Die Weihnachtsfeier / Kurzgeschichte
Die gestrige Weihnachtsfeier war, wie es schien, gelungen. Ich erwache nicht nur mit einer Alkohol-, sondern auch einer gediegenen Knoblauchfahne. Kein Wunder: Wir feierten bei dem Griechen, zu dem fast die ganze Belegschaft zum Mittagessen geht. Der macht ordentlich Knoblauch ans Zaziki. Und das ich das genossen habe, steht wohl außer Frage. Die durchgereifte Geruchsmischung hängt wie eine Wolkenwand vor mir. Wie ich mich dunkel erinnere, habe ich tatsächlich auch von dem Rumpunsch genascht, den Fräulein Menzel mitgebracht hat. Warum sie immer noch mit Fräulein angeredet wird, ist mir nicht bekannt. Die Gründe müssen vor meiner Zeit im Betrieb liegen. Manche nennen sie auch hinter ihrem Rücken „Der Feger“. Das sind natürlich Eingeweihte. Ich würde sie heute eher als „Alter Besen“ bezeichnen, denn ihre Haare stehen wie die Borsten eines solchen vom Kopf ab und nicht nur ihr Kopfbewuchs ist nicht mehr ganz in Form.
Aber was lästere ich überhaupt über Fräulein Menzel ab. Ich bin ja auch schon länger nicht mehr ganz taufrisch. Mein Rücken schmerzt. Das tut er schon seit Monaten jeden Morgen. Ich drehe mich aus der Rückenlage auf die Seite. Sofort schießt mir die Magensäure brennend in den Mund. Ich schlucke die ganze Chose wieder hinunter. Trotz dieser Radikalkur beruhigt sich mein Magen wieder.
Eigentlich könnte ich ja versuchen, noch eine Runde zu schlafen. Das würde auch meinem brummendem Schädel bestimmt gut tun.
Doch da höre ich neben mir einige kurze Grunzlaute. Mein Herz rutscht in die nicht vorhandene Hose. Ich bin Junggeselle müssen Sie wissen und schlafe alleine. In der Regel, meine ich. Ich drehe mich schnell herum und richte meinen Oberkörper auf. Ein großer dunkelrot geschminkter Mund strahlt mich an. Erst denke ich, er wolle mich auffressen.
„Hallo Hubert“, sagte sie. Es ist … Fräulein Menzel.
Mit einem Riesensprung bin ich aus dem Bett heraus, schaue nach links und rechts und stürze dann doch geradeaus in die Küche zum Eisschrank hin. Ich reiße Tür und Eisfachklappe auf, hole die Gelkissen aus dem Gefrierfach, gehe zurück ins Bett zu Fräulein Menzel. Hier lege ich mir eines der gefrorenen Kissen auf die Stirn – gleich ist mir besser – Fräulein Menzels Blick lässt mich ihr das andere anbieten. Sie nimmt es an, ihr ging es wohl ähnlich wie mir, und schaut mir dankend in die Augen. Ihre schließt sie.
So übel ist die gar nicht, denke ich und mache ebenfalls meine Gucker zu. Nach kurzer Zeit höre ich leises Schnarchen neben mir. Ich entspanne mich … auch mir wird ein wenig Schlaf gut tun.
© R. Güllich
Bürgerreporter:in:Rainer Güllich aus Marburg |
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