Wenn die Bache zum Angriff bläst
Achtung: Wildschweinmütter mit Nachwuchs sind leicht reizbar
Ein saumäßig gemütliches "Kinderzimmer"
djv Berlin - Eine sorgfältige Vorbereitung ist das A und O in der schweinischen Kinderstube. Wenn die Bache merkt, dass die Geburt naht, entfernt sie sich von der Rotte. An einer vor Wind und Wetter gut geschützten Stelle im Dickicht arrangiert sie solange Äste, Zweige, Moose oder Erde, bis eine gemütliche Mulde entstanden ist. Die Baustoffe für den sogenannten Frischkessel schafft die werdende Mutter aus der näheren Umgebung herbei.
Im Frischkessel ist es zwar warm und gemütlich, aber auch langweilig – und die Abenteuerlust der kleinen Wildschweine ungebremst! Deshalb verlassen die Frischlinge, die sehend und behaart zur Welt kommen, schon ein paar Tage nach ihrer Geburt ihre “Kinderstube” immer wieder, um auf Entdeckungsreise zu gehen. Ohne ihr hell- und dunkelbraun gestreiftes Fell, mit dem sie sich kaum vom Waldboden abheben, würden sie dabei schnell einem hungrigen Uhu oder Fuchs zum Opfer fallen. Ihre “Streifenuniform” tragen die Jungtiere etwa drei bis vier Monate, danach färbt sich das Fell allmählich ganz und gar braun.
Von der friedlichen Bache zur wehrhaften Sau
Bei allen Unternehmungen der Frischlinge bleibt das Wildschweinauge der Bache jedoch stets wachsam. Sie lässt ihren Sprösslingen zwar freien Lauf, bleibt jedoch immer in der Nähe, um ihnen – wenn nötig – beschützend zur Seite zu stehen. Wittert sie Gefahr, fängt sie an, die Luft geräuschvoll ein- und auszuatmen. Das so genannte “Blasen” führt zu Luftverwirbelungen im Naseninnenraum und trägt dazu bei, dass eine größere Menge Duftmoleküle die Riechsinneszellen erreicht. Bei schlechtem Wind trägt dieses Verhalten erheblich dazu bei, dass die Sauen Feinde besser riechen können. Im Rüssel eines Wildschweins befinden sich über 500 Millionen Riechzellen – das sind mehr als 50-mal so viele wie beim Menschen.
Fühlt die Bache sich oder ihren Nachwuchs bedroht – zum Beispiel von durch das Dickicht streifenden Spaziergängern – und sieht keine Chance zur Flucht, kann es zu einer Begegnung der schweinischen Art kommen. Um ihre Jungen zu schützen, “bläst” die Wildschweinmutter “zum Angriff” und stürzt sich laut schnaubend auf ihr Gegenüber. Dabei kann die scheinbar träge Wildsau, die bis zu 100 Kilogramm Lebendgewicht erreicht, auf kurzer Distanz so schnell wie ein Pferd werden.
Auf den Wegen bleiben!
Mit ihren langen Eckzähnen kann die Bache ihrem überraschten und hilflosen Opfer schmerzhafte Blessuren und sogar ernsthafte Verletzungen zufügen – nicht umsonst werden Wildschweine als das einzig “wehrhafte” heimische Wild bezeichnet. Wichtig ist, ruhig und besonnen zu reagieren, wenn sich der eigene Weg mit dem einer Wildschweinfamilie kreuzt. Waldbesucher sollten zunächst stehen bleiben und dann ohne hektische Bewegungen einen weiten Bogen um die Rotte schlagen, damit die Tiere sich nicht in die Enge gedrängt fühlen.
Um frisch gebackene Wildtiereltern und ihren Nachwuchs nicht zu beunruhigen, gilt in den nächsten Wochen ganz besonders: auf den Wegen bleiben, keinen Abstecher ins Unterholz machen und Hunde anleinen. Spaziergänger und Naturfreunde, die das berücksichtigen, haben nichts zu befürchten. Denn auch wenn sie ordentlich die Sau rauslassen können, sind Wildschweine doch von Natur aus äußerst scheu und nicht auf Konflikte aus.
Fernhalten von schweinischen Städtern
Ob in Berlin, Hamburg, Potsdam oder Stuttgart: Immer mehr Wildschweine entdecken den urbanen Lebensraum für sich. Hier finden sie vielfältige Biotope – zum Beispiel Industriebrachen, verlassene Gleisanlagen, Schrebergärten und Parks sowie Friedhöfe. In puncto Ernährung sind Städte sogar ein richtiges Schlaraffenland für die anpassungsfähigen Allesfresser.
Menschen in Städten oder an Stadträndern sollten den Kontakt mit ihren schweinischen Nachbarn jedoch strikt meiden. Denn Wild bleibt wild – auch in der Stadt. Auf keinen Fall sollten Wildtiere gefüttert werden, ansonsten gewöhnen sie sich zu sehr an die Menschen. Vielmehr ist es sinnvoll, den Biomüll schweinesicher zu entsorgen, Lebensmittel- und Fleischreste nicht auf den Komposthaufen zu werfen und nachts das Haustierfutter ins Haus zu räumen.
Bürgerreporter:in:Karl-Heinz Huber aus Langenfeld |
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