Pilgern in der Hansestadt Lübeck
Pilgern in der Hansestadt Lübeck von St. Jacobi zum Dom
Lübeck war im Mittelalter und ist heute wieder ein Knotenpunkt der Pilgerschaft, denn hier laufen sternförmig Pilgerwege zu, die Abzweigung von der Via Jutlandica über Kiel und der Pilgerweg entlang der Vogelfluglinie von Dänemark über Fehmarn nach Travemünde und Lübeck. Der Pilgerweg von Travemünde bis Lübeck entspricht dem Hanseatenweg, dessen Logo eine weiße Kogge auf schwarzem Grund zeigt. Im Mittelalter steuerten skandinavische Pilgerschiffe neben Stralsund auch Lübeck an. Von hier führen aber auch verschiedene Pilgerwege weiter. Neben dem hier beschriebenen Weg Richtung Hamburg - Bremen - Osnabrück, der Via Baltica, lässt sich auch der über Lauenburg - Lüneburg - Hannover - Göttingen wählen, dessen Streckenführung aber noch nicht voll ausgewiesen ist.
Der Pilger von Norden, von Wismar oder Travemünde kommend, erreicht die Hansestadt Lübeck am Burgtor (1). Beim Burgtor liegt das Burgkloster, ein ehemaliges, im 13. Jahrhundert gegründetes Dominikanerkloster.
Auf der Etappe Lübeck - Hamburg kommt der Pilger die Burgstraße herunter und sieht als nächstes die Jakobikirche (2) im Norden der Lübecker Altstadt. Am Ende der Burgstraße passiert der Pilger zur linken Hand das b>Heilig-Geist-Hospital (3). Von der Jakobikirche gegenüber kann man sowohl die Breite Straße wie die Königsstraße nehmen; mit der Pilgermuschel ausgewiesen ist allein die belebtere Breite Straße, die unmittelbar zum Rathaus (7) und zur Marienkirche (5) führt. Die Königsstraße ist aber unzweifelhaft mit ihren Patrizierhäuserrn aus dem 18. und 19. Jahrhundert die schönere Straße. Beim Rathaus ist das Zentrum der Altstadt von Lübeck (6). Wer zuvor die an der Königsstraße gelegene Katharinenkirche (4) besuchen will, muss bei der Pfaffenstraße nach links abbiegen. Hinter dem Chor der Petrikirche (8) verläuft der Pilgerweg über die Sandstraße, den Pferdemarkt und die Parade zum Domkirchenhof mit dem Lübecker Dom (9). Von der Petrikirche lohnt sich ein Abstecher zum historischen Holstentor. Der Weg führt über Kohlmarkt und Holstenstraße direkt zu dem berühmten Tor.
An der Parade kommt der Pilger an der katholischen Propsteikirche Herz Jesu vorbei, an der die mutigen drei Kapläne Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller während der nationalsozialistischen Zeit gewirkt haben. Sie hatten gegen die nationalsozialistische Weltanschauung Position bezogen, das Euthanasieprogramm verurteilt und die berühmten Predigten des Münsteraner Bischofs von Galen vervielfältigt und verteilt. Deswegen wurden sie zusammen mit dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink von der Lutherkirche am 23. Juni 1943 vom Volksgerichtshof verurteilt und am 10. November 1943 im Hamburger Gefängnis Holstenglacis hingerichtet. In der Todeszelle verfaßte Hermann Lange diese ergreifenden Verse:
„Ganz der Wille Gottes! still die Seele spricht,
Grüßt mich beim Erwachen neu das Tageslicht.
Was an diesem Tage Geist und Hand begehn
Ganz der Wille Gottes mög' durch mich geschehn.“
Zum Gedenken an die Lübecker Märtyrer wurde in der neogotischen Kirche 1955 eine neuromanisch anmutende Unterkirche geschaffen, in deren Eingang Bilder und Lebensläufe der Glaubenszeugen hängen. Die drei katholischen Geistlichen wurden am 25. Juni 2011 seliggesprochen.
Vom Dom aus führt der Pilgerweg zum Mühlendamm, von wo der Pilger einen schönen Blick über den Mühlenteich geniessen kann, und über die Wallstraße zum St. Jürgen-Hafen-Kanal. Über die Possehlbrücke wird am Trave-Kanal entlang die Hansestadt verlassen.
Sehenswertes entlang der Strecke
Burgtor und Burgkloster
Das Burgtor ist das nördlichste von ehemals vier Stadttoren der Lübecker Stadtbefestigung. Es hat seinen Namen nach der ursprünglichen, hoch über der Trave gelegenen Burg, die im 12. und frühen 13. Jahrhundert abwechselnd in deutscher und dänischer Hand war. Schon zuvor stand an dieser Stelle die slawische Burg Bucu.
1226 wurde die Burg niedergerissen und anstelle der Burg ein Kloster errichtet, das 1229 dem damals jungen Dominikanerorden übergeben wurde. In Erinnerung an die Schlacht von Bornhöved, die am Maria-Magdalenen-Tag, den 22. Juli 1227, stattfand, wurde das Kloster und die zugehörige Kirche benannt. Über Jahrhunderte haben die Dominikaner in enger Verbundenheit mit der Bürgerstadt tatkräftig gewirkt. Im Zuge der Reformation wurde das Kloster aber 1531 aufgelöst und ein Armenhaus eingerichtet. Die Maria Magdalenkirche wurde zunächst evangelische Kirche, aber im Laufe der Jahrhunderte immer mehr baufällig und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert abgerissen. Von ihr blieben nur Seitenkapellen und einige bunte Fenster teilweise erhalten. Sie sind einbezogen in den Klosterkomplex, der in den letzten Jahren für museale Nutzung aufwändig restauriert und Ende Mai 2015 neu eröffnet wurde. Die Innenräume bergen sehenswerte Skulpturen und Wand- und Gewölbemalereien. Der älteste Bauteil ist die Lange Halle im Nordflügel, von dem ein Teil als Sommerrefektorium genutzt wurde. Ferner ist der mittelalterliche Kreuzgang erhalten geblieben und auch der reich geschmückte Kapitelsaal sowie das Winterrefektorium.
Das heutige Burgtor entstand 1444. Im 19. Jahrhundert drohte ihm aus Verkehrsgründen der Abriss, der Lübecker Senat entschied sich schließlich für den Erhalt und den Durchbruch von zwei weiteren Toren in den benachbarten Häusern. An das Tor grenzt ein Marstall, in dem in früheren Jahrhunderten Pferde Platz fanden.
2 Jakobikirche
Diese dreischiffige Hallenkirche mit leicht überhöhtem Mittelschiff wurde im 14. Jahrhundert vollendet. Ein vorangegangener Bau ist für das 13. Jahrhundert bezeugt. Die Jakobikirche überstand trotz der heftigen Luftangriffe unversehrt den Zweiten Weltkrieg. Sie hat deshalb ihre reiche Ausstattung bewahrt. Besonders beachtenswert ist die Große Orgel, dessen Hauptwerk 1504 entstand. Die gotische Konsole, auf der die Orgel ruht, stammt von der ältesten Orgel. Sehenswert ist ferner der Altar der Familie Brömbse in der gleichnamigen Kapelle. Der Mittelschrein aus Sandstein wurde Ende des 15. Jahrhunderts von einem westfälischen Meister geschaffen, die Gemälde der Seitenflügel von einem Niederländischen Künstler. Eine Jakobusfigur ist für den Jakobspilger in der Kirche nicht leicht zu finden, aber nach einigem Suchen entdeckt er den Heiligen sogar in mehreren Darstellungen, als Wandfries oberhalb der Kanzel, auf der Tauffünte, auf der Wange eines Gestühls, als Bild auf der Orgelschranke und beim Aufgang zur Orgelbühne. Zudem kann er eine Jakobusfigur in der benachbarten historischen Gaststätte der Schiffergesellschaft (erbaut 1535) entdecken. Vielleicht hatte auch sie ihren ursprünglichen Platz in der Jakobikirche.
Die Schiffergesellschaft, die aus einer Nikolaus-Bruderschaft von seefahrenden Kaufleuten und Pilgern und einer aus Seeleuten bestehenden St. Annen-Bruderschaft hervorging, und die Jakobikirche sind symbolhaft aufeinander bezogen. Schon im 15. Jahrhundert hatten die Schiffer hier ihre eigene Kapelle, und noch heute wird der auf See Gebliebenen in der “Pamirkapelle“ der Jakobikirche gedacht.
Bruderschaften von pilgernden Kaufleuten, die die Verehrung des Schutzheiligen, aber auch sich gegenseitig förderten, waren in den Hansestädten wie auch im übrigen Europa im ausgehenden Mittelalter sehr verbreitet. Als Namenspatron der Bruderschaften im Raum der Hanse waren neben dem heiligen Nikolaus und der heiligen Anna Jakobus der Ältere und die heilige Gertrud sehr beliebt. So wählte eine Hamburger Bruderschaft der Jakobspilger zum Patron die heilige Gertrud. Die Bruderschaften unterhielten Herbergen und Hospitäler und sorgten für ein würdiges Begräbnis der auf dem Weg Verstorbenen.
An der Nordseite der Jakobikirche findet der Pilger noch die erste Station eines Kreuzweges, das der Ratsherr Hinrich Constin 1468 nach seiner Rückkehr von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem stiftete. Der Kreuzweg endete mit der Kreuzigungsszene auf dem Jerusalemsberg vor den Toren der Stadt.
Nur durch einen schmalen Gang von der Jakobikirche getrennt stehen die 800 Jahre alten Jakobikirchhäuser, Diese "Pastorenhäuser" wurden in den letzten Jahren aufwändig restauriert. Dabei wurden an Decken und Wänden umfangreiche Malereizyklen und andere Dekorationen entdeckt.
Die Jakobikirche greift ihre Tradition als Pilgerkirche seit einigen Jahren bewusst wieder auf. Deshalb hat sie auch eine Pilgerherberge eingerichtet, die gerne aufgesucht wird. Ihre Anschrift lautet:
Pilgerherberge bei der Jakobikirche
Jakobikirchhof 5
Tel. 0152-02889837
e-mail: info@st-jakobi-luebeck.de
3 Heilig-Geist-Hospital
Gegenüber der Jakobikirche steht das Heilig-Geist-Hospital. Es ist das best erhaltene und bedeutendste Beispiel eines mittelalterlichen Hospitals in Deutschland, Zeichen des sozialen und barmherzigen Wirkens der Bürger vor Jahrhunderten. Das Hospital war eine Stiftung der Lübecker Ratsherren. Hinter der Backsteinfassade mit vier schlanken Türmchen und einem Dachreiter liegt die dreischiffige Kirchenhalle, an die wiederum die Spitalhalle, das sog. „Lange Haus“ (88 m) angrenzt. Darin finden sich vier Reihen niedriger Kammern mit Einzelwohnräumen aus der Zeit um 1820. Bis 1976 wurde das Heilig-Geist-Spital als Altersheim genutzt. Das Hospital, das heute zu besichtigen ist, enthält 23 Szenenbilder aus dem Leben der heiligen Elisabeth von einem Lübecker Maler aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Kirchenhalle weist eine schöne mittelalterliche Jakobusfigur und beachtenswerte spätmittelalterliche Altäre auf.
Unweit von Jakobikirche und Heilig-Geist-Hospital wurde vor wenigen Jahren in der Großen Gröpelgrube eine mittelalterliche Pilgerherberge entdeckt, die Gertrudenherberge. Sie ist benannt nach der heiligen Gertrud von Nivelles, der Schutzpatronin der Pilger. Diese Herberge entstand um 1360, einer Zeit, als in Lübeck und weiten Teilen Europas die Pest wütete. Sie gehörte ursprünglich zum Heilig-Geist-Hospital. Die gotische Halle im Erdgeschoss birgt einen erstaunlichen Schatz, mittelalterliche Fresken, die erst bei Sanierungsarbeiten freigelegt wurden.
4 Katharinenkirche
Auf dem Weg ins Zentrum der Altstadt kann man die Katharinenkirche passieren. Sie gehörte zu einem 1225 gegründeten Franziskanerkloster. Die Grundsteinlegung für das Langhaus erfolgte 1335. Das Kloster wurde 1530 im Zug der Reformation aufgehoben und in eine Lateinschule umgewandelt. Die Kirche hat aber in ihrem Äußeren den Charakter einer Bettelordenskirche ohne Turm bewahrt. Die schöne asymmetrische Westfassade hat 1947 in ihren Nischen die drei Figuren: Frau im Wind, Bettler und singender Klosterschüler von Ernst Barlach aufgenommen. Die übrigen Figuren Christus als Schmerzensmann, der Brandstifter, Jungfrau, Mutter und Kind, Kassandra und Prophet hat Gerhard Marcks geschaffen. Die Pfeilerbasilika mit polygonalem Chorschluß beherbergt seit 1980 ein Kunstmuseum. Vorher diente sie vorwiegend für Schulgottesdienste. Das Museum birgt u.a. eine Kopie der Stockholmer St. Georgs-Figur von Bernt Notke.
Eine Seitenkapelle im Unterchor wird als „Kirche des Heiligen Prokop“ durch die russisch-orthodoxe Gemeinde genutzt.
5 Marienkirche
Unter den zahlreichen weiteren Kirchen Lübecks ragt die Marienkirche heraus. Sie wurde von den Bürgern als Hauptpfarrkirche bewusst größer als der Dom um 1200/20 gebaut. Mehrmals wurde diese mächtige Basilika umgebaut und erweitert. Der heutige Kathedralchor mit Umgang und Kapellenkranz (Höhe 38,5 m!) entstand ca. 1260 - 1280, ein Meisterwerk der gotischen Backsteinkunst. Um 1315 begann man mit dem Abriss des bisherigen Hallen-Langhauses und schuf ein basilikales Langhaus, das um 1330 vollendet wurde. 1444 wurde zuletzt als östlicher Abschluss des Chorumgangs eine Kapelle angebaut, die gesungenen Stundengebeten der Marienverehrung diente und deshalb Marientidenkapelle genannt wird. Hier ist der Antwerpener Altar zu bewundern, ein vergoldeter Schnitzaltar aus spätgotischer Zeit, der Szenen aus dem Marienleben zeigt.
Der beeindruckende Bau mit der Doppelturmfassade war auch Ausdruck der Macht und des Wohlstandes der alten Hansestadt. Sie war Vorbild für viele Kirchen im Ostseeraum.
Bei der Innenausstattung ist besonders bemerkenswert das Sakramentshaus von 1476-79, ein prachtvoller Erzguss, das der Erzgießer Klaus Grude geschaffen hat, sowie die Eichenholzfigur des Evangelisten Johannes, die möglicherweise von Bernt Notke stammt. Ihm wird auch die Grabplatte für das Ehepaar Hutterock zugeschrieben, die 1508/09 geschaffen wurde.
6 Lübeck
Im Zentrum von Lübeck angekommen, empfiehlt sich ein Blick in ihre reiche Geschichte. An der Stelle einer slawischen Burg wurde die Stadt 1143 gegründet. Als die Stadt 1157 abbrannte, wurde der Lehnsherr Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen, um Hilfe gerufen. Er begründete die Stadt neu und verlegte 1160 das Bistum Oldenburg hierher. Heinrich der Löwe war am Ausbau seines Einflusses nach Osten interessiert, während Kaiser Friedrich I. den Schwerpunkt seiner politischen Macht nach Süden ausdehnen wollte. Darüber kam es zum Konflikt mit Heinrich dem Löwen. Der Kaiser zog gegen ihn zu Felde und nahm dabei auch Lübeck ein. Der Kaiser gewährte der Stadt einen Freibrief. Die Reichsfreiheit erhielt Lübeck aber endgültig erst 1226 durch Kaiser Friedrich II. und den Sieg über die Dänen (Schlacht von Bornhöved). Lübeck wurde wichtigster Handelsplatz des Ostseehandels, der sich bis nach Nowgorod und bis nach Bergens Kontor Bryggen erstreckte. Lübeck wurde Mitglied der Hanse. Diese war ein Zusammenschluß niederdeutscher Kaufleute und Städte, die sich zwischen der Mitte des 12. Jahrhunderts und dem Ende des 17. Jahrhunderts dem Fernhandel widmeten und ihn von 1300 - 1500 dominierten. 1358 fand der erste Hansetag in Lübeck statt. Viele Hansestädte des Ostseeraum waren Tochtergründungen Lübecks und erhielten Lübsches Stadtrecht, z. B. Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Danzig. Den Höhepunkt seiner wirtschaftlichen und politischen Macht erreichte Lübeck nach dem Frieden von Stralsund, der den freien Handel in der Ostsee garantierte, in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, es beherrschte wirtschaftlich ganz Nordeuropa. Lübeck galt als Hauptort der Hanse, es wurde auch "Königin der Hanse" genannt. Die wirtschaftliche Machtstellung wirkte sich aber auch politisch und kulturell aus.
Um 1230 standen bereits alle fünf Hauptkirchen Lübecks. Die Marienkirche, die den Dom an Größe und künstlerischer Ausstattung übertrifft, zeugt von dem Selbstbewusstsein und dem Reichtum der Kaufmannschaft.
1529 führte der Rat der Stadt die Reformation in Lübeck ein. Das Bistum blieb als evangelisches Fürstbistum bis zu seiner Säkularisation im Jahr 1803 bestehen. Infolge der Westorientierung nach der Entdeckung Amerikas nahm die Bedeutung des Ostseehandels ab. Lübeck vermochte diese Einbußen aber noch lange durch verstärkten Westhandel, vor allem mit Spanien auszugleichen. Die starken Festungsanlagen bewahrten Lübeck vor den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges. Beim Wiener Kongreß konnte Lübeck seine Selbstständigkeit behaupten, doch sein Wohlstand nahm im Vergleich zu anderen aufstrebenden Städten, allen voran Hamburg und Bremen, ab. Doch trug der wirtschaftliche Niedergang zur Erhaltung vieler bedeutender Bauwerke aus dem Mittelalter bei.
1937 wurde die Stadt im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes nach Preußen eingegliedert und gehört seit 1945 zu Schleswig-Holstein. Lübeck verlor dadurch seine 711-jährige Reichsfreiheit. In der Nacht vom 28. zum 29. März 1942 erlitt die denkmalreiche Stadt durch einen Bombenangriff schwere Schäden, ein Fünftel der Altstadt wurde zerstört. Die bedeutendsten Bauwerke wie die Marienkirche und der Dom wurden wieder aufgebaut. 1987 wurden die erhaltenen Teile der Lübecker Altstadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Ausschlaggebend waren die in manchen Quartieren geschlossen erhaltene vorindustrielle Bausubstanz und die Silhouette von Lübeck mit den markanten Kirchtürmen.
7 Rathaus
Zwischen Markt und Marienkirche steht das Lübecker Rathaus, eines der bedeutendsten des Mittelalters. Der Bau wurde bald nach der Erhebung von Lübeck zur freien Reichsstadt 1226 begonnen. Vollendet wurde der Flügelbau mit „Danzelhus“ (Tanzhaus) oder Langem Haus 1308. Aber die wohlhabende reichsfreie Stadt wollte auch nicht zurückstehen, als neue Stilformen Europa eroberten. Im spätgotischen Stil wurde 1435 der Anbau des Neuen Gemachs mit der mit Türmen geschmückten Schauwand errichtet. Um 1570 kam die Renaissancelaube aus Sandstein auf der Marktseite hinzu. Die prächtige Renaissancetreppe wurde 1594 im Niederländischen Stil errichtet. Die Gestaltung und Ausschmückung im Innern ist noch jüngeren Datums. Der Rats- und Audienzsaal stammt in seiner heutigen Formgebung aus der Zeit des Übergangs vom Spätbarock und Rokoko. Weitere Repräsentationsräume wurden im neogotischen Stil gestaltet.
8 Holstentor und Petrikirche
Nicht weit entfernt vom Rathaus ist von den Resten der einstigen Stadtbefestigung das berühmte Holstentor zu sehen, eines der schönsten deutschen Stadttore. Das Backsteintor wurde 1467 - 1478 erbaut. Zwei mächtige Rundtürme umfassen das schmalere zwischengelagerte Torgebäude, das auf seiner Stadtseite reicher als auf der Feldseite geschmückt ist. Letztere ist dagegen wehrhafter. Ziel des politischen Strebens der freien Reichsstadt war aber nicht der Krieg, sondern der Friede, worauf der Spruch „Concordia domi foris pax“ (Eintracht im Hause, draußen Friede) über dem Außentor hinweist. Etwas abseits von der Holstenstraße gelangt man südwärts zu der um 1330 vollendeten Petrikirche, einer fünfschiffigen gotischen Hallenkirche, die im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, inzwischen aber wieder aufgebaut wurde. Der hohe Turm der Kirche ist zu besteigen. Von dort hat der Besucher einen wunderbaren Ausblick auf die ganze Stadt.
9 Lübecker Dom
Das südliche Ende der Altstadt markiert der Lübecker Dom. Das mächtige Bauwerk mit seinen beiden hoch aufragenden Westtürmen erhebt sich auf dem Hügel zwischen Obertrave und Mühlenteich. Den Grundstein für den ursprünglich romanischen Bau legte 1173 Heinrich der Löwe. Etwa 1230 wurde er fertiggestellt. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde dem nördlichen Querschiff ein „Paradies“ (Vorhalle) vorgelagert. 1266 - 1335 erfuhr die dreischiffige Pfeilerbasilika durch Anhebung der Seitenschiffe einen Umbau zu einer gotischen Hallenkirche. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die Bischofskirche deutlich verlängert durch den Neubau eines gotischen Ostchors mit Umgang und einem Kranz von fünf Kapellen. Mit 130 m ist der Lübecker Dom eine der längsten Backsteinkirchen. 1942 wurde der Dom durch einen Luftangriff schwer zerstört. Der Wiederaufbau nach 1945 wurde erst 1982 abgeschlossen.
Das bedeutendste Kunstwerk im Innern ist das prächtige Triumphkreuz. Es wurde von Bischof Albert Krummendieck in Auftrag gegeben und von dem Lübecker Künstler Bernt Notke 1477 vollendet. Das reich verzierte Kreuz aus Eichenholz trägt einen Corpus in dreifacher Lebensgröße, daneben stehend Maria und Johannes, kniend Maria Magdalena und der Stifter. Insgesamt weist die Kreuzigungsgruppe 78 Figuren auf. Die Bischofskirche birgt eine Reihe weiterer Kunstwerke, darunter den von Hans Memling geschaffenen Passionsaltar von 1491 und die Steinmadonna (1460), die sogenannte "Schöne Maria".
10 Aegidienkirche und St. Annen-Kloster
Wer mehr Zeit für den Besuch in der ehemals freien Reichsstadt Lübeck aufbringen will, dem sei zuletzt der Besuch des ehemaligen St. Annenklosters empfohlen, das heute Museum ist und bedeutende mittelalterliche Altäre und Skulpturen aus den Lübecker Kirchen birgt und Einblick in die Wohnkultur der Lübecker Kaufleute bietet. Das St. Annenkloster wurde 1502 von Lübecker Bürgern für Augustinerinnen gestiftet, 1508 wurde der Chor eingeweiht, das Kloster 1515-18 vollendet. 1532 begann im Zuge der Reformation seine allmähliche Auflösung. Ab 1601 wurde das Gebäude für soziale Zwecke genutzt, als Arbeitszuchthaus, Waisenhaus und Armenhaus. 1843 war es bis auf die Umfassungsmauern abgebrannt, 1911-14 aber wiedererrichtet.
Benachbart ist die Aegidienkirche, die kleinste und östlichste der Lübecker Innenstadtkirchen. Die heutige dreischiffige Hallenkirche, mit wenig erhöhtem Mittelschiff, wurde Anfang des 14. Jahrhunderts begonnen und im selben Jahrhundert fertiggestellt. Die Kirche bildet mit den Gebäuden der Beginenkonvente, dem Aegidienhof und dem Annenkloster das Aegidien-Viertel, in dem im Mittelalter die Handwerker beheimatet waren. Aegidius, der Gründer der südfranzösischen Abtei St. Gilles, die an dem provencalischen Jakobsweg liegt, fand als einer der 14 Nothelfer im Mittelalter besonders starke Verehrung. Sein Patronat in Lübeck weist darauf hin, dass die Stadt auch eine starke Westorientierung besaß.
Ferner sind eine Reihe schöner gotischer, barocker und klassizistischer Profanhäuser in verschiedenen Teilen der Altstadt zu finden. Romantisch wirkt heute das Gänge- und Grubenviertel unterhalb des Doms und im Jakobi-Viertel. Es ist ein Ergebnis des mittelalterlichen Städtebaus. Tagelöhner und Träger wohnten in kleinen “Buden“ eng gedrängt auf den Rückseiten der Bürgerhäuser.
Über die Geschichte des mittelalterlichen Pilgerns von Lübeck aus informiert sehr eindrucksvoll und gründlich der neue Aufsatz von Heinrich Dormeier: Pilgerfahrten Lübecker Bürger im späten Mittelalter. Forschungsbilanz und Ausblick. In: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte. Bd. 92. Lübeck 2012, S. 9-64.
Bürgerreporter:in:Manfred Hermanns aus Hamburg |
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