In Woltwiesche diente ehemalige Molkerei als kleine Kapelle
Nur wenige katholische Familien lebten vor dem Zweiten Weltkrieg in Woltwiesche. Das änderte sich, als die nationalsozialistischen Machthaber 1937 die „Reichswerke Hermann Göring“ im heutigen Gebiet von Salzgitter (damals im Raum Watenstedt/Hallendorf/Bleckenstedt) gründeten. Geplant war eine Großhüttenanlage und die dazugehörige Großstadt. Gefragt waren für die Reichswerke viele tausend Facharbeiter, die in der ersten Zeit freiwillig kamen, und zwar aus den Industriegebieten an der Saar, aus dem Ruhrgebiet oder aus Oberschlesien.
Außer den auf dem Gebiet der Stadt Salzgitter errichteten Barackenlagern entstand auch in Woltwiesche eine Siedlung mit 180 Häusern im Bereich der jetzigen Mühlenstraße, der Breiten Straße, der Garten- und der Rosenstraße, in der die zugewanderten Arbeiter Wohnung fanden. Sie waren meistens katholisch und sollten auch seelsorglich betreut werden.
Zwei Priester aus der Diözese Trier, Ordenspater Hilarius Moik und Kaplan Josef Mettler, wurden dafür in dieses Gebiet abgeordnet. Aus den kirchlichen Akten geht hervor, dass Pater Moik von der Lokalkaplanei Lesse ab 1. September 1940 die katholischen Familien in Woltwiesche betreute, er feierte Gottesdienste an den Sonn- und Feiertagen in einem gemieteten Saal einer Woltwiescher Gastwirtschaft.
Moiks Nachfolger, Pastor Bernard Bank, der erste Seelsorger in Woltwiesche, bekam bald die ganze Kirchenfeindlichkeit des Staates und seiner Organe zu spüren, als es 1941 um den Kauf eine ehemaligen Molkereigebäudes in der Großen Straße ging. In dieser ehemaligen Molkerei aus dem Jahr 1892 konnten zwar zunächst eine Kapelle und eine Wohnung für den Geistlichen eingerichtet werden, aber schon Ende Februar 1942 ließ die Geheime Staatspolizei (Gestapo) die Kapelle für den öffentlichen Gottesdienst schließen. Mit der Begründung, zur Gültigkeit des Kaufvertrags wäre angeblich noch eine Genehmigung des Braunschweigischen Finanzministeriums notwendig gewesen, wurden auch die weiteren Bitten um die Freigabe der Woltwiesche Kapelle abgewiesen.
Es war offensichtlich, dass die Nationalsozialisten jedes kirchliche Leben ersticken wollten. 1942 und 1943 kamen mit den Evakuierten aus dem Ruhrgebiet wieder viele Katholiken nach Woltwiesche, worauf Pastor Alfons Lüke, der Nachfolger von Pastor Bank, erneut um die Freigabe der Kapelle bat. Angesichts des fortgeschrittenen Stadiums des Krieges hatte er 1944 mit seiner Bitte Erfolg. „Der römisch-katholischen Kirche wird die Abhaltung von Gottesdiensten ... im Kapellenraum des Grundstücks Woltwiesche 108 auf jederzeitigen Widerruf gestattet.... Bei Rückkehr der Evakuierten ist uns zu gegebener Zeit Mitteilung zu machen“, hieß es in dem Schreiben.
Jahrzehntelang diente die Kapelle in der ehemaligen Woltwiescher Molkerei als Gottesdienstraum, bis sie in den 1990er Jahren profaniert und an einen Privatmann verkauft wurde.
Die Ortschaft Woltwiesche gehört zur Gemeinde Lengede.
Februar 2011, Helmut Kuzina
Bürgerreporter:in:Helmut Kuzina aus Wismar |
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