Die erste Stoppelfelder sind schon da: Ernteläuten
Goldgelbe Gerste ist bereits reif zur Mahd
Täglich erklingt jetzt die Ernteglocke Privileg, das an den Meierhof von Heinrich Baxmann gebunden ist
Von Lothar Rolf Luhm
Im Lehrter Dorf wusste man sofort Bescheid, doch im übrigen Stadtgebiet wunderten sich viele Einwohner darüber, warum täglich von 11 bis 11.o5 Uhr die Glocke der alten Sankt-Nicolaus-Kirche erklingt. Jahreszeitlich etwas früher als sonst üblich hat in Lehrte das Ernteläuten begonnen, ein alter Brauch, der in vielen Orten Niedersachsens üblich war, vor über hundert Jahren aber in Vergessenheit geriet. Dieses Ernteläuten, das in der bereits 1302 urkundlich genannten Lehrter Dorfkirche stattfindet, besagt, dass von der ersten Mahd an bis zum Erntedankfest täglich die Glocke fünf Minuten lang zum Lobe des Herrn angeschlagen werden soll, damit die Ernte frei von Hagel, Blitz und Regen unter Dach und Fach kommt.
In diesem Jahr hat das Ernteläuten fast termingerecht begonnen, da die Wintergerste - sie wird gewöhnlich Anfang Juli geschnitten – bedingt durch das schöne Vorsommerwettern schon in diesen Tagen goldgelb reif zur Mahd ist, wie wir von Landwirt Hans-Joachim Deneke-Jöhrens erfahren. Da auch die Sommer- bzw. Braugerste bereits schnittreif ist, konnte Heinrich Baxmann das Ernteläuten freigeben.
Dieses Ernteläuten ist ein Privileg, das an den Meierhof Nr. 18 im Lehrter Dorf gebunden ist. Es ist heutzutage einmalig zwischen Hildesheim und Lüneburg und stammt vermutlich aus der Dom-Meier-Zeit, die Ende des 19. Jahrhunderts zu Ende ging. Erst dann, wenn auf dem Meierhof von Heinrich Baxmann die erste Mahd erfolgt ist, darf die Ernteglocke geläutet werden.
Die Lehrter Ernteglocke ist eine Leihgabe der Tochterkirche der Lehrter Matthäusgemeinde. Sie wurde im Jahre des Herrn 1875 von G.A. Jauck in Leipzig gegossen und gab bis 1968 in der Lehrter Marktkirche den Ton an. Nach einer alten Urkunde "Wat vor Meyers und Köthers in den frigen wonen und weme see thokome" gab es zunächst in Lehrte acht Meierhöfe, die größtenteils aus kirchlichen Ländereien bestanden und von adeligen Herren bewirtschaft wurden. So überließ das Moritzstift in Hildesheim denen von Escherde bereits am 9. Juli 1294 "lendereyen in lerth" und Anno 1350 verpachtete das Bartholomäusstift "ein gud in lerth, eynen hove unde kothove binnen und buten dem dorpe" an die Gebrüder Hans von Schwiechelt.
Vom heutigen Hof Baxmann mit dem Privileg des Ernteläutens ist schon 1361 im Güterverzeichnis der Dompropstei Hildesheim als "allod lerthe" die Rede. Vier Mark Pacht hatte der damalige Verwalter zu zahlen. Die erste Nachricht über einen Meier dieses Hofes - es war Henneke Rickmann - stammt aus dem Jahr 1540. Er bewirtschaftete drei Hufen Domland.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg erscheint plötzlich Tiele Baxmann der Ältere an Rickmanns Stelle im Erbenregister des Meierhofes Nr. 18. Vermutlich ist Tiele Baxmann als Fähnrich ins Dorf gekommen und hat hier gefreit, denn sein Name war in der Umgebung bisher nicht bekannt. Tiele Baxmann, 1559 geboren und mit Anna Hagemanns verheiratet, hatte drei Hufen Land unter dem Pflug. Das sind etwa 54 Morgen, für die er ein Meiergeld von zehn Reichstalern und 13 Malter Korn jährlich zu zahlen hatte.
Seit dieser Zeit ist der Meierhof in ununterbrochener Erbfolge in der Hand der Baxmanns, augenblicklich in der Hand von Heinrich Baxmann, der aber die Ländereien an seinen Landwirtsnachbarn, den CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens verpachtet hat. Und auch den Zehnten an den Bischof von Hildesheim zahlt Heinrich Baxmann nicht mehr, seit seine Vorfahren um 1820 diese Gerechtsame durch eine 25fache Zahlung des jährlichen Pachtzins abgelöst haben. Heutzutage kassiert die Stadt Lehrte den "Zehnten"
Bürgerreporter:in:Lothar Rolf Luhm aus Lehrte |
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