OSTWÄRTS UM DIE GANZE WELT: TEIL 7 - PAGO PAGO
Morgens um sieben nähern wir uns dem einzigen US-amerikanischen Territorium südlich des Äquators. Dieser Teil Samoas wurde am 20. Februar 1929 zu einem abhängigen Gebiet der USA (nicht zu verwechseln mit dem unabhängigen Staat Samoa, den wir gestern besuchten). Der Himmel weint, als unser Schiff langsam in den großen Fjord, einer versunkenen Vulkan-Caldera, der Inselhauptstadt Pago Pago gleitet und am Kai von Siufaga festmacht.
Wir erinnern uns. Gestern wurden wir auf Upolu (Samoa) mit Gesängen und Tänzen einer Folklore-Gruppe und der Miss Samoa bereits im Hafen herzlich begrüßt. Heute hat das Schiff kaum fest gemacht, da stürzen fette amerikanische Inspektoren an Bord, um sich zu überzeugen, dass wir Europäer uns den US-amerikanischen Hygienestandards anpassen, obwohl wir nur einen halben Tag bleiben werden. Das täglich frische Salzwasser des Pools muss entfernt und der Pool mit Sicherheitsnetzen abgedeckt werden. Das Frühstücksbüffet ist geschlossen, da es nicht amerikanischen Hygiene-Vorschriften entspricht. Also wird das Frühstück umständlich aus der Küche serviert. Selbst die Pfeffermühle muss versteckt werden, damit die US-Schikanen nicht greifen können. Verständnisloses Kopfschütteln allenthalben unter der Mannschaft und den Passagieren. Bevor wir überhaupt an Land gehen, haben wir eigentlich schon „die Schnauze voll“ von den USA (nicht das letzte Mal auf dieser Reise). Die „Amis“ wollen uns gesunde Ernährung lehren, dabei war Amerikanisch-Samoa im Jahr 2009 weltweit das Land mit dem größten Anteil Übergewichtiger an der Gesamtbevölkerung.
Vom zweiten Weltkrieg bis heute ist Pago Pago ein wichtiger Stützpunkt für die amerikanische Kriegsflotte. Die samoanische Wirtschaft ist stark von den USA abhängig, die zugleich wichtigster Handelspartner ist. Hauptwirtschaftszweig ist der Thunfischfang und dessen Verarbeitung. Faktisch sind diese Inseln bis heute eine amerikanische Kolonie. Doch wen interessiert das schon? Da schimpft man doch lieber auf die Deutschen, die Anfang des 20. Jahrhunderts für ganze 14 Jahre eine Kolonie in West-Samoa hatten und dort noch heute so beliebt sind, dass man sie mit Musik und Tanz begrüßt.
Nachdem der morgendlichen Regenguss geendet hat, mieten wir zu viert ein Taxi und fahren am Mt. Pioa (Rainmaker) vorbei durch das Dorf Aua bis zum malerischen Ort Vatia in der gleichnamigen Bucht des Nationalparks. Dichter Regenwald umgibt uns und Aussichtspunkte geben den Blick auf eine wildromantische Küste frei: „Käp’ten Flint, wo steckst Du?“ Am Ende der Piste kommen wir an eine verlassene Bucht mit einem vorgelagerten Felsen, der uns stark an Capri erinnert.
Zurück in der Hauptstadt Pago Pago kommen wir an der Thunfischfabrik vorbei, deren Gestank bestimmt nicht strikte US-amerikanischen Hygieneauflagen dokumentiert. Das liebevoll gestaltete J.P. Haydon Museum stimmt uns wieder versöhnlich. Es zeigt sehr viel originale Gebrauchs- und Kultgegenstände aus der Vergangenheit Samoas. Direkt vor dem Museum hat man ein „Fale Tele“ (offenes Samoa-Haus) errichtet. Dort kann man den Frauen bei ihren Flechtarbeiten aus Palm-, Schilf- und Bananenfasern zuschauen. Hinter dem Museum steht das Parlamentsgebäude (Maota Fono), das viele traditionelle Elemente der „fale“-Häuser mit moderner Architektur verbindet. In einem Schuppen entdecken wir ein dort geparktes, eindrucksvolles, polynesisches „Drachenboot“ (Piroge) für mindestens 30 Paddler plus Steuermann. Auf dem angegliederten Souvenirmarkt singen die Marktfrauen für uns spontan ein altes Samoanisches Volkslied (ohne amerikanischen Akzent) – eben Fa’a Samoa – wir freuen und erinnern uns wehmütig an das freie West-Samoa, das wir gestern erlebten.
Am frühen Nachmittag legt unser Schiff ab: Kurs Ost. Zwei Seetage und Nächte liegen vor uns. Bis zu unserer geplanten Ankunft in Französisch Polynesien wird sich die ganze Welt schrecklich verändert haben.
Bürgerreporter:in:Hans-Rudolf König aus Marburg |
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