EIN JAHR SCHUTT UND ASCHE AUF TENERIFFA
In den wenigen Wochen, die ich jetzt bei „myheimat“ aktiv bin, habe ich immer wieder Fragen zu meinem Lebensweg, insbesondere zu meiner Auswanderung 1986 erhalten. Dieses Thema scheint doch sehr viele Menschen in Deutschland zu beschäftigen.
Doch eine solche Geschichte, mit den Erfahrungen auf dieser Insel in 22 Jahren, ist logischerweise eine sehr lange Geschichte, die eher in ein Buch passt, als auf diese Seiten.
Deshalb habe ich auch ein Buch geschrieben – zunächst ganz alleine für mich, um viel Frust abzubauen. Nach und nach habe ich nun die polemischen Stellen geschliffen und eine erste Lesung anlässlich einer Schiffsreise gewagt. Das Interesse und die Aufmerksamkeit der Mitreisenden waren sehr groß und ich erhielt viele Streicheleinheiten. Trotzdem werde ich das Buch noch nicht veröffentlichen, weil ich selbst noch nicht weiß, ob das wirklich sinnvoll ist.
Unser Schiffseelsorger Ezzelino von Wedel, der ebenfalls unter den Zuhörern war, schrieb im Rahmen seines „Bordblogs“ eine Seite über mich und meinen Weg nach Tenerife. Mit seiner freundlichen Genehmigung stelle ich seinen Text hier ein. Und wer noch mehr Interesse an dem faszinierenden Bordtagebuch des Ezzelino hat, benutze diesen Link:
http://www.radiobremen.de/nordwestradio/religion/s...
"Liebt Teneriffa trotz allem: Hans König
Dies ist eine Geschichte über die Macht des Feuers. Sie handelt von einem Mann, der so lange vor Energie brannte, bis er am Ende ausgebrannt war. Und als er ausgebrannt war, kam das Feuer noch einmal über ihn. Ganz unerwartet und aus einer ganz anderen Richtung. Hans König wollte als junger Mann unbedingt ins Ausland. Er ließ sich zum Industriekaufmann ausbilden und absolvierte sein Auslandshandelskorrespondentendiplom in Englisch, Spanisch und Französisch. Achtzehn Jahre lang, von 1960 bis 1978, arbeitet der Rock’n’Roll-Fan wie ein Rasender, wird in einer Marburger Firma Assistent des Exportabteilungsleiters und baut dann eine eigene Exportabteilung auf – bis er vor lauter Erschöpfung nicht mehr so weitermachen will und 1978 einen ruhigen Verwaltungsjob im Dekanat der Marburger Universität annimmt. Acht Jahre hält er es dort aus. Doch sein Feuer lodert immer noch. 1986, nach längeren Überlegungen und Vorbereitungen, lässt er Deutschland hinter sich, wandert mit seiner zweiten Frau, einer Philippinin, nach Teneriffa aus, kauft dort in dem Bergdörfchen Masca ein gut gehendes Restaurant und ist überzeugt, das große Los gezogen zu haben. Das stimmt einerseits auch, denn das Restaurant wird ein durchschlagender Erfolg, freilich auch deswegen, weil die Flammen eines entfesselten Energieschubs ihn und seine Frau zu fast übermenschlichen Leistungen antreiben. Nach vier Jahren sind sie schuldenfrei, haben zwei wunderbare Kinder und arbeiten ohne Unterlass von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Endlich einmal nur für sich und die eigene Familie, nicht für eine Firma oder eine Institution! Und das herrliche Klima! Hans Königs ewige Neurodermitis ist verschwunden. Genau so wie seine lästigen Bronchialbeschwerden. O wunderbares Teneriffa! Doch sehr schnell lernen die Königs ein anderes Teneriffa kennen: missgünstige, neidische, bösartige Einwohner, die alles, wirklich alles unternehmen, um die neuen, erfolgreichen Einwanderer zu vergraulen und zu vertreiben. Zermürbende Grabenkämpfe mit Nachbarn und Behörden, niederschmetternde Erfahrungen mit dem barbarischen Gehabe deutscher Touristen, körperliche Verschleißsymptome – nach 10 Jahren feuriger Arbeitswut spürt Hans König, dass er ausgebrannt ist. Er kauft eine Wohnung am Meer, zieht sich von der Restaurantarbeit zurück, wird Hausmann, will nur noch für die Kinder da sein. Und er fängt an, ein Buch über seine Teneriffaerfahrungen zu schreiben. Ein bitteres, polemisches Buch, für ihn Entgiftungs- und Besinnungskur. Denn er liebt Teneriffa, trotz allem. Doch da kommt das Feuer wieder, diesmal von außen. Am 31.7.2007 frisst sich ein Großbrand durch den westlichen Teil der Insel. Das Restaurant der Königs brennt vollständig ab. Nach dem inneren nun der äußere Brand. Totales Burnout. Ein knappes halbes Jahr später tritt das Ehepaar König eine sechsmonatige Weltreise mit der „Delphin Voyager“ an. Hans König hat das zerstörte Grundstück seit dem vernichtenden Brand nur einmal betreten. Er will das alles nicht mehr sehen, will nichts mehr darüber hören. Sein Sohn kümmert sich um den Wiederaufbau. Hans König schreibt weiter an dem Buch. Er will die Polemik abschleifen und zu einer ausgereiften Bilanz finden. In den vergangenen Wochen hat er hier an Bord vorgelesen, um zu testen, wie die Leute reagieren. Er betrachtet sich inzwischen als „Rentner“. Die Reise hat er gebucht, damit er die Welt sehen kann, bevor er im Rollstuhl sitzt. Wer Hans König hier an Bord kennen lernt, trifft einen Mann, in dem immer noch ein Feuer brennt. Aber es sind keine lodernden Flammen mehr, es ist ein kräftiges Nachglühen, ein Flammenspiel, das zwischen abendrötlicher Wärme und knisternden Ausbrüchen hin und her flackert."
Bleibt nachzutragen: Das denkmalgeschützte abgebrannte Gebäude der Alten Schule Mascas, in dem sich das Restaurant befand, wird auf Kosten der Inselverwaltung wieder aufgebaut. Ein Jahr ist vorüber und die Ruine ist immer noch unangetastet. Kanarische Mühlen mahlen eben langsam.
Bürgerreporter:in:Hans-Rudolf König aus Marburg |
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