Kreistag Marburg-Biedenkopf: Start mit Hindernissen
Holprig verlief der Start in die neue Legislaturperiode im Kreistag Marburg-Biedenkopf. Begleitet von verschärften Sicherheitsmaßnahmen und großem Medienauftrieb - selbst die "Hessenschau" war angereist - zogen die neu gewählten Kreistagsabgeordneten in das Kreishaus ein. Vor der Tür demonstrierten hinter einem Banner mit der Aufschrift „WIR sind Marburg-Biedenkopf! Bunt – sozial – weltoffen“ Menschen aus Flüchtlingsinitiativen im Kreis, Gewerkschaftsvertreter, politisch Engagierte und Geflüchtete, zusammen mit einigen Kreistagsabgeordneten (unter anderem Anna Hofmann und Bernd Hannemann, DIE LINKE) für ein friedliches und solidarisches Miteinander im Landkreis.
Große Koalition schaltet auf stur
Im Sitzungssaal wehte ein Hauch von Anarchie. Die vereinigte Opposition weigerte sich mit einer Art Sitzstreik, das Diktat der Großen Koalition in Verfahrensfragen hinzunehmen. Die Kreistagsabgeordneten von FDP und FWG nahmen stehend an der Sitzung teil. Die Abgeordneten von Grünen, DIE LINKE und der Pirat Frank Lerche platzierten ihre Stühle im Raum zwischen Rednerpult und Abgeordnetenplätzen.
Landrätin Kirsten Fründt, Alterspräsident Manfred Vollmer und der alte und neue Vorsitzende des Kreistages, Detlef Ruffert, schien das nicht zu stören. Sie betrieben „business as usual“ – und ignorierten die Aktion der Opposition weitgehend, die auch nach einer Sitzungsunterbrechung und Einberufung des Ältestenrates andauerte.
Gründe für die Aktionen
Bei der Kommunalwahl im März wurde die AfD drittstärkste Kraft im Landkreis Marburg-Biedenkopf und ist mit 10 Abgeordneten im Kreistag vertreten. Grund genug alle Abgeordneten beim Betreten des Kreishauses daran zu erinnern, wofür eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung steht: „Refugees welcome“ und dass laut Grundgesetz niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.
Die ganz Große Koalition aus SPD und CDU bewies bei den Organisationsfragen im Vorfeld der Kreistagssitzung wenig Fingerspitzengefühl im Umgang mit den kleineren Fraktionen. Dies führte zu einem breiten Bündnis von Oppositionsparteien im Kreistag. Die Grünen, DIE LINKE, FWG, FDP und der Pirat kritisierten die Große Koalition für ihren Kurs, weiter auf ihre Kosten undemokratisch Macht und Posten anzuhäufen. Zudem solidarisierte sich das Bündnis mit der FDP, die bei der konstituierenden Sitzung des Kreistages an den rechten Rand verbannt und stattdessen die AfD in der Mitte des Sitzungsrunds platziert wurde.
In einer gemeinsamen Erklärung des Bündnisses heißt es wörtlich:
Hintergrund ist, dass die durch die Kommunalwahl dezimierte CDU-Fraktion weiter 6 Plätze in der vorderen Reihe behalten und niemand rechts neben sich haben will. Die SPD-Landrätin, die sich auch nach zwei Jahren noch nicht als Landrätin aller begreift, hat daher eine Sitzordnung vorgeschlagen, die ein Affront gegenüber den demokratischen Parteien ist. Gegen die in anderen Parlamenten übliche Sitzordnung mit der AfD rechts, sollen deren Vertreter in die Mitte des Parlamentes bei denen von Grünen, Linken, Freien Wählern und dem Piraten und die der FDP hinter die CDU rechts Platz nehmen. Die fehlende Zustimmung aller Fraktionen, vorgetragene Bedenken und Gegenvorschläge wurden ignoriert.
Mit weiteren für die konstituierende Sitzung eingebracht Anträgen, schwächt die GroKo die Opposition und damit die demokratische Kontrolle des Kreistages und verschafft sich Pöstchen. Auf entsprechend im Vorfeld eingebrachte Kritik ist sie nicht eingegangen und scheint somit keinen Wert auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den demokratischen Parteien zu legen.
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Den Vorsitz des Haupt- und Finanzausschusses der Opposition zu überlassen, wie es in vielen Parlamenten guter demokratischer Brauch ist, kommt aber für sie nicht in Frage. Die GroKo beraubt somit trotz ihrer übergroßen Mehrheit die Opposition um ein wichtiges Element der demokratischen Kontrollfunktion des Kreistages.
Somit zeichnet sich für die Abgeordneten von Grünen, Linken, Freien Wählern, der FDP und dem Piraten ein schlechter Start in die neue Wahlperiode des Kreistages von Marburg-Biedenkopf ab.
Die gefassten Beschlüsse des Kreistages unterstreichen die Befürchtungen. Nach Veröffentlichung der Niederschrift, werde ich sie hier auf myheimat kommentieren.
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Die konstituierende Sitzung des Kreistagssitzung im Spiegel der Medien:
Hinterländer Anzeiger: "Kreistag startet mit Protesten"
Das Marburger: "Skandal im Kreishaus Marburg-Biedenkopf"
Oberhessische Presse: "Demo fürs bunte Miteinander im Kreis"
Oberhessische Presse: "Sitzstreik und Benimm-Regeln vom Kreistagsopa"
Hessenschau: "Streit um Sitzordnung im Kreistag"
Video der Obehessischen Presse: Hier anschauen
Bürgerreporter:in:Hajo Zeller aus Marburg |
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