Coronavirus oder COVID 19 Alles schon mal dagewesen??

Meinersen Merianstich 1654
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Alles schon mal dagewesen??
Eine Ausgangssperre und geschlossene Landesgrenzen wegen einer Krankheit (Pandemie oder Seuche)


Coronavirus oder COVID 19

Wenn solche Notfallpläne, wie wir sie zurzeit erleben, umgesetzt werden und man das Gefühl hat, dass das Leben still steht, fragen sich die Menschen: „War so etwas schon mal da? Haben wir so etwas schon mal erlebt?“
Schulen geschlossen, Kindergärten dicht, nur noch lebenswichtige Läden geöffnet. Selbst große DAX Unternehmen legen eine Pause ein. Die Wirtschaft steht still, aber wie lange können wir das durchhalten? In meinen 71 Jahren habe ich zwar schon von vielen Seuchen und Pandemien gehört, aber den Stillstand der Wirtschaft habe ich noch nicht erlebt.

Coronavirus oder COVID 19 sind zurzeit die Schlagwörter, wie soll man damit umgehen?
Die Hamsterkäufe, insbesondere Klopapier, werden sicherlich in die Geschichte von 2020 eingehen. Aber warum hamstern wir Klopapier? Für mich, nüchtern denkend, nicht wirklich erklärbar. Ich sorge für mich dafür, dass ich ausreichend Wennigser Gockel-Bier habe. Das ist gesund, Gockel-Bier kann man trinken, Klopapier nicht.

Aber was ist eigentlich eine Seuche oder eine Pandemie?

Hierzu einen Auszug aus Wikipedia:

„Eine Seuche
ist eine sich schnell ausbreitende ansteckende Infektionskrankheit, bzw. eine ältere Bezeichnung für eine bedrohliche und sich rasch verbreitende Krankheit, und in einem engeren Sinne eine zeitlich und örtlich gehäuft auftretende Infektionskrankheit.
Als Pandemie wird eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Krankheit beim Menschen bezeichnet.( S. Wikepedia Aufruf 28.03.2020)“

Aber zurück zur Frage.
Gab es in der Geschichte so etwas schon einmal, Ausgangssperre und geschlossene Landesgrenzen wegen einer Krankheit, also einer Seuche oder Pandemie?
Bei der Suche nach einem solchen Ereignis ist mir ein Bericht von Matthias Blazek aufgefallen. Er beschreibt ein Ereignis datiert im Jahr 1681 aus dem Amt Meinersen.
(Auszug)

Das Amt Meinersen gehörte seinerzeit zum Herzogtum Celle (welfisches Herzogtum Lüneburg).

Seuchen waren damals schon eine Gefahr für die Menschheit. Ein ausgeprägtes Gesundheitssystem gab es noch nicht. Es wurden auch immer Schuldige gesucht, die für die Seuchen verantwortlich gemacht wurden. Irgendwie kommt zurzeit alles bekannt vor.
Wo die Epidemie oder Pandemie wütete, flüchteten Menschen in Regionen, die noch nicht von der Krankheit befallen waren. Sie hatten Angst vor Ansteckung und vor dem Tod. Doch die Einreise in andere Länder war verboten und wurde sogar mit der Todesstrafe geahndet. An Landesgrenzen wurden Wachen aufgestellt, Stadttore wurden geschlossen und es war bei Strafe verboten „Pestflüchtlinge aus anderen Landen auf den Dörfern zu beherbergen“.

Wie ist es im März 2020 in Deutschland und in Europa:
Einreiseverbote und geschlossenen Landesgrenzen wegen Corona kennen wir nun auch. Aus Urlaubsgebieten wurden die Gäste ausgewiesen. Bei Zuwiderhandlungen sind Strafen fällig. Europa ist wieder in die Zeit der geschlossenen Grenzen gefallen. Das geflügelte Wort heißt: Homeoffice. Selbst private Sozialkontakte wurden eingeschränkt. Mundmasken und Schutzanzüge werden zur Mangelware.

Mundmasken und Stöcke zum Fernhalten von Erkrankten waren schon seit den großen Pestpandemien im Mittelalter bekannt.
Fürstliche Regierung in Celle war 1681 in Sorge vor Einschleppung der Pest.

(Zusammenfassung)
Die Pest war eine Geißel der Menschheit im Mittelalter. In manchen Städten und Dörfern wurden mehr als die Hälfte der Bewohner durch den „schwarzen Tod“ hingerafft. Es gibt Orte, die durch diese Seuche wüst gefallen sind.

Der Anlass für den nachfolgenden Bericht war (veröffentlich von Matthias Blazek):

Im Jahr 1680/1681 „wütete“ die Pest im Kurfürstentum Sachen, insbesondere in Dresden.
In Meinersen wurde 1681 ein Exempel an Pestflüchtlingen statuiert. Andreas Meyer und Thilo Schumacher hatten ihre Heimat wegen der grassierenden Pest verlassen und sich durch das Sächsische in Richtung Celle durchgeschlagen. Die Ankunft und Festsetzung dieser Vagabunden rief die fürstliche Regierung in Celle auf den Plan: Ehe man sie des Landes verwies, wollte man ihnen noch einen gehörigen Schrecken einflößen.

Die Obrigkeit war stets darauf bedacht, die Pestgefahr außer Landes zu halten. Der Ausbruch der Epidemie hat stets eine Dezimierung der Bevölkerung nach sich gezogen, wie die Erfahrungen seit etwa Mitte des 14. Jahrhunderts gezeigt haben.
Andreas Meyer und Thilo Schumacher hatten, aus Sachsen kommend, das Weite gesucht, um der Pest zu entgehen.

Sie gelangten, wie sie später angaben, nach Wanzleben, welches soeben, 1680, zum brandenburg-preußischen Herzogtum Magdeburg zugeschlagen worden war, und arbeiteten als Erntehelfer bei einem Ratsherrn. Über Um- und Nebenwege gelangten die beiden schließlich ins hannöversche/lüneburgische Amt Meinersen, wo sie außerhalb des Ortes Päse festgesetzt wurden, wie es von der fürstlichen Regierung in Celle am 14. August 1681 angeordnet worden war.
Johann Georg Knopff war damals Amtmann zu Meinersen. Er sandte sogleich, am 17. August 1681, seinen Bericht mittels Eilboten nach Celle, von wo aus eine in der Landesgeschichte wohl einmalige Antwort kam.

Mit dem Schreiben der Regierung vom 20. August 1681 setzt der überlieferte Schriftverkehr ein.

Im Bienenzaun festgesetzt:
Andreas Meyer und Tilo Schumacher waren also vor der Pest in ihrer Heimat im Osten geflohen und in die Oker-Gegend im Fürstentum Lüneburg gelangt. Kaum hatten sie leichtfertig von dem Unglück, welches die Pest in ihren Wohnorten angerichtet hatte, erzählt, fielen sie der Polizei in die Hände. Noch am Abend des 14. August 1681 wurden sie festgenommen und außerhalb des Dorfes Päse, wie Niemeyer schreibt, „vermuthlich in einem Bienenzaun sorgfältig aufbewahrt“.
Flucht aus den verseuchten Gebieten war nicht unüblich. Anton Weck (1623-1680), Geheimer Sekretär, Archivar und Chronist, floh während der letzten großen Pestepidemie in Sachsen 1680 mit dem gesamten Geheimen Ratskollegium nach Bautzen.
Dass aber Meyer und Schumacher, deren Herkunft, Stand und Alter aus den unvollständigen Akten nicht ersichtlich ist, einen Fehler begangen hatten, mussten sie wissen. Strohwiepen und Pfähle mit schwarzen Tafeln bezeichneten die Grenzen. Auf den Tafeln stand weithin lesbar: „Diejenigen, welche sich von inficirten oder der Pest halber verdächtigen Orten einschleichen, sollen ohne Gnade am Leben gestrafft und erschossen werden.“

Selbst Briefe, die aus verdächtigen Ländern kamen, wurden an den Grenz-Postämtern einer Räucherung unterzogen. So penibel war man darauf bedacht, die Seuche vom eigenen Territorium fernzuhalten.
Am 20. August 1681 war das dem Landesherrn vorgelegte Todesurteil in Meinersen wieder angelangt, worauf die angeordnete Strafe verzugslos an ihnen zu vollziehen war. Unter jenem Datum reskribierte die fürstliche Regierung in Celle an den Amtmann zu Meinersen:
„Ob nun zwar itzt besagter Leute Verbrechen also beschaffen, daß wenn man der schärffe und denen außgelassenen so vielmahls wiederhohlten Verordnungen nach mit ihnen verfahren wollte, selbige das Leben genugsam verwirkt, So haben dennoch Sermi Unsers gnädigsten Fürsten und Herrn Durchlaucht gnädigst resoviret, daß mehrgedachte beide inhafftirte Kerls zuvörderst zur Ablegung aller ihrer am Leibe habenden Kleider so leinen als wollen und anderer bei sich tragender Sachen, (...) Sie darauf für ein öffentlich zu hegendes Halßgericht gestellet, ihr Verbrechen ihnen nochmals fürgehalten, und wenn sie selbiges allda wiederumb zugestanden, ihnen die größe desselben, in dem sie dem von Ihrer Durchlaucht außgelassenen, ernstlichen Verbott zuwieder aus einem mit der leidigen (Seuche) Pestseuche inficirten und dannenher banisirten Lande in hiesiges Fürstenthumb eingeschlichen und selbiges dadurch in die größte Gefahr gesetzet, repräsentiret, und ihnen, daß sie dieserhalb zur wohlverdienten straffe mittelst Stranges vom Leben zum Tode gebracht werden sollten, angekündiget, dem Scharff Richter, welchen ihr von Giffhorn oder sonst auß der nähe her zu fordern lassen könnet, wie gewöhnlich die execution und Vollstreckung der abgesprochenen Urthel anbefohlen, die Verurtheilte darauff nach dem Galgen hinauß geführet, und biß dahin in der Meinung als ob sie sterben sollten gelassen, alßdan aber wann Sie unterm Galgen kommen, ihnen die anzeige, daß Ihr Durchl. auß besondern gnädigsten Bewegniß ihnen zwar für dieß mahl die woll verdiente Todesstraffe erlassen haben wollte, anstatt deren sie mut ruthen außzustreichen und darauff des Landes zu verweisen gnädigst befehlen.“ Dieses Reskript unterschrieb Georg Christoph von Hammerstein (1624-1687), der Rat, Hofmarschall und Großvogt bei Herzog Georg Wilhelm zu Celle war.

Dass die Strafe, nämlich Strang, begnadigungsweise scharfer Staupenschlag unterm Galgen und Landesverweisung, an den beiden Delinquenten tatsächlich vollzogen wurde, belegen Einträge im Repertorium für die alte Registratur des Amtsgerichts Meinersen.
Meyer und Schumacher wurden also zu einem hoch auflodernden Feuer an die Oker geführt und unterwegs darauf hingewiesen, dass sie sofort mit dem Tode bestraft werden würden. Alles deutete darauf hin, dass sie lebendig verbrannt werden sollten. Zunächst aber wurde nur ihre abgelegte Kleidung mit großen Feuerhaken in das Feuer gezogen. Kaum hatten sie wieder Hoffnung geschöpft, wurden sie in Schlingen, die ihnen um den Leib geworfen wurden, in der Oker herumgezogen. Danach wurden sie zum Feuer gezerrt, um vor dem peinlichen Halsgericht ihr Todesurteil anzuhören.

Totengesang auf dem Weg zur Richtstätte
Dort bejahten sie nochmals, dass sie sich heimlich aus „bannisierten“ (also den unter dem Pestbann stehenden) Landen in das Celler Fürstentum eingeschlichen hatten, worauf der Stab gebrochen und der ihnen vor Augen gestellte Scharfrichter aufgefordert wurde, an ihnen die Strafe des Stranges sogleich zu vollziehen. Unter Berücksichtigung der vielen Förmlichkeiten, welche stets bei der Hegung eines solchen Halsgerichts vor sich gegangen waren, wurden beide arme Sünder unter Begleitung eines großen Trupps von Ausschussknechten rücklings auf den „Schinderkarren“ gesetzt, damit sie die direkt hinter ihnen anfahrenden Wagen des Scharfrichters und der Henkersknechte nicht aus den Augen verlieren würden. Nach langsamer Fahrt über Sandwege gelangten sie unter dem Totengesang der Schuljugend zur Richtstätte, wo sie bereits eine große Menge Zuschauer erwartete.

Gleich bei ihrer Ankunft wurden sie nochmals von des Scharfrichters Knechten so weit wie nötig entkleidet, dann unten an den Galgen geknüpft und nach dem wörtlichen Inhalt des Reskripts mit scharfen Ruten ausgestrichen.

Jetzt erst wurde ihnen eröffnet, dass für dieses Mal noch Gnade statt Recht ergehen und statt der wohlverdienten Todesstrafe nur die Landesverweisung eintreten sollte. Amtmann Niemeyer stellt fest: „Die schrecklichen Folgen der Pest machten strenge Maaßregeln ganz nothwendig; nur findet sich in den höchst unvollständigen Acten nicht, ob das Vaterland oder der letzte Aufenthaltsort jener beiden Leute öffentlich für bannisirt bei Todesstrafe erklärt war, ferner ob Warnungspfähle dieserhalb an der Landesgränze gesetzt, oder ihnen die Gränze oder überhaupt das ganze Verbot und die darin angedroheten Strafen bekannt gewesen waren.“

Niemeyer weiß aber auch zu berichten:
„Der Begnadigungsact befriedigte den größten Theil der versammelten Menschenmenge gar nicht, und auch an der zwar sehr rechtschaffenen Austheilung des Staupbesens hatte man lange noch nicht genug gesehen. Man betrachtete daher diese beiden vom Morgen mit der sofortigen Vollziehung des Todes immerwährend abwechselnd furchtbar geschreckten Unglücklichen für die Urheber der Versäumniß und des vergeblichen Weges, und hielt dieselben für die Freudenstörer des Tages. Nur mit Mühe konnte man sie aus der murrenden Menschenmasse unbeschädigt heraus bringen, und sie dann unter der Escorte von 20 Ausschußknechten auf die Amts Peinesche Gränze liefern.“
So schnell wurde man im 17. zehnten Jahrhundert noch außer Landes gebracht.
Nun hatte der Fürstbischof von Hildesheim das Problem. Wo Meyer und Schumacher geblieben sind, ist nicht mehr überliefert. Welche Strafen ggf. der Bischof von Hildesheim verhängt hat, ist ebenfalls nicht bekannt.

Eskortierte Abschiebungen sind auch heute keine Seltenheit.

Das Amt Peine im heutigen Niedersachsen war ein historisches Verwaltungsgebiet des Fürstbistums Hildesheim

Quellen:
Matthias Blazek in
Abgedruckt bei: Blazek, Matthias: Die Hinrichtungsstätte des Amtes Meinersen, ibidem, Stuttgart 2008, S. 146.
bzw. in www.cellesche -zeitung.de von 09.11.1984 (14.06.2013, 07.08.2018)

Winfried Gehrke 28.03.2020

Bürgerreporter:in:

Winfried Gehrke aus Wennigsen

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