Zuckerrübenernte einst und jetzt
In der zweiten Septemberhälfte beginnt die Zuckerrübenernte.
Früher war das Rübenroden harte körperliche Arbeit, die gewöhnlich von bäuerlichen Hilfskräften durchgeführt wurde. Das geschah oft im Familienverband, häufig aber durch Frauen, die damit das Familieneinkommen aufbesserten.
Die Arbeiter ließen sich einen oder mehrere Morgen Rüben zuteilen. Die Entlohnung erfolgte nach der zugeteilten Fläche, seltener im Stundenlohn.
Als Werkzeuge benutzten sie eigene Handrübenroder. Die wurden unmittelbar vor der Rübe in die Erde gestoßen/gedrückt oder mit einem Fuß in die Erde getreten (je nach Bodenbeschaffenheit und Körperkraft). In gebückter Stellung hebelte man mit einer Hand die Rübe aus dem Erdboden, die andere Hand erfasste das Kraut der Rübe und legte sie seitlich ab (Frucht an Frucht, Kraut an Kraut). Das geschah Rübe für Rübe, Reihe für Reihe, bis die Arbeit erledigt war.
Wenn das Herbstwetter nicht mitspielte, ließen dei Arbeitbedingungen sehr zu wünschen übrig. Bis zum 10. November sollten alle Rüben gerodet sein. Denn ab diesem Termin musste man in unserer Gegend mit anhaltenden Frösten rechnen. Wer dann nicht fertig war, dem konnte es passieren, dass die Rüben bis zum Ende der Rübenkampagne ( = meist vor Weihnachten) nicht mehr gerodet werden konnten,
Die in Reih und Glied liegenden Rüben mussten vom Rübenblatt befreit (geköpft) werden. Dazu schlug man mit Schlachterbeilähnlichen Geräten das Rübenblatt ab. Später benutzte man verschiedene Typen von Drückmessern. Auf Knien kriechend wurde Rübe für Rübe geköpft.
Damit war die Arbeit noch nicht getan. Jetzt mussten die Rüben zu Haufen zusammengetragen werden. Die Haufen wurden so gebildet, dass man die Rüben einigermaßen bequem und kräftesparend werfen konnte.
Wenn die Rüben erst nach einiger Zeit bei der Zuckerfabrik angeliefert werden durften, deckten die Arbeiter die Haufen mit Rübenblatt zu (Schutz vor Austrocknung)..
Das anstrengende Beladen der Ackerwagen (später Gummiwagen) geschah von Hand mit Rübengabeln. Ein Ackerwagen fasste im Durchschnitt etwa 2,5 t (2500 kg) Zuckerrüben.
In dieser Weise wurde bis in die 1950er Jahre gearbeitet. Wirtschaftswunder, Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften und zunehmender Kostendruck führten zu rasentem Wandel.
Zunächst begann man damit, die Rüben mit einem Pflug aus dem Erdboden zu pflügen. Das Köpfen geschah weiterhin mit der Hand.
Dann kamen die ersten, von Traktoren gezogenen, Rübenvollernter auf den Markt. Marktführer war jahrzehntelang die Firma Stoll aus Broistedt. Deren Maschinen rodeten die Rüben der ersten, bereits von Hand geköpfpten Reihe, köpften gleichzeitig die Rüben der daneben stehenden Reihe und so fort.
Wenn das Rübenblatt als Viehfutter dienen sollte, wurde es im Roder gebunkert und dann in Haufenreihen abgelegt. Wer das Rübenblatt nicht verfütterte, der ließ es vom Rübenroder häckseln und auf dem Lande liegen. Früher gab es noch die Möglichkeit, das Rübenblatt in der Zuckerfabrik trocknen zu lassen und erst dann als Viehfutter zu verwerten (Troblako). Heutzutage spielt das Rübenblatt bei der Viehfütterung keine Rolle mehr. Es wird gehächselt und verbleibt als Dünger auf dem Acker.
Die gerodeten Rüben wurden im Bunker des Roders gesammelt und, wenn er gefüllt war, entleert. Statt zu bunkern konnten die Rüben direkt auf einen parallel fahrenden Gummiwagen geladen werden.
Auch diese Technik gehört der Vergangenheit an. Moderne Rübenroder sind hochtechnisierte, mit vielen Raffinessen ausgestattete Maschinen, die mit ihren PS-Starken Motoren 6 Reihen gleichzeitig roden. Ihre Bunker sind so geräumig, dass die Rüben am Ende des Feldes (Vorgewende) ausgeleert und zu langen, großen Rübenmieten angehäuft werden. Es bereitet keine Probleme, auch bei Nacht zu arbeiten. Die Fahrer sitzen, wor Wind und Wetter geschützt, in klimatisiierten Kabinen.
Das Aufladen der Rüben übernimmt eine sogenannte Rübenmaus. Das ist eine große, selbstfahrende Maschine, die vor die Schmalseite der Rübenmiete gefahren wird und dort über eine mehrere Meter breite Sammelvorrichtung die Rüben selbsttätig aufnimmt. Sie werden von grobem Schmutz befreit und über eine Fördereinrichtung direkt auf bereitstehende, geräumige LKW verladen. Innerhalb weniger Stunden sind große Mengen abgeräumt.
Wenn in der Vergangengeheit während der Kampagne durch die vielen kleinen, von Gespannen oder Treckern gezogenen, Rübenfuhrwerke stets Verkehrsprobleme auftraten, so fällt das heute nicht mehr ins Gewicht, und das, obwohl viele ortsnahe Zuckerfabriken stillgelegt wurden. Die großen LKW fahren ohne auffällige Verkehrsbehinderungen riesige Rübenmengen zu den wenigen noch vorhandenen, aber leistungsfähigen, Zuckerfabriken.
Was früher von unzähligen Arbeitern zeitaufwendig durch schwere körperliche Arbeit erledigt werden musste, das verrichten jetzt wenige Arbeitskräftte mit hochtechnisierten Maschinen ohne große körperliche Anstrengung in kurzer Zeit.
Hier ein sehr interessantes Bilddokument über die Rübenernte aus dem Jahre 1996 von Hobuma38 in Youtubüber:
https://www.youtube.com/watch?v=2GfdQgPyHqs&t=17s
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Bürgerreporter:in:Wilhelm Heise aus Ilsede |
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