Ungarn-Rundreise im Sommer 1989 kurz vor der Wende – Tag 3: 400 Stufen näher zum Himmel
Dienstag, 6. Juni 1989 Etappe Sopron – Visegrad.
In unserem Reisebegleitheft lasen wir: „Obwohl die Strecke nicht allzulang ist (200 km), sollten Sie sich rechtzeitig auf den Weg machen, da es heute viele Besichtigungsmöglichkeiten gibt.“ Um 8.00 Uhr gingen wir zum Frühstück. Viele waren schon vor uns da gewesen: der Kaffee war kalt, von den Rühreiern war nur noch ein Rest übrig und für den kam ich dann auch noch zu spät. Was soll’s, es gab noch genug anderes Essbares, aber Eier mit Speck, das ist nun mal mein Liebling-Urlaubs-Frühstück.
Es wurde 9.00 Uhr bis wir endlich losfuhren. Erster Stopp beim kleinen Bauernhausmuseum in Fertöszeplak. Am Eingang wurden uns Handarbeiten angeboten. Eine Frau sagte zu mir: „Wir verdienen nicht viel, darum machen wir das und verkaufen es hier.“ Nach dem Rundgang durch die gut restaurierten Arkadenhäuser erstand ich ein kleines gesticktes Deckchen als Mitbringsel für eine Tante. 500 Ft. kostete es. So wenig Geld, für so viel Arbeit.
Wenige Kilometer weiter dann Schloss Esterházy, eines der schönsten Schlösser des Landes. Es gehört zum Weltkulturerbe und wird auch als Versailles Ungarns bezeichnet. Wir machten keine Führung mit, da sehr viele Schulklassen unterwegs waren. Außerdem wäre auch nur der untere Teil zu besichtigen gewesen, da in den oberen Räumen ein Film gedreht wurde. Einige Schauspieler saßen in der Eingangshalle und warteten auf ihren Einsatz. Wir fuhren zu einem Seiteneingang, wo wir glaubten, in den Park gehen zu können, aber auch hier war wegen der Dreharbeiten abgesperrt. Wir waren kurz Zaungäste und sahen eine Kutsche vorbei fahren, in der gerade ein Paar in historischen Kostümen gefilmt wurde. War schon interessant! Unsere neuen Freunde fanden heraus, dass ein Mehrteiler über Bismarck gedreht wurde. Im Frühjahr 1990 wurde der Film mit Uwe Ochsenknecht, der leider gerade nicht am Drehort war, im ZDF gezeigt. Natürlich haben wir da vor dem Fernseher gesessen und uns erinnert.
Györ, deutsch Raab, war die nächste Station. Anders als in Sopron wurden hier etliche Häuser restauriert und das lohnt sich auch in dieser sehenswerten Altstadt. Lange hielten wir uns hier nicht auf. Gerade so lange wie man für 2 Bällchen Eis-Schlecken braucht, die ganze 30 Pfennig kosteten!
Weiter ging die Fahrt nach Esztergom, eine der ältesten Städte Ungarns.
Auf der Fahrt überwältigte es mich: ich sah fast nichts mehr von der Landschaft und den Orten, die wir passierten, da mir einfach die Augendeckel runter klappten und mein Kopf nach vorne fiel. Nichts half, kein Bonbon, kein Füße-hoch-legen, kein Lesen, im Gegenteil, letzteres machte es nur schlimmer. In Esztergom war ich wieder fit, topfit, und überzeugte meinen Mann, dass wir unbedingt die knapp 400 Stufen in die Kuppel dieser beeindruckend großen Kirche, die größte Ungarns, hochsteigen müssten. Es war zwar etwas dunstig, trotzdem war der Blick von oben die Anstrengung wert. In die Schatzkammer ging Alfred dann noch mit. Viele Menschen, sehr warm in den Räumen und alle Beschreibungen nur ungarisch. Schade! Wir betrachteten die wertvollen Stücke sicher nicht mit der ihnen gebührenden Ehrfurcht. Wir schwitzten. In die Gruft ließ mich mein Mann dann alleine steigen. Er hatte die Nase voll von Treppen.
Nach der Fitness-Tour in der Basilika fuhren wir direkt nach Visegrad zu unserer nächsten Herberge, dem Hotel Silvanus. In einem schmalen Schlauch von Zimmer standen die Betten Kopf an Kopf (oder Fuß an Fuß, ganz nach Belieben). Der Fernseher sprach nur ungarisch und es müffelte etwas. Na ja, war ja nur für 1 Nacht. Hier sah ich zum ersten Mal einen größeren Wagen mit DDR-Schild vorfahren. Müssen wohl Bonzen gewesen sein.
Das Abendessen war sehr gut und wieder sagenhaft preiswert: 2 x Gulaschsuppe (puh, beinahe hätten wir danach Feuer gespuckt), dann für mich Schweinemedallons auf ungarische Art und für meinen Mann Schweinskarree mit Kraut. Zur Schweinerei 1 Flasche Wein, Tokajer, Dessert für jeden (Kastanienpüree für Alf und Eis-Becher „Beatrix mit Geweih“ für mich – das Geweih war aus Schokolade) und hinterher 1 Cappuccino und 1 Espresso. Das alles umgerechnet für 30.- DM. Man kann’s kaum glauben.
Wir machten einen kurzen Verdauungsspaziergang und vergaßen, leicht weinselig, den Zimmerschlüssel auf dem Tisch. Er fand sich dann zum Glück neben unseren Reisepässen an der Rezeption wieder. Danach passierte nicht mehr viel. Wir gingen ins Zimmer, lasen das Programm für morgen und ich schaltete den TV an: „Schwarzwaldklinik“! Und die Brinkmänner sprachen perfekt ungarisch. Die Folge war uralt. Also Fernseher wieder aus, ab ins Bett und neuen Abenteuern oder Treppen entgegen schlafen .
Fortsetzung folgt
Tag 2: http://www.myheimat.de/muecke/freizeit/ungarn-rund...
Bürgerreporter:in:Ingrid Wittich aus Mücke |
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