Momentaufnahmen: Wien Tag 3 - <i>Allgegenwärtigkeit der imperialistischen Vergangenheit</i> – Sportlich in der Hofreitschule – Belvedere – Verschollen im Bermudadreieck

Loge in der "Spanischen Hofreitschule"
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Zu unserem heutigen ersten Ziel, der „Spanischen Hofreitschule“ mit Wiens berühmten Lipizzanern, sind wir früh unterwegs. Vorausschauend haben wir die erforderlichen Karten bereits tags zuvor gekauft, so dass sich das zunächst verhaltene, aber dann doch geballt vorschiebende Gedrängel an der Kasse für uns erübrigt. Kurz vor 10 h öffnen sich die Pforten und der „Run“ auf die besten Plätze beginnt. Wir halten uns intuitiv links und landen auf der ersten Empore, so dass wir die Schönheit des barocken Ambientes des „Reitsaals“ in vollen Zügen genießen können. Kaiser Karl VI. ließ die sogenannte „Winterreitschule“ für Reit- und Geschicklichkeitswettkämpfe des Adels durch den berühmten Barockarchitekten Joseph Emanuel Fischer von Erlach von 1729 bis 1736 errichten.

Während wir auf den Beginn der „Morgenarbeit“ warten, schweifen die Gedanken schon wieder in vergangene Zeiten ab. Der ein oder andere Besucher hat sich in die ebenerdige Loge vor Kopf verirrt, die seinerzeit wahrscheinlich nur der Kaiserfamilie vorbehalten war. Fast kehrt Ruhe ein und gespanntes Warten, der jetzt voll besetzten Plätze, macht sich breit. Beschwingte Musik durchflutet den Raum und stolz halten vier Bereiter mit ihren Lipizzanern zum täglichen Training in die Reithalle Einzug. Weltweit einzig, pflegt die Spanische Hofreitschule in Wien die klassische Reitkunst der „Hohen Schule“ unverändert wie zu Renaissancezeiten (15./16. Jh.). Dazu gehört wohl auch, dass Frauen hier keinen Platz haben. Nicht nur menschlich als Bereiter gesehen, sondern auch die Pferde sind allesamt Hengste. Na ja!

Die Erwartungen von der Morgenarbeit gehen mit Sicherheit auseinander. Um Enttäuschungen vorzubeugen, sollte man sich vor Augen halten, dass es sich lediglich um ein Training und keine Vorführung handelt. Jeder Bereiter hat mit seinem Pferd eigene Zielsetzungen, so dass der Besucher vielerlei kleine Bewegungsabläufe zu sehen bekommt. Um einen Sprung oder sogar eine Kapriole (Steigen des Lipizzaners) bei der Morgenarbeit zu erleben, muss man auf jeden Fall Glück haben. Nach einer guten halben Stunde wechseln die Bereiter die Pferde.

Ich war etwas erstaunt, als plötzlich ein grauer Lipizzaner (?) mit seinem Bereiter auf dem Rücken, etwas zickig in die Halle reinstolziert. Da kommen die Erklärungen aus dem Lautsprecher gerade recht. Die aus er Kreuzung von „Berbern“ und „Arabern“ entstammen Pferde, sind als Fohlen braun bis mausgrau. Nach vier bis zehn Jahren färbt sich ihr Fell erst weiß. Wieder etwas dazu gelernt! Der „graue Sonderling“ gefällt mir und weiß nicht nur durch Äußerlichkeiten aufzufallen, sondern hinterlässt in einem gekonnten Ausfallschritt mit beiden Hinterhufen einen bleibenden Eindruck in der Seitenwand. Eine Kapriole der anderen Art. ;-) Mit diesem „Highlight“ verlassen wir vorzeitig die etwa zweistündige dauernde Veranstaltung.

Sozusagen von hinten kommend, wandeln wir von den Stallungen äußerlich durch das riesige Imperium der Habsburger, dass auf eine immerhin 600 jährige Geschichte zurückblickt. Auch heute ist die Hofburg noch der Amtsitz des österreichischen Staatsoberhauptes. Wie zu Zeiten von Maria Theresia repräsentiert der amtierende Bundespräsident in denselben prunkvollen Räumen. Die Hofburg ist in ihrer Größe von ungefähr 240.000 qm eine Komplexheit sondergleichen. Mitten in der Stadt gelegen, sind wir in den letzten Tagen bereits vielfach daran vorbeigekommen, immer an einer anderen Stelle. Für einen intensiven Besuch mit Silber – und Schatzkammer, Kaiserappartement und Nationalbibliothek reicht die Zeit leider nicht. Auf jeden Fall ein Grund wiederzukommen, denn die Liste der Ausstellungen ist lang und attraktiv.

Unser nächstes Ziel liegt mit der „Albertina“ ganz in der Nähe, die Südspitze der Hofburg. Das Kunstmuseum von Weltrang liegt in dem ehemals größten Wohnpalais der Habsburger. Hier findet man nicht nur die bedeutendste und umfangreichste grafische Sammlung der letzten 130 Jahre, sondern wandelt auch auf imperialistischen Pfaden durch die originalgetreu renovierten und möblierten Prunkräume. Das i-Tüpfelchen dürfte die nach zwanzig Jahren erstmalig laufende große Ausstellung von Michelangelo sein. Die Vorfreude ist groß, doch schon beim Hochfahren der Rolltreppe unter dem künstlerisch von Hans Hollein eigenwillig gestaltetem Dach wird klar, dass die Idee eines Besuchs in der Albertina viele andere ebenfalls haben. Die Schlange an der Kasse ist unendlich lang, so dass man mindestens eine Stunde Wartezeit einrechnen müsste. Enttäuschung macht sich breit, es ist unglaublich ärgerlich, aber letztlich nicht zu ändern! Schweren Herzens entschließen wir uns für das Alternativprogramm, um die verbleibende Zeit in Wien sinnvoll zu nutzen.

Nahe unserem Hotel befindet sich das Schloss Belvedere, dass wir auf dem Rückweg aus der Innenstadt kurzerhand in unser Besichtigungsprogramm mit einschließen. Auch wenn im Winter die Wasserbecken der Terrassenkaskaden nicht gefüllt sind, braucht es nur ein bisschen Phantasie um nachzuvollziehen, wie schön es hier tatsächlich im Sommer sein muss. Anfang des 17. Jahrhunderts ließ sich der erfolgreiche Feldherr und Kunstliebhaber Prinz Eugen von Savoyen dieses barocke Gesamtkunstwerk durch Lukas von Hildebrandt als Sommerresidenz am „Rennweg“ errichten. Insgesamt zehn Jahre Bauzeit brauchte Hildebrandt für sein Hauptwerk, das stark an Versailles in Frankreich erinnert. Belvedere besteht aus zwei Schlössern, wobei bereits im Jahr 1716 das „Untere Belvedere“, das als Wohnschloss genutzt wurde, fertig gestellt worden war. Acht Jahre später folgte die Fertigstellung des „Oberen Belvedere“, das Repräsentationsschloss auf der Anhöhe.

Nun kommen die im Reisepaket enthaltenen Eintrittskarten für das Schloss Belvedere doch noch zum Einsatz, und ein bisschen Kunstgenuss nehmen wir obendrein mit nach Hause. So freut es dann doch, im Oberen Belvedere einige Blicke auf die weltgrößte Sammlung legendärer Gemälde von Klimt („Der Kuss“ oder „Judith“) um 1900 erhaschen zu dürfen, sowie Arbeiten von Anton Schiele und Kokoschka. Insgesamt finden sich hier 500 Jahre Kunstgeschichte in den verschiedenen Werken bekannter und weniger bekannter Künstler wieder, die mich mehr oder weniger beeindrucken. Letztendlich ist alles Geschmackssache! ;-)

Schon wieder bricht die Abenddämmerung leicht herein und der Blick aus einem Fenster des geschichtsträchtigen prächtigen Marmorsaals des Oberen Belvedere, wo 1955 der österreichische Staatsvertrag unterschrieben wurde, ist einfach wunderbar. Vom Oberen Belvedere gehen wir durch die abfallende weitläufige Gartenanlage und genießen „belvédère“, die schöne Aussicht über Wien. Besonders gefällt mir die symmetrische Gestaltung des axial angelegten Gartens jenseits der Wege. Ich frage mich, wie lange ein Gärtner für die Gleichstellung des grünen Rahmens von Rechts und Links braucht!? Wahrscheinlich ist es eine Lebens(ein)anstellung, um dem ursprünglichen Konzept des Architekten Hildebrand, das mit Hilfe des französischen Gartenbaumeisters Dominique Girard in die Tat umgesetzt worden ist, gerecht zu werden. Auch die Räumlichkeiten des Unteren Belvedere haben dem Betrachter einiges zu bieten. Vom Marmorsaal bis hin zum Goldkabinett, wo einem die Augen bei soviel „Gelb“-Gold zu Tränen beginnen, beeindrucken nachhaltig. Es hat sich mal wieder gezeigt, unverhofft kommt oft! Man sollte auf jeden Fall ein bisschen mehr Zeit mitbringen, um möglichst viele Eindrücke einzufangen.

Nach soviel geballter Ladung kunsthistorischer Superlativen, beschließen wir den Tag kulinarisch mit schmackhafter Wiener Küche und einem 1/8 Veltliner.
Uns zieht es ins „Bermudadreieck“, das Nachtviertel, bzw. ein Nachtviertel von Wien. Weitläufig erstreckt sich das Gebiet zwischen Stephansdom und Donaukanal, im Umkreis der Schönlaterngasse und Bäckerstraße, Nahe der St. Ruprechtskirche. In den kleinen Gassen reihen sich verschiedene Lokalitäten wie an einer Perlenkette auf. Wenn sich im Sommer alles Draußen abspielt, muss die Atmosphäre unschlagbar gemütlich sein. Aber auch jetzt im Winter versprüht das Viertel seinen Charme. Wir kehren ins „Bermudabräu“ ein, wo man im Restaurant des 1. Stocks gutbürgerlich essen kann. Eine gute Wahl wie sich herausstellt, durchaus empfehlenswert. Hier fühlt man sich beim geselligen Beisammensein heimisch. Neben dem brechend gefühlten Pub im Erdgeschoß, bietet das Bermudabräu im Keller noch die Möglichkeit einer Schnapsbar. Bei soviel flüssigen Möglichkeiten ist der Mythos „Bermudadreieck“ nachzuvollziehen. Ranken sich doch um das Viertel viele verrückte Geschichten, die hier passieren und passiert sein sollen.

Wir sind zumindest eine kleine Weile ins Bermudadreieck eingetaucht und ohne verschollen gegangen zu sein, wieder aufgetaucht!

Bürgerreporter:in:

Ines Peters-Försterling aus Marburg

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