Der Fasching damals
Als Sankt Stephan die Narrenkappe trug
Rückblick auf die Geschichte der legendären Hainhofer "Edelweiß Sisters"
Vor 25 Jahren, am 16.02.1999 wurde beim Kehraus im Gasthaus zum Lamm das letzte Kapitel der 10jährigen Erfolgsgeschichte des Hainhofer Männerballetts geschrieben. Hier eine kurze Retrospektive über den Werdegang der Showtruppe:
Aus der Not heraus geboren
Auftritte von Männerballett-Riegen auf Faschingsbällen oder Geburtstagsfeiern sind heutzutage nichts Ungewöhnliches. Das Niveau dieser Darbietungen ist jedoch von sehr unterschiedlicher Qualität und oft beschränkt sich eine solche Show auf mehr oder weniger synchrone, linkische Bewegungen von bierbäuchigen Männern, deren Körper in hauchzarte Ballerina-Tütüs gezwängt werden, unter denen ihre behaarten Beine publikumswirksam hervorlugen. Das kann zu vorgerückter Stunde durchaus Spaß machen und einen ganzen Saal zum Kochen bringen, aber in Hainhofen ist man einst einen etwas anderen, ambitionierten Weg gegangen, der direkt in eine ungewöhnlich lange Erfolgsspur führte.
Geboren wurde die Idee zur Gründung einer rein maskulinen Tanztruppe aus der Not heraus, denn der traditionelle Feuerwehrball litt im Hainhofen der späten 80er Jahre wie so viele andere auf dem Land an chronischem Besucherschwund. Vor allem die Jugend fühlte sich durch das biedere Ambiente des dörflichen Faschings kaum noch angesprochen. Es war der damalige Vorstand der Freiwilligen Feuerwehr Alois Seitz, der den rettenden Gedanken hatte, mit einem zeitgemäßen Showact das Programm des Balls aufzupeppen, um damit auch das jüngere Publikum wieder in den Saal zu locken. Ihm zur Seite standen von Beginn an seine Frau Josefine, genannt "Finni" und Elfriede Mayr, die nicht nur gemeinsam die aufwändigen Kostüme schneiderten, sondern auch die Choreografien der Shownummern einstudierten. Alois Seitz selbst übernahm zusätzlich die Rolle des Moderators bei vielen Auftritten der Edelweiss Sisters.
Aus der Uniform ins Dirndl
Nach Tanztalenten schaute er sich naheliegend im Dunstkreis seiner Floriansjünger um und bald erklärten tatsächlich sich 8 geschmeidige Kameraden bereit, den Sprung in das für sie eiskalte Wasser zu wagen und den nächsten Ball mit einer Balletteinlage zu bereichern. Den "Zillertaler Hochzeitsmarsch" wollte man in einer knackigen Discoversion mit einem Hauch Erotik auf die Bühne bringen und da die neu geformte Riege während der ersten Proben erstaunliche Fortschritte machte, sollte in froher Erwartung eines großen Erfolgs gleich noch eine Zugabe eingeübt werden. Da man ohnehin in feschen Dirndln auftreten wollte, fiel die Wahl auf den damals gerade angesagten schrägen Hit "Bring me Edelweiß" und in diesem Moment war ganz nebenbei der Name des ersten Hainhofer Männerballetts gefunden:
Die EDELWEISS SISTERS waren aus der Taufe gehoben!
Premiere und erste Erfolge
Beim Feuerwehrball 1989 im Gasthof Mayr beklatschte ein begeistertes Publikum die furiose Premiere der Sisters. Der Auftritt hatte sich im Vorfeld herumgesprochen und für ein deutliches Besucherplus gesorgt. Noch in der selben Karnevalssaison absolvierte man 5 weitere Auftritte, welche die Newcomer u.a. bereits nach Haunstetten und Neusäß führten. Schnell war man sich einig, daß nach diesem vielversprechenden Senkrechtstart noch lange nicht Schluß sein sollte und im Herbst plante man bereits mit Feuereifer für das kommende Jahr. Die Trainerinnen Finni und Ellie entwarfen und nähten neue Kostüme, Alois koordinierte weitere Termine und die Sisters übten unermüdlich die Schrittfolgen für die neuen Nummern wie "Blitz und Donner" und den "Twist". Man startete 1990 erneut mit dem Hainhofer Feuerwehrball, der dieses Mal bereits komplett ausverkauft war. Das Publikum war hingerissen von den akrobatischen Showelementen, die mehr und mehr in die Darbietungen eingebaut wurden. Im "Rahmenprogramm" verkaufte Marcel Seitz als Eiermann harte Eier mit den Autogrammen der Sisters für 1 DM pro Stück und trug dabei verkaufsfördernd ein lebendes Huhn des Ellenrieder Hofs auf dem Arm. Der Ruf der lustigen Truppe als Anheizer auf Faschingsbällen drang schnell über die Hainhofer Ortschilder hinaus und so wurde man im zweiten Jahr bereits von der Stadt Neusäß für den Seniorennachmittag gebucht. Die halbamtliche Chronik von Günther Uhrle berichtet auch über erste Verletzungen bei den Tänzern. Diese zog man sich aber nicht bei den riskanten Hebefiguren, sondern bei Stürzen auf dem Nachhauseweg im Morgengrauen zu!
Über die Dorfgrenzen hinaus
In den folgenden Jahren startete das aus einer Verlegenheit heraus geborene Projekt "Edelweiss Sisters" unaufhaltsam durch. Die 8 Kameraden der Anfangsformation wurden nach und nach um 7 weitere Ballerinas verstärkt. Christian Kunz brachte sich nicht nur als Tänzer in das Team ein, sondern schuf auch das markante runde Logo, welches künftig das unverkennbare Markenzeichen der Sisters auf TShirts, Aufklebern und Plakaten sein sollte. Die Anfragen potentieller Kunden beim Management im Hause Seitz häuften sich und man entwickelte sich immer mehr weg von einer reinen Faschingsattraktion hin zu einem ganzjährig gebuchten Event. Die Engagements in den Sommermonaten überflügelten bald die Karnevalstermine, auf Betriebfesten, auf Hochzeiten, auf privaten Geburtstagsfeiern und sogar im Augsburger Nightlife der Discothek PARK wurden die Tangos und Bauchtänze der Sisters frenetisch beklatscht. Im Saalbau Schuster in Neusäß war man Dauergast an der Seite der Narrneusia, beim 50. Geburtstag des Bürgermeisters Nozar trat man ebenso auf, wie im Augsburger Hotel Drei Mohren oder beim traditionellen Weiberfasching im Roncalli-Haus Göggingen. Die Hainhofer Bälle erlebten einen nie gekannten Zulauf, seit Franz Durner den Vorverkauf organisierte. Der Saal des Gasthofs zum Lamm war stets bedrohlich überfüllt, sobald die Edelweiss Sisters auf den Plakaten erschienen! Im Sommer 1991 wurde man bei einem Talentwettbewerb der Augsburger Allgemeinen von der Jury zwar nicht aufs Siegertreppchen gehoben, durfte sich gemessen an der überschäumenden Reaktion des Publikums aber als "Sieger der Herzen" fühlen. Im Bierzelt des Neusässer Volksfestes brach gar der Boden der Bühne, als die Sisters aufgepeitscht durch die mitgereisten Fans mit ihren schweren Stiefeln allzu temperamentvoll "auftraten". Die höchste Zuschauerzahl der Karriere erreichte man 1996 bei einem Gastauftritt in der Zusmarshauser Schwarzbräuhalle vor 3000 begeisterten Jecken.
Atemlos durch die Nacht
Die Nummernfolge wurde im Laufe der Zeit immer ausgefeilter und abwechslungsreicher. Launige Sketche zum aktuellen Zeitgeschehen, köstliche Parodien auf gerade angesagte TV-Sendungen und lokalpolitisches Kabarett bildeten den Gegenpart zu den reinen Tanznummern. Nicht wenige Fans kamen alleine wegen dieser Comedyeinlagen zu den Vereinsbällen. Im Jahr 1996 brachte man schließlich ein Nonstop-Programm auf die Bühne, das über 1 Stunde lang für beste Stimmung sorgte und zusammen mit Gaststars wie den "Zusamtaler Bettschonern" atmete man an solchen Abenden im kleinen Ortsteil Hainhofen ein wenig die Luft der Fastnacht in Veitshöchheim.
Garanten des Erfolgs
Daß die positive Entwicklung der Edelweiss Sisters über einen solch langen Zeitraum anhielt (bereits 1994 hatte man den 100. Auftritt absolviert!) hat zwei entscheidende Gründe. Da ist an erster Stelle die unermüdliche Arbeit des Ehepaars Seitz in einem Atemzug mit Elfriede Mayr zu nennen, wobei es für die Trainerinnen nicht immer ein Leichtes war, das überschäumende Temperament ihrer "Töchter" im Zaum zu halten und rechtzeitig die Zügel straffer anzuziehen, wenn die Aufwärmdrinks wieder einmal allzu gut schmeckten. Trotz aller Gaudi sollte man stets den sportlichen Anspruch hinter den Darbietungen spüren, damit diese zu keiner Zeit in reinen Klamauk abdrifteten. Zum anderen waren die "Schwestern" unter sich eine eingeschworene Bruderschaft, die nicht nur zu den zahllosen Trainingseinheiten und Auftritten zusammenkam, sondern die daneben viele vergnügliche Stunden in der Freizeit zusammen verbrachte. Gemeinsame Skifahrten und Plärrerbesuche gehörten ebenso zu den rot markierten Tagen in ihrem Jahreskalender wie insbesondere die Zeit der Maibaumfeiern. Die im ganzen Landkreis berüchtigten "Hainhofer Maibaumdiebe" rekrutierten sich zu einem Großteil aus den Mitgliedern des Männerballetts. Für besondere Anlässe stand als Dienstfahrzeug Hubert Ellenrieders grüner Traktor, der berühmte "Edelweiß Kramer" parat.
Wenn es am schönsten ist ...
Trotz aller Harmonie und obwohl man fast Kultstatus erreicht hatte: irgendwann nagte der Zahn der Zeit auch an den knackigsten "Edelweiß Sisters". Die eigene Lebensplanung nahm mehr Raum und Zeit in Anspruch, berufliche Ziele wollten erreicht werden und 1996 wurde die erste "Schwester" als Bräutigam zum Traualtar geführt. Der Fasching 1999 kristallisierte sich folgerichtig als Abschluß des Projekts Hainhofer Männerballett heraus, welches 10 Jahre zuvor seinen fulminanten Startschuß erlebt hatte. Am 06.02.99 bot man auf dem erneut ausverkauften Feuerwehrball ein vielfältiges Jubiläumsprogramm und zog dabei noch einmal alle Register zwischen Tanz und Komödie. Auch der Kehraus des Schützenvereins wenige Tage später sorgte für eine randvolle Hütte im Gasthaus zum Lamm, auf dem sich die Sisters von ihrer Hainhofer Fangemeinde und der Wirtin Luise endgültig verabschiedeten. Um Mitternacht des 16.02.99 wurde nicht nur der Fasching in seinem Holzsarg feuchtfröhlich zu Grabe getragen, sondern auch die Edelweiß Sisters sagten dem Dorffasching mit einiger Wehmut für immer Auf Wiedersehen.
Es folgte noch eine Handvoll Shows, die für dieses letzte Jahr bereits gebucht und absolviert wurden, bevor im Sommer der Auftritt Nummer 199 zur Hochzeit des Hainhofers Christian Hackl die letzte Sprosse der zehnjährigen Erfolgsleiter bildete. Posthum konnte Chronist Uhrle letztendlich doch noch handschriftlich die runde Nummer 200 unter seiner Statistik vermerken, als es im Jahr 2001 anläßlich des 100jährigen Jubiläums des Schützenvereins Hainhofen in der "Festhalle Ellenrieder" zu einer einmaligen Reunion der Edelweiß Sisters kam.
DIE EDELWEISS SISTERS WAREN:
Gründungsmitglieder
Hubert Ellenrieder, Thomas Weizenegger, Johann Walter jun., Bernd Weber,
Ralf Wittmann (†), Marcel Seitz, Günther Uhrle und Stefan Palme
später dazu gestoßen
Franz Durner, Christian Kunz, Hansjörg Schäfer, Daniel Drolshagen, Bernd Steimer, Alexander Assum, Rainer Kieswetter
Leitung, Management und Moderation
Alois Seitz
Choreographie und Kostüme
Josefine Seitz, Elfriede Mayr (†)
Design des Logos
Christian Kunz
Chronik
Günther Uhrle
Das Resümee lautet gemäß des Schlachtrufs der Sisters:
WARUM WAREN DIE BUBEN GUT? WEIL SIE ÜBTEN, ÜBTEN, ÜBTEN ...
Text und Gestaltung dieses Beitrags: hawe für myheimat Online
Bildmaterial: Archiv der Edelweiss Sisters
Danke an Franz Durner für die freundliche Unterstützung und an Günther Uhrle für das umfangreiche Textmaterial
Danke an alle ehemaligen Mitglieder der Edelweiß Sisters für die unbeschwerten Stunden, die ihr Eurem Dorf bereitet habt!