Noch ein Wort zum APS-Kongress
Ein Thema hat Marburg in den vergangenen Wochen beherrscht: der sogenannte Homo-Heiler-Kongress. Sachlich diskutiert wurde wenig und die lokalen Medien trugen leider nur wenig zur Klärung der Situation bei. Christliche Organisationen fühlten sich bedrängt und unter Generalverdacht gestellt. Homosexuelle fühlten sich diffamiert und waren entsetzt über die mangelnde Sensibilität ihrer Mitmenschen.
Um die allgemeine Verwirrtheit aufzuklären, hier erstmal die Fakten: Vom 20. bis 24. Mai fand in Marburg ein Kongress, "6. Internationaler Kongress für Psychotherapie und Seelsorge", statt. Organisiert wurde dieser Kongress von der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge, ein Verein, der laut eigener Aussage die Verbindung von Psychotherapie und christliche Seelsorge fördern möchte. Auf dem Kongress sprachen unter anderem Markus Hoffmann vom Verein "Wüstenstrom" und und Christl Ruth Vonholdt vom Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft (DIJG) - beides Vereine, die Homosexuellen laut eigener Aussage dabei helfen, ihre "homosexuellen Neigungen" zu bekämpfen, bzw zu "verlernen". Solche Angebote bezeichnet man im Volksmund als Homo-Heilung und die sind laut aktueller Lehrmeinung mit Vorsicht zu genießen
Für die Allgemeine und Integrative Psychotherapie ist Homosexualität bereits seit den 70er Jahren keine Diagnose mehr.
Entsprechend stellt der Berufsverband Deutscher Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie (BVDP) fest: Homosexualität ist keine Krankheit, sondern eine häufige Form menschlichen Zusammenlebens und bedarf keiner Therapie. Psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungsansätze gelten nicht der Homosexualität als solcher, sondern den Konflikten, die mit der Homosexualität in Verbindung mit religiösen, gesellschaftlichen oder verinnerlichten Normen entstehen. Therapeutische Ziele sind in erster Linie die Prävention psychischer Folgeerkrankungen wie Depressivität und Suicidalität sowie die Stabilisierung des Selbstbildes. Dabei werden die individuellen Lebensumstände und Bedürfnisse des Betroffenen und seiner Familie berücksichtigt. (siehe hierzu die Stellungnahme der Marburger Psychotherapeuten http://www.op-marburg.de/newsroom/lokal/dezentral/...).
Der Versuch, Homosexuelle zu "heilen", ist allerdings nicht nur diskriminierend, sondern kann für die "Patienten" ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. So berichtet nicht nur der Lesben und Schwulen Verband Deutschland (LSVD) von Fällen, in denen Menschen nach langer und erfolgloser "Therapie" völlig verzweifelt und sogar selbstmordgefährdet waren. Im Südwestrundfunk war am 15. Mai 2008 ein entsprechender Beitrag zu sehen ("Landesschau BW" / Beitragstitel "Schwulenheilung - Wüstenstrom"). Auch die Bundesregierung hat 2008 festgestellt: "Die vor allem in den sechziger und siebziger Jahren häufig angebotenen so genannten 'Konversions'- oder 'Reparations'-Therapien, die auf eine Änderung von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten oder der homosexuellen Orientierung abzielten, werden heute in der Fachwelt weitestgehend abgelehnt. Dies gründet sich auf die Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen, nach denen bei der Mehrzahl der so therapierten Personen negative und schädliche Effekte (z. B. Ängste, soziale Isolation, Depressionen bis hin zu Suizidalität) auftraten und die versprochenen Aussichten auf 'Heilung' enttäuscht wurden."
Im Bericht des SWR ist zudem die Rede davon, dass der Betroffene mehrere tausend Euro an Wüstenstrom zahlen musste - für seine "Therapie"...
Im Vorfeld des Kongresses musste - wie so oft - die Meinungsfreiheit herhalten, um so manches zu rechtfertigen. Kongressveranstalter, Stadt und Universitätsleitung beriefen sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung und sahen sich nicht in der Lage, die umstrittenen Referenten, beziehungsweise den gesamten Kongress, auszuladen. Meinungsfreiheit ist ein wertvolles Gut - aber auch sie hat Grenzen. Jede Freiheit endet da, wo sie die Freiheit anderer beschneidet. Bestimmte "Meinungen" - zum Beispiel die von Holocaust-Leugnern oder Rassisten - erfüllen sogar Straftatbestände. Wenn man Homosexuelle diffamiert und sie als krank bezeichnet, ist das offensichtlich nicht so - hier gilt die gute alte Meinungsfreiheit.
Es ist natürlich Unfug alle Christen oder Religionen im Allgemeinen zu verurteilen, nur weil es immer noch Menschen gibt, die im Namen des Glaubens alles Mögliche anstellen. Gleichzeitig kann es aber auch nicht sein, dass einer ganzen Bewegung - in diesem Fall der Bewegung derer, die gegen die Teilnahme von Hoffmann und Vonholdt bei dem Kongress demonstrierten - die Legitimation abgesprochen wird, nur weil sich innerhalb ihrer Reihen auch einige Radikale tummeln.
Eine Abgrenzung des Kongresses von Menschen wie Frau Vonholdt oder Herrn Hoffmann hätte genügt, um die von den Kongressveranstaltern immer wieder beteuerte Toleranz gegenüber Homosexuellen zu bestätigen. Wer aber Leuten ein Forum bietet, die sich unter dem Deckmantel der Religion offen zu ihrer Homophobie bekennen darf sich über massive Gegenwehr der Betroffenen nicht wundern.
Interessante Links zu dem Thema:
Bürgerreporter:in:Tabea Naumann aus Marburg |
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