Aus dem Leben der HO-Gaststätten in Naumburg
Kam eine ältere Dame in das am Sonntag Morgen noch spärlich besetzte Stadtcafé. Nach ca. 30 Minuten des angemessenen Wartens, die Serviererinnen waren gerade bei der Auswertung der letztnächtlichen Erlebnisse und der Katerbekämpfung mit einem Gläschen Sekt, erkundigte sich ein der Damen auf halben Wege zu Tisch recht unwirsch, bedrohlich und laut mit den Worten: „was woll….märn ?“, nach den Wünschen und ließ durch ihre Art der Befragung deutlich erkennen, dass es ihr eigentlich scheißegal war, was die Olle wolle. Die Dame versuchte umständlich ihrer Anwesenheit zu entschuldigen und bat um eine Tasse Kaffee, aber schwarz und ohne Zucker. Nach weiteren 30 Minuten angemessenen Wartens, die Serviererinnen waren mit ihrer Auswertung und dem dritten Glas Sekt noch nicht fertig, bekam sie dann denselben. Die Fachkraft für gastronomischen Service, welche leicht sektfüßig, diesen Vorgang zelebrierte, hatte dabei nicht bemerkt, dass wenigsten ein drittel des ursprünglich in der Tasse befindlichen Kaffees bereits auf der Untertasse verweilte, ohne von einem sogenannten Tropfdeckchen belästigt zu werden. Dieser, aus einem normalen Materialengpass resultierende Zustand wurde nun von der Dame wohlwollend übersehen, da so ein Missgeschick zu den kleinen Alltäglichkeiten in der sozialistischen Gastronomie gehörten und sie ja immerhin damit groß geworden war. Nicht übersehen wollte und konnte sie nicht die Tatsache, dass der Kaffeelöffel fehlte, den sie so dringend für die lieb gewonnene Marotte, auch ohne Zucker und Milch in dem Gesöff rumzustochern. Da sie nun aber aus der Ferne sah, dass hinter dem Tresen eine neue Flasche Sekt für ein viertes Glas geöffnet wurde, vermutlich war die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen, sollte ihrerseits kein hässlicher Ruf nach der Bedienung, diesen Vorgang unterbrechen und sie entschloss sich selber eines dieser Alulöffel zu holen. Das war nicht weiter schwer, denn der Besteckkasten, soweit noch als solches zu erkennen, stand unmittelbar neben der Theke, aber so, dass jeder Gast sich bedienen konnte. Diese allgemeine Zugänglichkeit war zwar nicht im Sinne des Besteckkastenerfinders, aber sehr bequem für das Personal, denn es ersparte so manchen zusätzlichen Weg zum Gast. Allerdings muss zur hygienischen Verteidigung des Cafés gesagt werden, dass so ein Eingriff in den routinierten Tagesablauf der Gaststätte nicht für jeden Gast gestattet war, und die Dame gehörte wohl nicht dazu. Kaum hatte sie sich dem Kasten auf zwei Meter genähert, ertönten von der bereits weiter oben erwähnten Fachkraft für gastronomischen Service, die unwirsch- bedrohlichen und lauten Worte: „…na was wärtn däs… ?“ , und das mehrere male hintereinander. Dabei lag ein Hauch von Sekt über dem Ort des Geschehens, der sich proportional zum jeweiligen Abstand zur Kellnerin mal mehr,
mal weniger stark manifestierte. Der gut gemeinte Griff zum Kaffeelöffel blieb trotz aller Erklärungen verwehrt und von den Fachkräften war keiner Entgegenkommen zu erwarten, da nach deren Verständnis ein Kaffee ohne Milch und Zucker eines solchen Gerätes nicht bedürfe. Auch gäbe es nach deren Argumentation viel zu wenig Personal um diese Rührhilfen sauber zu halten und dadurch sei die kontinuierliche Versorgung der Gäste nicht zu gewährleisten. Sprachs und zog den Deckel über die im Besteckkasten reichlich vorhandenen Kaffeelöffel. Empört verließ die Dame das Lokal mit dem Vorsatz nie wieder diese „Kaschemme“ zu betreten. Da war sie sich mit der Bedienung einig, denn die brüllte hinter ihr her, dass sie nie wieder hier herkommen brauche, denn es bediene hier keiner so eine unverschämte Person. Symbolisch für diese Worte wurde dann der ungetrunkene Kaffee gegen 15°° Uhr abgeräumt und der Tisch für die nächsten Gäste hergerichtet.
Bürgerreporter:in:Karl Heinz Winkler aus Naumburg (Saale) |
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