stand man als Elfjähriger natürlich ganz weit vorne im Ranking der Dorfjugend der Westlichen Wälder, allerdings beschränkte sich das Vergnügen alleine auf den Faschingsdienstag. An den anderen 364 Tagen im Jahr wurden zwar auch Banden gegründet und Gefechte ausgetragen, aber die teure Indianertracht blieb unter elterlichem Verschluß und die Silberbüchse ohne Munition, da es die Zündblättchen unterjährig nicht zu kaufen gab. So war der Fasching für alle ein ganz besonderer Moment, den man gerne in Agfacolor für den berüchtigten Diaabend im Bild festhielt.
Heute hätte so eine Foto eher Seltenheitswert. Eltern, die ihr Kind in Indianerkleidung und gar rötlich geschminkt mit geladener Schußwaffe zur Faschingsparty in die Kita oder Grundschule schicken, würden sich am nächsten Tag in den Schlagzeilen der regionalen Presse wiederfinden. Ohne Bild natürlich, denn das verbietet heute der Datenschutz, der in der Früherziehung besser zu funktionieren scheint, als bei der Kontrolle illegaler Zuwanderung. Winnetou taucht 2025 ohnehin nicht mehr in der Beliebtheitsskala der kindlichen Idole aus Film und Fernsehen auf. Da haben andere Superhelden wie Batman oder Captain America den antiquierten Häuptling längst überholt und zeitgemäße Kampfmittel von Laserschwert bis Nerf-Gun haben die Silberbüchse abgelöst. So wird der Freund aller weißen und roten Brüder bald gänzlich aus dem Karneval verschwunden sein und in die ewigen Jagdgründe eingehen. Aber er beschreitet diesen letzten Weg nicht alleine: das Hula-Mädchen im Baströckchen, der schokobraune Lummerländer Jim Knopf und die Drei Chinesen mit Kontrabass und Sprachstörung sind ihm längst vorausgegangen.
😮♥️🥰🤠grüße vom Kauboi