Mit Gisela in den Ardennen - von Anseremme an der Lesse entlang bis zu den Grotten von Han-sur-Lesse
Anseremme ist ein südlicher Stadtteil von Dinant und liegt an der Lessemündung. Hier am Rocher Bayard von Dinant fange ich mit der Erzählung der Ardennensage, der Geschichte der Kinder Haimons und ihrem Pferd Bayard, an: Der Vater, ein wilder stets zu Totschlag geneigter, aber doch treuherziger Mensch, empfand eine tiefe Feindschaft gegenüber König Karl, die sich auf die Söhne dieser Männer übertrug. Der Graf Haimon hatte derer vier und Rainald der jüngste, war groß und stark über die anderen, gleich ein Falke über ein Sperber. Ich kann hier nicht alle Abenteuer, ihren heldenmütigen Kampf gegen den Herrscher und ihre letztendliche Unterwerfung erzählen. Das sprengt den Rahmen. Nur so viel sei gesagt, dass sie alle ihre Auseinandersetzungen nicht ohne die Hilfe ihres Pferdes Bayard hätten bestehen können. Dieses gewaltige Ross konnte die ganze Brüderschar tragen – musste sie tragen auf ihrer Flucht vor dem König Karl. Und hier setzt die Dinanter Variante der Sage ein: ihr Ritt quer durch die Ardennen führte sie hier an die Maas, die aber starkes Hochwasser hatte und unpassierbar schien. Doch erkletterte Bayard die Felsnadel, tat einen ungeheuren Sprung, der die Verfolgten das andere Ufer gewinnen ließ. Wer von Anseremme nach Dinant wollte, konnte jedenfalls diese Felsnadel nur sehr schwer überwinden. Erst die Soldaten Ludwigs des XIV. haben die Bresche zwischen Felsnadel und anschließendem Gestein wirklich wegsam gemacht.
Bei unserer Weiterfahrt machen wir einen kurzen Stop in Foy-Notre-Dame um uns die Kirche anzusehen. Der Bau des Gotteshauses hat eine ungewöhnliche Geschichte. Sie beginnt im Juli 1609, als zwei Zimmerleute den Stamm einer mächtigen alten Eiche zersägten und darin eine kleine gotische Marienfigur fanden. Dieser ungewöhnliche Fund erregte zu jener Zeit allgemeines Aufsehen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von der Wundertätigkeit der Statue. 1618, zu Beginn des dreißigjährigen Krieges, ließ der damalige Herr auf Véves um die Skulptur eine Kapelle bauen, und der Pilgerstrom wollte nicht mehr abreißen. Schließlich veranlasste der Fürstbischof die Errichtung einer Kirche, bei deren Weihe etwa 12.000 Gläubige zugegen waren.
Wir kommen durch Celles, das im 7. Jahrhundert vom hl. Remaklus gegründet wurde. Seine Kirche ist die bedeutendste maasländische Repräsentantin dieses romanischen Kirchentyps. Sie wurde 1030 erbaut. Bis Celles drangen während der Ardennenoffensive 1944/45 die deutschen Truppen vor. Am Ortsausgang an der linken Seite sehen wir noch einen vergessenen deutschen Panzer, der an die erbitterten und verlustreichen Kämpfe erinnert.
Hier ist nun der Zeitpunkt gekommen, wo ich auf vier Schlösser hinweisen muss, die wir zwar nicht anfahren, aber falls Ihr mal privat in der Nähe seid, unbedingt besucht werden müssen: Schloss Freyr am westlichen Ufer der Maas mit seinen berühmten Gärten, Schloss Walzin, das über einer besonders wildromantischen Partie der Lesse thront - es ist leider nicht zu besichtigen – und die Ritterburg Véves, die wie aus dem Bilderbuch über dem Zusammenfluss zweier kleiner Bäche liegt. Ebenso ist noch das stattliche Schloss Lavaux-Ste.-Anne zu erwähnen, das bei Genimont rechts im Tal der Wimpe, einem Nebenfluss der Lesse, liegt. Auf dem Schlossgelände gibt es einen Wildpark.
Wir kommen nach Han-sur-Lesse. Die Tropfsteinhöhle gehört zu den größten touristischen Attraktionen Belgiens. Schon 1771 erkundete eine erste Expedition das Höhlensystem. George Sand ließ nach einer Ardennenreise in einem Roman, der 1870 erschien, die Höhle vor den Augen der Leser erstehen. Wir werden die Höhle besuchen. Historische Straßenbahnen fahren von der Ortsmitte die jährlich mehr als 300.000 Besucher zu dem Eingang der Höhle. Anschließend ist eine Führung durch die Hallen und Galerien, bei der wir die unterschiedlichsten Tropfsteingebilde sehen. Höhepunkt der Führung ist eine Ton- und Lichtshow mit mystischen Klängen und Lichteffekten. Der Höhlenbesuch endet mit einer Bootsfahrt auf dem unterirdischen See. Wieder im Freien kehren wir noch kurz in das Ausflugslokal am Ausgang der Grotten ein. Am Fuß des Massivs von Han liegt ein 250 ha großer Wildpark. Er lässt sich in „Safaricars“ erkunden und beherbergt Damwild, Rehe, Hirsche, Mufflons und Wildschweine, aber auch Steinböcke, Bisons, Auerochsen, Tarpans und Bären.
Wir verlassen wieder Han-sur-Lesse und kommen durch Roquefort. Auch dieser Ort wurde durch seine Tropfsteinhöhle bekann. An ihrer Entstehen war der Fluss Lomme beteiligt, jedoch nimmt dieser Nebenlauf der Lesse heute einen oberirdischen Weg. Entlang seines südlichen Ufers finden sich allerdings etliche Klüfte, durch die das Wasser der Lomme auch heute noch in die Grotten gelangt. Dass dieser Fluss einst kraftvoll die Höhlen durchströmt hat, davon zeugen heute noch jene großen, rund geschliffenen Kieselsteine, die dort unten das ehemalige Flussbett bezeichnen. Die imposanten Säle sind genau wie in Han-sur-Lesse durch das Nachbrechen des Gesteins entstanden.
Rechts sehen wir Waha mit seiner Kirche St. Etienne. Nur 150 m von ihr entfernt haben die Archäologen ein noch älteres Gotteshaus nachgewiesen. Sie war die Mutterkirche. Ein erster steinerner Bau muss dort schon während des 7. Jahrhunderts gestanden haben, also zur Zeit der Christianisierung. Für diese kleine Kirche hatte man das Material einer römische Villa benutzt. Das erste gesicherte Datum für die heutige Kirche St. Etienne ist der 20. Juni 1050. Das lässt sich der glücklicherweise erhaltenen Weihetafel aus Sandstein entnehmen.
Direkt anschließend kommen wir nach Marche-en-Famenne, das politische und wirtschaftliche Zentrum dieser Gegend. Die meisten Touristen kennen diese Kreisstadt jedoch nur als Schnellstraßenknotenpunkt, der kaum zum Verweilen einlädt. Wir werden aber die spätgotische Kirche mit barockummantelten Turm besuchen als Abschluss unserer Rundfahrt.
Bürgerreporter:in:Gisela Görgens aus Quedlinburg |
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