Kriminal-Posse in Münchhausen zum Jahreswechsel 1921/22 – Der Münchhäuser Nachtwächter Peter Sauer greift beherzt ein
Mancherlei Begebenheiten aus der Geschichte Münchhausens, seien sie tragischer oder humorvoller Natur, sind für
immer unwiederbringlich verloren, denn sie wurden weder aufgeschrieben noch weitererzählt. Jetzt wurde wieder
eine ernste Angelegenheit an´s Tageslicht befördert. Aus der Distanz der Jahre heraus betrachtet, mutet sie wie
eine skurrile Kriminal-Posse an, die jedoch für die damals Beteiligten alles andere als heiter war, insbesondere
nicht für einen gerade entlassenen Sträfling, der des Nachts durch Münchhausen wanderte. Doch bevor wir die
alten Quellen sprechen lassen, noch ein paar kurze Anmerkungen zu den Jahren nach dem 1. Weltkrieg.
Bedingt durch die Tatsache, dass während des Krieges viele metallischen Gegenstände zu Kriegszwecken
abgeliefert werden mussten, war nach der Kapitulation vieles nicht mehr so, wie es vor Kriegsbeginn einmal war.
Die Tugend wich der Not und viele merkwürdig anmutende Dinge passierten.
So berichtet die Oberhessische Zeitung unter anderem am 27.01.1920:
„Katzenjäger scheinen hier ihr Unwesen zu treiben, denn in der letzten Zeit verschwinden hier mehrfach diese im
Interesse der Mäusevertilgung so nützlichen Tiere. Jedenfalls wird mit den Fellen ein Geschäftchen gemacht.“
Aber es ging auch schrittweise wieder bergauf, manche technische Neuerung hielt auch in Münchhausen Einzug.
Die Oberhessische Zeitung berichtet hierzu am 11. September 1920:
„Unter großer Freude von Alt und Jung brannte gestern abend zum erstenmal das elektrische Licht in unserem Ort.
Der Strom wird von der Edertalsperre geliefert.“
Diese technische Neuerung spielt auch später in unserem „Kriminalstück“ eine Rolle. Im Dezember 1920 wurde
schließlich ein durch die Kriegswirren verursachtes Unrecht wieder rückgängig gemacht.
Die Oberhessische Zeitung berichtet hierzu am 17. Dezember: „Manches Auge unserer Dorfbewohner füllte sich
heute mit Tränen. Zum ersten Male läuteten in der Abendstunde die neuen Glocken vom Turme. Ein lang
vermisster Klang füllte das Tal. Vom Walde her hallte es leise wider. Eltern gedachten bei diesem Geläute der
Stunde schmerzvollster Trauer; die Jugend verband damit frohere Erinnerungen. Allen wurde weh ums Herz.“
Hegemeister Justus Müller und seine Frau Minna geb. Gies spendeten damals eine Glocke, am 26. Januar 1921
wurden sie daher von der Gemeinde Münchhausen zu Ehrenbürgern ernannt. Am 1. Mai 1921 wird gar ein
Ehrenmal für die Gefallenen des Völkerringens auf dem Christenberg eingeweiht. Auch hierzu berichtet uns die
Oberhessische Zeitung vom 26. April:
„Kommenden Sonntag (1. Mai) findet auf dem Christenberg die Einweihung des Kriegerdenkmals der Gefallenen
aus Münchhausen statt, zu der die Herren Superintendent Landau und Landrat v. Loewenstein ihr Kommen
zugesagt haben. Herr Superintendent Landau hält die Predigt in der Christenbergkirche, der Ortspfarrer, Herr
Pfarrer Balzer, die Weiherede am Denkmal. Die Enthüllung des Denkmals geschieht durch den Herrn Landrat.
Kranzniederlegungen erfolgen durch die Angehörigen der Gefallenen, die Gemeinde, das Presbyterium, die
Ortsvereine und die Schule. Gesänge des Männerchors, des gemischten Chors und der Schulkinder wechseln ab.
Schließlich wurde im März 1922 noch ein weiterer Missstand behoben. Die Oberhessische Zeitung berichtet hierzu
am 24. März: „Der in New York wohnhafte Deutsch-Amerikaner Paul Moog stiftete seiner Heimatgemeinde
Münchhausen den Betrag von 3.500 Mk. zur Beschaffung neuer Orgelpfeifen. Sie wurden von Orgelbauer
Helfenbein in Gotha geliefert und eingebaut.“ Wir sehen also, in den ersten Jahren nach dem Krieg wurde wieder
so manches geleistet. Lassen wir aber nun die Oberhessische Zeitung zu der anfangs angekündigten Kriminal-Posse
in zwei Teilen berichten:
Oberhessische Zeitung vom 31. Dezember 1921:
„Münchhausen, 30. Dezember
Vergangene Nacht brachen freche Gesellen in das Nebengebäude eines hiesigen Landwirts und holten sein bestes
Mastschwein (etwa 3 Zentner schwer) aus dem Stalle und schlachteten es in der Nähe des Anwesens auf den
Wetschaftswiesen. Das Vorderteil des Tieres fand man heute morgen und musste erkennen, dass die Schlachtung in
unsauberster, ungeschicktester Weise von Rohlingen erfolgt war. Wie verlautet, sind in gleicher Nacht von einem
Nachbarhofe zwei wasserdichte Pferdedecken gestohlen, welche möglicherweise als Beförderungsmittel gedient
haben. Blutspuren zeigen sich nach dem Bahngleis hin. Hoffentlich gelingt es, die Diebesbande zu ermitteln. Wie
uns weiter mitgeteilt wird, hat ein anderer Mann den liegengebliebenen Rest des Schweines dem Besitzer
abgekauft, da dieser nichts von dem Tier haben wollte.“
Sicherlich war man durch dieses Ereignis aufgewühlt und wachsam geworden, vielleicht aber auch ein wenig
nervös. Dies wird aus der nachfolgenden Begebenheit deutlich:
Oberhessische Zeitung vom 04. Januar 1922:
„Münchhausen, 03. Januar
Revolverschüsse und Hilfeschreie des Nachtwächters Sauer von hier durchdröhnten in der letzten Nacht unser
Dorf. Überall flammten die elektrischen Lampen auf und in wenigen Minuten belebte sich die Dorfstraße. Man
glaubte, einen Einbrecher, vielleicht gar den „Schweinedieb“ von neulich gefasst zu haben, doch die Ausweise, die
er bei sich trug, ergaben seine Unschuld. Der Fremdling war gestern aus der Strafanstalt Butzbach entlassen und
wollte heute früh zum ersten Zuge mit seinem Bruder in Frankenberg zusammentreffen. Da ereilte ihn sein
Schicksal, als er, des Weges unkundig, gerade den Wegweiser belichtete. Der Zufall wollte es, dass hier vor
wenigen Tagen im wenige Schritte entfernt liegenden Bauernhofe ein Schwein gestohlen und abgeschlachtet
wurde. Nach mehrstündigem Festhalten – Bürgermeister und Feldjäger prüften die Papiere – durfte der nächtliche
Wanderer seine Straße weiter ziehen. Zum Zug kam er wohl nicht mehr zurecht. Er kann dennoch von Glück
sagen, dass er mit heiler Haut, wenn auch gehörig durchnässt und durchfroren, davon gekommen ist.“
Bürgerreporter:in:Holger Durben aus Münchhausen |
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