LEIDENSWEG UND NIEDERGANG DER BRIEFMARKE
London, Vereinigtes Königreich.
Man schrieb das Jahr 1840. Victoria war Königin von Großbritannien und Kaiserin von Indien. Ihr deutscher Mann, Prinz Albert, beauftragte den Finanzbeamten Rowland Hill, einen Weg zu suchen, wie man das Briefporto vom Absender bereits VOR Beförderung der Briefe und Postsendungen kassieren könnte. Ein revolutionärer Gedanke, denn bisher musste der Empfänger bei Zustellung zahlen (was er oft nicht tat). Nun, man könnte ja der Kundschaft kleine Klebezettel verkaufen und diese als Nachweis der im Voraus gezahlten Beförderungsgebühr auf dem Brief anbringen lassen.
Also wurde von einer Medaille das Portrait der 15-jährigen Königin (inzwischen war sie 21) kopiert und in Stahl gestochen. Der Hintergrund wurde zart punktiert und ein eleganter Rahmen mit den Worten POSTAGE und ONE PENNY drum herum gesetzt (Foto 1). Das Herkunftsland wurde nicht erwähnt, denn kein Land auf der Welt benutzte Briefmarken. Bis heute hat sich diese arrogante Ausführung britischer Marken erhalten. Wenn man also eine Briefmarke ohne Landesnamen sieht, kommt sie sicherlich aus GB.
Am 6.Mai 1840 war es dann soweit. Die erste Briefmarke der Welt, die berühmte ONE PENNY BLACK, wurde ausgegeben und der Siegeszug der Briefmarke um die ganze Welt begann.
In Deutschland, das es noch gar nicht gab, erschien die erste Briefmarke am 1. November 1849 in Bayern mit einem Wert von einem Kreuzer (schwarz), der Gebühr für einen Brief im Ort bis zu einem Gewicht von einem Loth (15,6 Gramm). Dies war übrigens eine „Eine-Million-Frage“ bei Günter Jauch (Foto 2).
Die anderen deutschen Kleinstaaten Baden, Bergedorf, Braunschweig, Bremen, Hamburg, Hannover, Helgoland, Lübeck, Mecklenburg-Schwerin-Strelitz, Oldenburg, Preußen (später Norddeutscher Bund), Sachsen, Schleswig-Holstein und Lauenburg, Württemberg folgten mit ihren eigenen Briefmarkenausgaben. Außerdem hatten die Fürsten von Thurn und Taxis Verträge mit vielen anderen Kleinstaaten. Diese Abkommen sicherten dem Unternehmen T&T die Ausübung der Posthoheit in den betreffenden Kleinstaaten zu. T&T musste seine eigenen Briefmarken in zwei Währungen drucken: Thaler für die nördlichen und Gulden für die südlichen deutschen Staaten.
Nach der Gründung des Deutschen Reichs lag die Herstellung und Ausgabe aller Briefmarken ab 1. Januar 1872 in Händen der Deutschen Reichspost. Bis zum Jahre 1921 wurden nur vier verschiedene (Dauer-)Serien gedruckt, wobei die „Germania“-Ausgabe über 21 Jahre lang am Schalter zu haben war (Foto 3 oben, mit Spende für Kriegsbeschädigte).
In der Zeit der Weimarer Republik kam man dann auf die Idee, man könne ja auch die damals sehr zahlreichen Briefmarkensammler mit "Sondermarken" abzocken. Im Jahre 1919 druckte man die erste Sonderserie, bestehend aus vier Werten, anlässlich der Nationalversammlung in Weimar (Foto 3 Mitte). Die Sammler waren hoch erfreut, dass nun andere Motive auf Briefmarken zu sehen waren. Die Nachfrage nach „Sondermarken“ stieg immer mehr, und der Bedarf wurde bereitwillig gedeckt. Die Sammlerszene wuchs. 1925 kam der Staat auf die glorreiche Idee, eine Sonderserie drucken zu lassen, bei deren Kauf man zusätzlich zum Briefporto einen Zuschlag „Nothilfe“ zahlen musste. Dieser Zuschlag wurde von der Reichspost an den Staat abgeführt und verschwand im Irgendwo.
Diese Geldmacherei wurde im 3. Reich (ab 1933) perfektioniert, sodass die Sammler sogar ihren (un-?)gewollten Obolus für das „Winterhilfswerk“, die Rüstung, die Hitlerjugend usw. entrichteten. In den zwölf Jahren des "1000-jährigen Reiches" gab es keine einzige Briefmarkenausgabe, die nicht eine propagandistische Botschaft der Nazis trug.
Trotz des politischen Missbrauchs und der kommerzialisierten Entwicklung der Briefmarke in aller Welt, waren die kleinen bunten Bildchen bis in die Fünfziger Jahre interessante Sammlerobjekte, weshalb die Sammlerszene blühte. Seitdem werden Marken in immer größeren Auflagen gedruckt. So genannte „Sammlerdienste“ liefern bereitwillig Ersttagsblätter, Blockausgaben, „Numis-Blätter“ (in Kombination mit Münzen) und weiteren "Ramsch-en-Gros" in hohen Auflagen. Diese Massenprodukte werden nicht für die ganz normale "Bedarfspost" hergestellt, sondern dienen nur ihrem Selbstzweck, so wie die Zigaretten- oder Margarinebildchen mit ihren Sammelalben. Sie haben nichts mehr mit Philatelie zu tun und zerstören die Sammlerszene und Briefmarkenvereine. Für manche Inselstaaten (oder gar Fantasiestaaten, die es nur auf Briefmarken gibt) wurden die gezackten (oder sogar geschnittenen) Sammlerbildchen zu einer riesigen Devisen-Einnahmequelle. Zum Schaden der Sammler und ihres Geldbeutels, denn es handelt sich bei diesen Ausgaben um reine Makulatur. Wer gar ein vorgedrucktes "Briefmarkenalbum" besitzt kann sicher sein, dass das Album mehr wert ist, als dessen Inhalt.
Da kann ich als "Lebenslanger" nur empfehlen: „Zurück ins späte 19. oder frühe 20. Jahrhundert!“ da gab es tatsächlich noch Briefmarken für die alltägliche Bedarfspost.
"Ein Hoch auf Prinz Albert!"
Bürgerreporter:in:Hans-Rudolf König aus Marburg |
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