7. Teil - Kinder- und Jugendjahre im Schatten des Nationalsozialismus. (Erinnerungen der 89-jährigen Zeitzeugin Maria Bengtsson Stier)
…… Dann kam die Pflicht für alle Kinder den „Jungmädels“ oder dem „Jungvolk“ beizutreten. Die „Jungmädels“ das waren alle jungen Mädchen von zehn Jahren aufwärts bis vierzehn. Die in politischen Gruppen gesammelt und geschult wurden. Die Jungen wurden im „Jungvolk“ gesammelt. In gewissen Zeitabständen gingen bei den Klassenlehrern immer wieder Listen herum, worin alle Kinder in der Klasse aufgeführt waren. Der Lehrer hatte die Aufgabe die Kinder zu befragen, ob sie Mitglied im „Jungvolk“ oder bei den „Jungmädels“ waren.
Meine Antwort war immer wieder „nein“, denn unser Vater hatte uns verboten beizutreten. Natürlich waren meine Brüder auch nicht dabei.
Eines Tages nun sah ich meinen Vater im Schulgebäude vor der Tür des Rektorzimmers stehen als wir zu unserem Klassenzimmer hochmarschierten.
„Oh, schaut doch mal, dort steht ja mein Vater. Was will denn der hier in der Schule?“ schrie ich dumme, naive Ziege meinen Klassenkameraden zu. Alle starrten natürlich meinen Vater an.
Man hatte meinen Vater aufgefordert sich beim Rektor der Schule zu einer Unterredung einzufinden. Wir Kinder haben nie erfahren, was dort gesprochen wurde, aber nach diesem Besuch meines Vaters beim Rektor der Schule, durften wir alle dem Jungvolk bzw. den Jungmädels beitreten. Aber kostenlos war das natürlich nicht. Jedes Mitglied musste Beitrag bezahlen. Und selbstverständlich mussten alle Mitglieder Uniform tragen. Da galt es für meine Eltern Uniformen zu beschaffen und Beiträge zu bezahlen!
Die Zusammenkünfte die ganz einfach „Antreten“ genannt wurden, fanden mehrere Male in der Woche statt. Und natürlich erst nach Schulschluss. Dieses „Antreten“ dauerte meistens zwei Stunden, manchmal auch länger. Unsere Hausaufgaben mussten zwischendrin erledigt werden, denn ohne Hausaufgaben durften wir nicht in die Schule kommen, ohne Strafe zu ernten. Samstags nachmittags marschierten wir geschlossen durch die Straßen der Stadt und sangen stramme Lieder. Auf diese Weise war der ganze Samstag politisch genutzt. Ein Lied des „Jungvolkes“ ist mir noch heute (Text und auch Melodie) sehr gut in Erinnerung:
„Es zittern die morschen Knochen
Der Welt vor dem großen Krieg.
Wir haben die Knechtschaft gebrochen
Für uns war´s ein großer Sieg.
Wir werden weiter marschieren,
wenn alles in Scherben fällt,
denn heute gehört uns Deutschland
und morgen – die ganze Welt!“
Dieser Text spricht ja für sich selbst, nicht wahr? Und Hitlers Größenwahn wird offenbar.
Außerdem wurden uns in unserer knapp bemessenen Freizeit, auch sonntags, sehr oft „Ehrenaufträge“ zugeteilt. Wir bekamen eine Sammelbüchse in die Hand gedrückt, dann mussten wir den ganzen Nachmittag bei Wind und Wetter in der Stadt herumlaufen und die Leute anbetteln, oder sonntags vor der Kinokasse stehen und mit der Sammelbüchse rasseln. Keiner wagte daran vorbeizugehen ohne eine Münze einzuwerfen. Jede Woche wurde für etwas anderes gesammelt.
Einmal im Monat gab es einen Eintopf-Sonntag. Jeder Haushalt sollte anstatt einen Sonntagsbraten zuzubereiten einen Eintopf kochen und das gesparte Geld dann für die Partei spenden. Einmal im Monat also gingen die „Beauftragten“ mit einer Liste von Tür zu Tür und sammelten das „gesparte“ Geld ein und natürlich wurde auch der Name des Spenders auf der Liste aufgeführt. Die „Nichtspender“ waren also nicht schwer zu „entlarven“, was natürlich zur Folge hatte, das alle etwas spendeten. Ja, ja, man wusste ganz genau, wie man das Geld aus der Bevölkerung „herausschinden“ konnte!......
Fortsetzung folgt……http://www.myheimat.de/alzey/gedanken/8-teil-kinde...
Bürgerreporter:in:Gisela Görgens aus Quedlinburg |
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