Im "Schneewittchensarg" durch Marburgs Oberstadt
Während meines Grundwehrdienstes 1963 in der Tannenbergkaserne wurde ich von einem Stubenkameraden eingeladen, mit einem wegen seiner Ausstattung außergewöhnlichen Kult-Automobil eine Fahrt durch die damals noch für den Autoverkehr freigegebene Oberstadt Marburgs zu machen.
Sehr eigenwillig, fast skurril, wirkte für mich der Messerschmidt Kabinenroller mit seinen zwei Rädern vorne und einem Rad hinten. Die längliche Form mit dem durchsichtigen Plexiglasdach bescherte dem dreirädrigen Fahrzeug den sehr treffenden Spitznamen "Schneewittchensarg". Der Einstieg auf den engen hinteren Platz war schon etwas beschwerlich, bevor unsere Stadtrundfahrt startete. Bald schon merkte ich, dass der scheppernde Klang des Zweitakters mit seinen 200 ccm und den etwa 10 PS die Bewunderung und das Interesse bei den Passanten weckte. Zum Highlight wurde die Fahrt über das grobe Straßenpflaster des Steinwegs durch die Wettergasse zum Marktbrunnen. Wir fühlten uns wie die "Stars der Oberstadt". Durch das ständige Gehoppse stieß ich mit dem Kopf immer wieder an das Glasdach, das dabei keine Schädigungen erhielt.
Nachdem das seitlich abgeneigte Dach den Ausstieg freigab, quälte ich mich aus dem Fahrzeug. Mühevoll schoben wir den Wagen rückwärts neben den Marktbrunnen. Man muss wissen, einen Rückwärtsgang gab es nicht. Inzwischen sammelten sich zahlreiche meist weibliche "Fans", die sich nicht so sehr für unsere schicken Sanitätsuniformen interessierten. Kichernd beobachteten und bewunderten sie unsere Aktionen und besonders das seltsame Auto. Wir waren schon recht stolz!
Etwas Scham kam dennoch auf, als ein Bekannter aus unserem Dorf meinen mühevollen Einstieg in den Glassarg sah und noch viele Jahre über diese Attraktion lästerte.
Heute denke ich oft an den"Scheewittchensarg" zurück, der zudem billig in der Anschaffung, sparsam im Spritverbrauch und parkfreundlich war. Ein Thema, das heute wichtiger denn je ist!
Bürgerreporter:in:Peter Gnau aus Kirchhain |
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