Ungarn-Rundreise im Sommer 1989 kurz vor der Wende – Teil 4: immer wieder die gleiche Frage: „Wollen Sie Geld tauschen?“
Mittwoch, 7. Juni 1989
Der Abschied vom hoch über der Donau gelegenen Hotel „Silvanus“ fiel uns trotz herrlicher Aussicht, die auch genau wie unser Reisebegleitheft schrieb, sein einziger Vorzug war, nicht schwer, denn die Zimmer waren tatsächlich nur bessere Schlafplätze gewesen. Das Frühstück dagegen war ganz ordentlich: zwar kein Buffet, aber genügend Kaffee und Weißbrot, dazu eine Wurst- und Käseplatte. Allerdings werde ich ab morgen auf Tee umsteigen. Der braune Sud, der sich bei Hotelfrühstücken Kaffee nennt, ist wirklich grausig.
Als erstes besichtigten wir die auf einem Bergkegel am Donauknie gelegene Burg von Visegrad, eine teilweise restaurierte Wehranlage aus dem 13. Jahrhundert. Schon auf dem Parkplatz wollte wieder mal jemand Geld tauschen. Ich finde diese Frage, die uns jeden Tag mehrmals gestellt wird, jetzt schon reichlich lästig und dabei war dies erst unser 4. Rundreisetag. Das geht noch ein Weilchen so weiter mit dieser einseitigen Unterhaltung. Zur Burg hoch mussten wir natürlich wieder Treppen steigen, aber wir waren ja von gestern noch gut trainiert und erstaunlicherweise ohne Muskelkater.
Wieder unten im Ort, tankten wir unser Auto voll und gleich kam auch hier wieder die obligatorische Frage.
Wir sahen dann eine Weile bei den Ausgrabungen der terrassenartig angelegten Fundamente eines Palastes der ungarischen Könige aus dem 13. – 15 Jh. zu. Früher wollte ich immer Archäologe werden und verborgene Dinge ausgraben. Aber es ist doch eine ziemlich brotlose Zunft, die wenigsten finden Goldschätze, stattdessen verstauben sie in Museen. Dann doch lieber Bibliothek!
Weiter ging die Fahrt durch die Laubwälder der Visegrader Berge nach Szentendre. Linker Hand kurz vor dem Ort lag das Freilichtmuseum „Skanzen“. Es befand sich 1989 noch im Aufbau. Wir schauten uns die Bauernhäuser aus Nordostungarn an, zu denen auch eine interessante, kleine Kirche gehört. Auf einem Hügel gab’s noch eine weitere Kirche, sogar mit „Pfarrer“ auf der Bank davor. Nach diesem Anstieg, hatten wir keine Lust mehr, uns noch die Häuser aus Nordwestungarn anzusehen, zumal sie etwas abseits lagen. Faul, faul! Aber es waren auch hier wieder zu viele Schulklassen unterwegs, als dass man die Sache mit Muße hätte angehen können.
Im malerischen Szentendre siedelten sich Mitte des 20. Jahrhunderts viele Maler und andere Künstler an. Es gibt inzwischen etliche Galerien, viele Geschäfte und Lokale. Fast ein bisschen wie Rüdesheimer Drosselgasse. Wir schauten uns das Museum von Margit Kovács (1902 – 1977) an, der bedeutendsten ungarischen Keramikkünstlerin.
Wie vom ADAC vorgeschlagen, suchten wir uns eine Vendöglö, ein echtes ungarisches Gasthaus, um eine Kleinigkeit zu essen. Wir entschieden uns für eines auf dem Fö tér (Hauptplatz). Der Platz ist umgeben von Barockhäusern, in der Mitte die Pestsäule, die 1763 nach dem Ende einer Epidemie errichtet wurde. Das Lokal war dann nicht so ganz die wahre Wonne. Ich aß Gulaschsuppe, gut und scharf, mein Mann bestellte irgendwas Schweinernes und hinterher Kaffee. Die Speisekarte war ohne Preise und es gab auch nicht alles, was drauf stand. Ok, damit ließ sich umgehen. Wirklich schlimm aber waren die Toiletten: eine besch …, die andere konnte man nicht abschließen. Ob der deutsche Chor, für dessen Verpflegung sich jemand befragte, in einigen Monaten tatsächlich hier eingekehrt ist, wage ich zu bezweifeln.
Bei Vac überquerten wir auf einer Fähre die Donau. Zuvor waren wir an riesigen Erdbeerfeldern vorüber gefahren, wo eifrig gepflückt wurde. An der Fährstation standen Leute mit Taschen und Körben voll mit den leckeren Früchten. Etliche davon schienen Sinti oder Roma zu sein. Während wir auf die Fähre warteten, wollte ein kleiner Junge mit einem großen Eimer die Scheiben an unserem Auto waschen. Ich wehrte ab, er wäre ohnehin etwas zu kurz gewesen, und schenkte ihm ohne Gegenleistung einige Forint.
Endstation heute war Eger (dt. Erlau) und dabei fielen uns natürlich als erstes die Weine ein: „Erlauer Mädchen“ und das bekannte „Erlauer Stierblut“. Unser Hotel, in dem wir 2 Übernachtungen hatten, war relativ neu, das Zimmer gut, wenn auch klein, die Betten wieder nicht nebeneinander. Aber das Bad! Die Badewanne stand solo, davor eine Kachelwand, oben offen, sodass man die „Innereien“ sah und außerdem stank es wie in einem Stall. Wir haben es überlebt, was soll’s. Das Monopoly-Geld (die Essenbons) für heute verprassten wir nebenan im Park-Hotel bei Grillteller, Dessert und Wein, wieder alles wahnsinnig preiswert. Morgen werden wir uns anstrengen müssen, damit das Spielgeld für Eger auch alle wird. Wir gingen früh zu Bett und da die Musik der Hotel-Disko, wo die russischen Touristen tanzten, um 22 Uhr abgestellt wurde, konnten wir auch bald schlafen.
Bürgerreporter:in:Ingrid Wittich aus Mücke |
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