Klöppel, Kreuze und Klistiere
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als seien die Brieföffner, Zigarettenspitzen, Rosenkränze, Würfel, Flohfallen, Fächer und Tanzkarten aus kostbarem und seltenem Elfenbein angefertigt worden. Doch bei einer genaueren Betrachtung der filigranen Arbeiten mit einer Lupe zeigt die Oberfläche eine Porenstruktur von Knochen, zumeist von Rinderknochen.
Kaum jemand weiß noch, dass Knochen einst ein vielseitiger Werkstoff waren, dass Waffen, einfache Handwerksgeräte, Kunst- und Schmuckgegenstände, Ess- und Kochgeräte, Modeartikel, Schreibgeräte, Handarbeitsutensilien, medizinische Instrumente, Hygieneartikel, Spielzeuge, Souvenirs, liturgische Geräte und vieles mehr aus Bein gefertigt wurden.
„Knochen – das Elfenbein des kleinen Mannes“, nennt sich eine Ausstellung im Lübecker St.-Annen-Museum, die herausstellt, welche große Bedeutung Tierknochen früher als Material für Alltagsgegenstände hatten.
Der Kieler Jurist Klaus-G. Glüsing trug innerhalb von 30 Jahren die wohl deutschlandweit größte Privatsammlung von Geräten aus Knochen des 18. und 19. Jahrhunderts zusammen. Der Schwerpunkt der Kollektion liegt auf der Biedermeier-Zeit und die Sammlung stellt ein herausragendes und nahezu vollständiges Zeugnis eines Handwerks- und Kunstzweiges dar, der heute weitgehend vergessen ist, weil Kunststoff das Material Knochen ersetzt hat.
Einen Höhepunkt in der Verarbeitung von Knochen gab es im Mittelalter. Geräte des alltäglichen Lebens, aber auch liturgische Geräte, wie Rosenkränze, Kruzifixe und Buchdeckelverzierungen, fanden immer stärkere Verbreitung neben der Verwendung des edlen, aber sehr viel teueren und selteneren Elfenbeins.
Als im 19. Jahrhundert der Zugriff auf das Elfenbein durch die Kontinentalsperre und durch Napoleons Besetzung Europas erschwert wurde, verlagerte sich die Produktion von Gebrauchs- und Kunstgegenständen immer stärker auf das Material Knochen. Die Herstellung wurde immer stärker verfeinert, so dass die Erzeugnisse dem Geschmack des anspruchsvollen Publikums entsprachen.
Der Bedarf war so groß, dass Rinderknochen aus Nord- und Südamerika importiert werden mussten. Die Technik glich sich in den Schmuck- und Verzierungsformen immer mehr der Verarbeitung von Elfenbein an.
Bürgerreporter:in:Helmut Kuzina aus Wismar |
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