Studie belegt: Reichtum regiert - auch in Deutschland
Paul Schreyer, Journalist und Autor, weist in einem bemerkenswerten Artikel - veröffentlicht am 2. April 2018 bei Telepolis, dem Nachrichtenportal von heise-online - auf eine Studie der Universität Osnabrück aus dem Jahre 2016 hin.
Das Ergebnis der Studie ist hochbrisant, denn sie belegt, dass nicht nur in den USA sondern auch in der Bundesrepublik die „westliche Demokratie“ ziemlich hohl ist. Die Autoren Lea Elsässer, Svenja Hense und Armin Schäfer weisen nach, dass in der Bundesrepublik die politischen Entscheidungen vor allem im Interesse der finanziell gut Situierten gefällt werden. Ich sag mal der Reichen und Superreichen. Dass diese Studie eher verschämt und eher selten in den Medien zitiert wird, ist daher sehr gut nachvollziehbar. Denn: „Wem gehören die meisten Medien?“
Bemerkenswert: Auftraggeber der Studie war nicht etwa attac, der DGB oder DIE LINKE. Nein, die Studie wurde von der Bundesregierungin Auftrag gegeben. Sie ist Teil der Serie „Lebenslagen in Deutschland - Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung“. Das Forschungsprojekt trägt den Titel „Systematisch verzerrte Entscheidungen? Die Responsivität der deutschen Politik von 1998 bis 2015“. „Responsivität“ bedeutet in diesem Zusammenhang „Bereitschaft politischer Amtsträger, auf Interessen der Bürger einzugehen“.
Das Fazit der Studie: Ja, die Bereitschaft politischer Amtsträger auf Interessen der Bürger einzugehen ist groß. Wenn diese Bürger denn Geld haben. Viel Geld. Die Interessen der Mehrheit, der weniger Begüterten, stoßen hingegen bei den Amtsträgern eher auf taube Ohren. Eigentlich nicht überraschend. Aber dann sollte man ehrlicherweise das Wort "Demokratie" nicht mehr auf unsere Gesellschaft anwenden.
Paul Schreyer beginnt seinen Artikel mit diesen Sätzen:
Manche Zusammenhänge sind so simpel und banal, dass sie leicht übersehen werden. Louis Brandeis, einer der einflussreichsten Juristen der USA und von 1916 bis 1939 Richter am Obersten Gerichtshof, formulierte es so: "Wir müssen uns entscheiden: Wir können eine Demokratie haben oder konzentrierten Reichtum in den Händen weniger - aber nicht beides."
Hinter dieser Aussage stehen Erfahrung und Beobachtung, aber auch eine innere Logik: Wenn in einer Gesellschaft die meiste Energie darauf verwandt wird, Geld und Besitztümer anzuhäufen, dann sollte es niemanden überraschen, dass die reichsten Menschen an der Spitze stehen. Was wir als führendes Prinzip akzeptieren, das beschert uns auch entsprechende Führer. Und wo sich Erfolg an der Menge des privaten Vermögens bemisst, da können die Erfolgreichen mit gutem Grund ihren politischen Einfluss für recht und billig halten.
Die Studie beginnt mit diesen Sätzen:
In einer repräsentativen Demokratie soll die Politik bei ihren Entscheidungen die Anliegen und Interessen der Bürger_innen berücksichtigen. Mehr noch, politische Entscheidungen dürfen nicht über einen langen Zeitraum hinweg und in einer großen Anzahl von Themen dem widersprechen, was die Mehrheit der Bevölkerung für richtig hält. Falls sie es doch tun, besteht ein besonderer Begründungsbedarf für die Abgeordneten.
Der Grundsatz politischer Gleichheit verlangt zudem, dass die Interessen aller Bürger_innen berücksichtigt werden und es keine systematische Verzerrung zugunsten einzelner Gruppen gibt. Auch wenn Repräsentant_innen Handlungsspielraum für autonome Entscheidungen brauchen, so sollte ein Zusammenhang zwischen Bevölkerungswillen und politischem Handeln gegeben sein.
…...
Voraussetzung für selektive Responsivität ist, dass es Meinungsunterschiede zwischen sozialen Gruppen gibt. Obwohl es Themen gibt, die nicht besonders umstritten sind, gilt dies nicht für alle –und wo es Meinungsunterschiede gibt, folgen diese einem klaren Muster: Je größer die soziale Distanz zwischen zwei Gruppen, desto unterschiedlicher sind deren Meinungen. Dies gilt sowohl für Einkommens- als auch für Berufsgruppen. Politische Meinungsunterschiede sind zwischen sozioökonomischen Gruppen in der Regel größer als etwa zwischen jüngeren und älteren Befragten, Ost- und Westdeutschen oder Männern und Frauen. Dabei weisen ökonomisch bessergestellte Gruppen sowohl in ökonomischer als auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht liberalere Einstellungen auf.
In diesem Bericht werden erstmals Forschungsergebnisse für Deutschland vorgestellt, die eine ähnliche Schieflage in der politischen Responsivität zulasten der sozial Benachteiligten wie in den USA nachweisen. Für den Zeitraum von 1998 bis 2013 finden wir einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Mehrheitsmeinung höherer Einkommensgruppen und den danach getroffenen politischen Entscheidungen, aber keinen oder sogar einen negativen Zusammenhang für die Armen. Dieses Muster ist besonders deutlich ausgeprägt, wenn sich Befragte mit unterschiedlichem Einkommen in ihren politischen Meinungen unterscheiden. Auch die Präferenzen der Arbeiter_innen werden seltener umgesetzt als etwa die von Beamt_innen oder Selbstständigen.Studie hier lesen oder downloaden
Bürgerreporter:in:Hajo Zeller aus Marburg |
63 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.