COSTA FORTUNA: PIZZA, PASTA UND TARANTELLA (BIS ZUM ABWINKEN) KREUZFAHRT, TEIL 1

12 Stockwerke hoch (über der Wasserlinie)
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Teneriffa. Eigentlich wollten wir diese Kreuzfahrt ab Venedig durch Adria und Ägäis auf dem Schiff einer anderen Reederei machen, doch spanische Freunde, die uns begleiten wollten, machten die „Costa Fortuna“ zur Bedingung. Also, was soll’s; wenn’s der Völkerverständigung dient – eine Woche an Bord eines „Ballermann-Schiffes“ mit 3.400 Passagieren und über 1000 Köpfe Besatzung würden wir schon überleben. Wir haben tatsächlich überlebt – aber wie!?

Als Schiff kann man dieses Hotel kaum noch bezeichnen – eher als schwimmende Kleinstadt, die auch bei Windstärke sieben noch nicht schwankt und unbeirrt und fast geräuschlos durch die Dünung stampft. Das Interieur der großen Kiste ist kaum von den Geschmacklosigkeiten seiner amerikanischen Konkurrenz zu unterscheiden. Überall gilt: Masse statt Klasse und Klotzen zwecks Protzen.

Das Positive gleich vorweg: die Balkonkabine war ihr Geld wert: schlicht aber geschmackvoll funktionell eingerichtet, gut gegen Nachbargeräusche gedämmt. Ausnahme Kabinentür, die Geräusche vom Flur herein ließ. Sowohl unsere als auch alle anderen Balkontüren waren nicht leise schließbar. Die Klimaanlage einwandfrei. Der Service des philippinischen Stewards Ronald hervorragend, sauber und freundlich. Die Abend-Dinner waren abwechslungsreich und schmackhaft, wenn auch etwas Pasta-lastig. Die angesteuerten Reiseziele waren interessant und einen Besuch wert (es folgen dazu einige Berichte). Das Unterhaltungsprogramm war weit gefächert und professionell angelegt, wenn auch etwas Tarantella-lastig.

Die 3.400 Passagiere waren zu circa 50% Italiener, 10% Deutsche (A & CH), 10% Spanier, 15% Franzosen und 10% Japaner, wenige Engländer und Amerikaner. Entsprechend südländisch-laut ging es überall in den öffentlichen Räumen zu. Hinzu kamen ständig fünfsprachige Verkaufsangebote über die Bordlautsprecher plus lauter Country-Musik zum Mittagessen im Selbstbedienungsrestaurant. Dort glänzten das Plastikgeschirr und jede Menge kalte Pasta. Ständig hatte man kleine, sich rücksichtslos vordrängelnde Japaner zwischen den Beinen und die Sitzplatzsuche fiel meist negativ aus, weil ganze italienische Familienclans die Tische beherrschten, um dort lautstark Neuigkeiten aus dem Apennin auszutauschen. Ruhe fanden wir deshalb nur auf unserem glücklicherweise vorhandenen Balkon.

Es gab zwei so genannte „Gala-Dinners“ mit Bekleidungsvorschlag „elegant“. Genau an dieser Stelle kommt für uns auf jedem Schiff der Punkt, der über „hit“ oder „flop“ entscheidet. Da sitzen wir im Smoking und Abendkleid bei einer möglichst guten Flasche an unserem Tisch im Restaurant und sind plötzlich umgeben von Kaufhaus Sonderangeboten aus den Kategorien karierte Hemden, Windjacken, Rollkragenpullover, Krabbeltischblusen und Pollunder. Da kommt dann die Frage auf, ob wir Geltungsbedürfnis haben oder die anderen Gäste nur zu faul sind, schwere Koffer an Bord zu schleppen. Oder sind es vielleicht doch viel banalere Gründe?

Das Personal an Bord kommt ausschließlich aus der „Dritten Welt“ und muss bei einem elfmonatigen Arbeitsvertrag täglich bis zu 14 Stunden (und mehr) arbeiten. Sieben Tage in der Woche. Jeder Passagier – und sei er noch so unbedarft - darf ein Mitglied der Mannschaft das Prädikat: „bravissimo“ schriftlich verleihen. Dadurch entsteht ein Lächeldruck für alle Bediensteten, denn schließlich möchte jeder die kleine Almosenprämie kassieren. Entsprechend freundlich waren alle Bediensteten, doch leider ließ deren Schulung viel zu wünschen übrig. Da gab es einen Pakistani, der mir bei jeder unpassenden Gelegenheit während des Dinners so stark die Schulter klopfte, dass das Essen von der Gabel fiel, nur weil ich freundlich zu ihm war. Eine Getränkekellnerin aus Perú, die nicht zwischen Wasserglas und Rotweinglas unterscheiden konnte und fast regelmäßig vergaß, das stets im Voraus bestellte Wasser für fünf Personen zu bringen. Ein so genannter Maitre, der für uns den falschen Tisch buchte, wäre besser auf der Bühne als Alleinunterhalter aufgetreten. Doch das strahlende Lächeln für „bravissimo“ machte Alles wieder gut – oder doch nicht?

Bleibt zu erwähnen, dass die Reederei nur unser Bestes wollte, nämlich Geld, Geld, Geld. Total überteuerte Exkursionen (die erfahrene Kreuzfahrer sowieso nicht buchen), horrende Preise für Wasser, Drinks und mittelmäßige Weine müssen wohl die unter starkem Konkurrenzdruck stehenden Reisepreise aufwerten. Als Beleidigung empfanden wir die Vorschrift, dass während des abendlichen Dinners alle am Tisch bestellten Getränke im Voraus bezahlt, will heißen quittiert werden müssen. Das ist besonders lästig bei Nachbestellungen. Da fragt man sich automatisch: ist denn die Kundschaft wirklich derart schlecht, dass man so rigoros kassieren muss? Oder sind wir in einem englischen Pub gelandet?

Kleines Schmankerl zum Abschied: hat der Deutsche tief ins Glas geschaut und ist aus tiefstem Herzen fröhlich, entspringt seiner Sangesbrust die Hymne vom wunderschönen Tag.
Viel lautstärker treten da ganze italienische Familienverbände gegen Ende des Dinners auf ihre imaginäre Bühne, um „Volare“, „O Sole Mio“ und „That’s amore“ zu intonieren. Enden tut dieses kulturelle Ereignis in einer feurigen Tarantella, zu der man zwischen den Tischen des Restaurants heftig die weißen Servietten (oder sind es die H1N1 Taschentücher) durch die Luft wirbelt. Arrivederci Costa!

Bürgerreporter:in:

Hans-Rudolf König aus Marburg

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