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Kindheitslexikon: Lundestutz, der EKG und die Alten Tanten – Traumgespenster in der Kindheit

Fast jeder hatte in seiner Kindheit nächtliche Traumgespenster. Nachfolgend die meinigen, die damals bei uns sozusagen ein- und ausgegangen sind.

Es gab mehrere Rassen von Dämonen, bei denen die einzelnen Individuen keine eigenen Namen hatten. Ich habe in den Träumen immer nur die Rassennamen erfahren. (Und: Die hatten wirklich so bescheuerte Namen! Ich habe mir das nicht ausgedacht – zumindest nicht im Wachzustand.) Dies waren im Einzelnen:

  • "Der alte Schmutz".
    Lebendig gewordene, weibliche Schaufensterpuppen ohne reales Vorbild. Der Name kam daher, weil die Menschen in der Traumhandlung sofort stets extrem angewidert aufschrien: "Iiii, der alte Schmutz!", wenn irgendwo in der Öffentlichkeit eine dieser Dämonenfrauen auftauchte. Wofür es allerdings keinen erkennbaren Grund gab. Sie ließen keinerlei feindliche Absichten erkennen, sie machten überhaupt nichts. Eigentlich war an ihnen überhaupt nichts besonders, außer der Tatsache halt, dass sie Dämonenfrauen waren. Die Ursachen für diese aggressiv betriebene Form sozialer Ausgrenzung waren für mich sowohl im Traum wie auch in der Wirklichkeit unverständlich.
  • "Die alten Tanten".
    Hierbei handelte es sich um die aus den Zwanziger Jahren stammenden weiblichen Modepuppen des Modegeschäftes Hermann Ibe auf dem Kölledaer Marktplatz, welche im Traum lebendig wurden.
    Ihr natürliches Habitat lag dort allerdings in einer anderen Dimension. Und zwar gab es in den Träumen in genau dieser anderen Dimension ein exaktes Äquivalent zu unserer damaligen Wohnung. Welche deckungsgleich auf genau derselben Stelle wie unsere lag, nur auf einer anderen Raum-Zeit-Ebene. Dort lebten "Die alten Tanten" und "Die alten Onkels".
    Die "Verbindungsnaht" zwischen den beiden Dimensionen war das lange, silberne Ofenrohr des Kohlenofens im Gästezimmer meiner Großmutter. Dieses Rohr war eine Art Transmitter, mit dessen Hilfe sie zwischen den beiden Welten "hin und her switchen" konnten. Jedes Mal, wenn sie kamen oder gingen, gab das Rohr ein metallisches Geräusch von sich, das sich wie "Pläng" anhörte.
    Natürlich kannte ich damals als Kind all diese Science-Fiction-Ausdrücke noch nicht. Ich habe es aber dennoch so geträumt.
    Ich kann mich noch erinnern, in einem Traum stand eine der "alten Tanten", es war die mit der albernen Zwanziger-Jahre-Bubikopf-Frisur (Das Grusligste an diesen Frauen war eindeutig ihr Modegeschmack!), am Tisch in der Stube meiner Großmutter, hantierte dort irgendetwas und schimpfte dabei mit mir: "Immer die Fernsehstäbe! Da kaufen wir dich nämlich mal!" – Was auch immer "Fernsehstäbe" sein mögen.
  • "Die alten Onkels".
    Die männlichen Modepuppen aus dem Modegeschäft Hermann Ibe. Waren zwar so etwas wie die Ehemänner der "alten Tanten", hatten aber rein gar nichts zu melden. Waren eigentlich bloß anwesend und sonst gar nichts. – So wie im realen Leben auch.
    Ein Sex-Leben schien es zwischen den Onkels und Tanten übrigens auch nicht gegeben zu haben. Von "alten Kindern" habe ich jedenfalls nie geträumt.
  • "Die Onkel Uhus".
    Hießen nur so, hatten äußerlich mit Uhus nichts gemein. Tatsächlich waren sie jene Schneiderpuppen, wie sie vom Design her zu DDR-Zeiten in allen Modegeschäften Standard waren. (Da gab es wahrscheinlich nur eine einzige Firma, die mehr oder weniger das ganze Land belieferte.)
    Es existierten hier zwei Unterrassen, nämlich schwarze und weiße "Onkel Uhus". Die Farbe schien allerdings in der Praxis keinerlei gesellschaftliche Bedeutung zu haben.
    Außerdem träumte ich in mehreren Träumen, dass sie sich ab und zu trafen, um irgendein geheimnisvolles Ritual namens "Hütestutz" – hatte auch wiederum nichts zu tun mit Hüten – zu praktizieren. Das kam in mehreren Träumen vor. Einmal beobachtete ich, wie ein "Onkel Uhu" seine Brüder zu dem Ritual zusammenrief: "Hütestutz! Hütestutz! Hütestutz!" Und ein anderes Mal erklärte mir meine Mutter im Traum: "Wenn Hütestutz ist, muss der Onkel Uhu her!" Na denn.
    Einmal sagte mir Mutter im Traum auch: "Wir brauchen die Uhus!"
    Wozu man solche abgefahrenen Freaks braucht, ist mir allerdings bis heute schleierhaft.
    Einmal träumte ich, wie sie im Schlafzimmer meiner Großeltern ein Parlament abhielten. So richtig mit Sitzrängen, mit Rednerpult, mit allem Drum und Dran. Wie das vom Platzmäßigen her machbar war, die Frage wurde in der Traumhandlung elegant ausgespart.

In Abgrenzung dazu die Dämonen mit Namen:

  • Lundestutz.
    Ein etwa elf- bis dreizehnjähriger Junge in der Aufmachung der frühen Siebziger Jahre. Fuhr meistens auf seinem Fahrrad in der oberen Bahnhofstraße herum.
  • "Der EKG".
    Das war keine Abkürzung für irgendetwas, der Typ hieß einfach nur so. Äußerlich sah er dem Entertainer Michael Schanze ziemlich ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass er das Haar pechschwarz hatte und etwa nackenlang trug. Was sein Alter betrifft, würde ich ihn aus heutiger Sicht auf etwa Ende 30 schätzen – sofern menschliche Zeitdimensionen bei diesem Dämon überhaupt eine Rolle spielen.
    Bei ihm kann ich mich noch erinnern, dass man sich mit ihm zwar völlig normal unterhalten konnte, wenn er aufkreuzte, die Unterhaltung aber etwas einseitig blieb. Er sagte nämlich niemals auch nur ein Wort, sondern grinste nur ab und zu unsicher. Er schien mir eine sehr verklemmte Type zu sein. Also nicht wirklich die idealen beruflichen Qualifikationen für ein Traumgespenst.
    Außerdem schien er irgendeine Affinität zu sadomasochistischen Praktiken zu haben. Einmal beobachtete ich im Traum, wie er jemanden im beiderseitigen Einvernehmen mit einem Notenschlüssel (!) auspeitschte.
    Dem heutigen Stand der Technik entsprechend würde er sich wahrscheinlich "der DVD" oder "der USB" nennen.
  • Wiedhelm.
    Kann man sich ungefähr vorstellen wie David Hasselhof mit Mitte Zwanzig. An ihm gab es eigentlich gar nichts Spezielles. Außer, dass er in einem Traum mal absichtlich mit seinem Auto, einem Sportwagen, die Holzzäune an einer Pferdekoppel kaputt gefahren hatte, weil diese irgendwelchen Verbrechern gehörte.
  • "Herr Köhler".
    Von der Erscheinung her ein Mann Mitte Vierzig, korpulent, schwarzes, glattes Haar, biederer Seitenscheitel. War insofern ein sehr ungewöhnlicher Dämon, da er auf dieser Daseinsebene einem ganz normalen Brotberuf nachging. So sah man ihn wahlweise als Lastkraftwagenfahrer oder als Baggerfahrer.
    Aber trotz dieses sehr bürgerlichen Auftretens musste er ein sehr mächtiger Dämon gewesen sein, da ich ihn einmal auch als irgendeinen Obermacker im Jenseits erlebte.
  • "Das ewige Hochzeitspaar".
    Wie der Name sagt, ein junges Brautpaar.
  • "Die Prinzessin mit den Augen".
    Hier bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich sie jemals persönlich zu Gesicht bekommen habe.
    Auch wieder total bescheuert, praktisch jedes intelligente Wesen auf Erden verfügt über Augen.
  • Monika.
    Lebte übrigens auch in einer Paralleldimension.
  • Sina.
    Auch eine lebendig gewordene Schaufensterpuppe von der Machart der "alten Tanten", aber ohne reales Vorbild. Ich erlebte sie nur einmal, wie sie an einem Tisch etwas fleißig schrieb.
  • "Die Hutfrau".
    Ebenfalls eine Schaufensterpuppen-Frau. Ihre Besonderheit war, dass sie einen dieser pilzförmigen vietnamesischen Strohhüte trug.
  • Lilo.
    Sah aus eine Puppe aus der Sesamstraße, die eine fünfzigjährige Frau darstellen sollte. Konnte Menschen, die schlecht zu ihr waren, Übergewicht anhexen und auch wieder verschwinden lassen.
  • Die Spürn.
    Es gibt Träume, in den man träumt, dass man aufwacht, in Wahrheit schläft man jedoch noch.
    In einem solchen Traum tauchten die Spürn auf. Mutter und ich lebten damals noch in der Wohnung meiner Großeltern. Wir hatten da ein eigenes Zimmer mit zwei Betten, Mutters Bücherwand und meinen Spielsachen.
    Ich träumte also, dass ich mitten in der Nacht aufwachte. Alles sah im Traum in unserem Zimmer haargenau so aus wie in de Realität. Das, was mich geweckt hatte, war ein Sprühregen am Fenster gleich neben meinem Bett, welches zum Garten führte. Es war jedoch ein künstlich erzeugter, sehr fein dosierter Sprühregen.
    Auch Mutter erwachte und sagte ganz erstaunt: "Ach, die Spürn!" Das Wort hatte in dieser Traumwelt scheinbar eine Bedeutung.
    Nun stand ich in meinem Bett auf und sah zum Fenster hinaus in die Nacht. Da entdeckte ich den Regenerzeuger. Es war ein Mann so in den Dreißigern, Vierzigern. Er hatte seine Sprühaktion beendet und kletterte gerade eine Leiter herunter, die an das Haus angelehnt war. (Wäre vom Technischen her unmöglich gewesen, das Zimmer befand sich im ersten Stock.) Als der Mann auch mich entdeckte, lachte er mich freundlich an.

Dämonen mit gar keinem Namen:

  • Einmal saß ich oben in der Wohnung auf der kleinen Holzkiste gleich hinter der Wohnungstür. Es war in der Nacht. Die ganze Wohnung war leer.
    Draußen im Treppenhaus, die Korridortür stand offen, erschien vorm Fenster plötzlich eine junge Frau in den Zwanzigern. Man sah nur ihren pechschwarzen, scherenschnittartigen Umriss. Sie stand da reglos und beobachtete mich.
  • Eine Dämonenfrau, die mal bei uns in der oberen Wohnung zu Gast war, sah aus wie eine ungefähr 70-jährige Frau, hatte jedoch statt einer Nase einen Elefantenrüssel im Gesicht. Sie wirkte damit fast ein wenig wie ein weibliches Gegenstück zu dem indischen Elefantengott Ganesha, den ich erst viele Jahre später kennenlernte.

Vom Optischen her gab es unter diesen Dämonen drei Gruppen:

  • Zu hundert Prozent in menschlicher Gestalt erscheinende Dämonen:

+ Lundestutz.
+ "Der EKG".
+ Wiedhelm.
+ "Herr Köhler".
+ "Das ewige Hochzeitspaar".
+ Die Spürn.

  • Folgende Dämonen gehörten dem äußeren Erscheinungsbild nach zu ein- und derselben Rasse, nämlich der der lebendigen Schaufensterpuppen:

+ "Der alte Schmutz".
+ "Die alten Tanten".
+ "Die alten Onkels".
+ Sina.
+ "Die Hutfrau".
+ Eventuell auch die "Prinzessin mit den Augen", aber hier bin ich mir, wie gesagt, nicht so sicher, weil ich sie nicht so oft gesehen habe.

  • Total abgefahren:

+ "Die Onkel Uhus".
+ Monika. (Sie war von ihrem Verhalten her zwar in keiner Weise bedrohlich, und ich
habe auch kein Problem damit, über sie zu sprechen, aber dennoch möchte ich aus
Rücksicht auf sensiblere Leserinnen und Leser nichts zu ihrem Äußeren schreiben.)

Bemerkenswert war übrigens, dass praktisch alle diese Dämonenwesen sich völlig friedfertig gebärdeten und keinerlei feindliche Absichten erkennen ließen. Bösartig waren eigentlich nur "Die alten Tanten".
Die "Tanten" waren bösartig, herrschsüchtig und notgeil – eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Frauen aus meinem damaligen sozialen Umfeld waren rein zufällig und vom Traumdrehbuchschreiber in keiner Weise beabsichtigt … Vor allem ihr starker sexueller Aspekt war auffallend. Dies machte sie zu sehr ambivalenten Wesen. Einerseits waren sie "die Bösen". Andererseits jedoch lösten die nächtlichen Interaktionen mit ihnen bei mir im Traum extrem starke erotische Gefühle aus. Irgendwie wussten sie genau, auf welche Knöpfe sie bei mir drücken mussten, um bei mir ein wahres Feuerwerk erotischer Gefühle auszulösen. Mit meinem heutigen mythologischen Wissen möchte ich sie daher fast ein wenig mit Sukkuben vergleichen.
Ambivalent waren sie auch in anderer Hinsicht. Einerseits machten sie natürlich auf böse, Kinder erschreckende Traumgespenster, das war ihr Job. Aber andererseits hatte ich manchmal fast das Gefühl, als ob sie wüssten, dass ich es war, der in diesem Traumuniversum die Fäden in der Hand hielt. Denn zweimal boten sie von sich aus an, zu verschwinden, wenn ich keinen Bock mehr auf sie habe. Nach dem ersten Mal sind sie echt für eine lange Zeit nicht mehr wiedergekommen, nach dem zweiten Mal praktisch nie wieder.

Ebenfalls festhaltenswert: All diese Gespenster lebten in ein- und demselben Pantheon, demselben Traumuniversum. Denn ich weiß noch genau, wie eine der alten Tanten, es war die mit dem Bubikopf, von der Prinzessin mit den Augen erzählte.

Und: Diese Geister hatten, von einer einzigen Ausnahme abgesehen, nicht die übliche Traumgespenster-Marotte, unbeweglich in irgendeiner Zimmerecke zu stehen und einen von dort aus unentwegt stumm anzustarren. Sie spukten in den Träumen nicht um Mitternacht in irgendwelchen Schlosskellern herum, sondern waren bei Tageslicht ganz normale Bestandteile des Alltagslebens. Ich möchte sogar behaupten, sie hatten irgendwie etwas Bürgerlich-Biederes an sich.

Aufgetaucht sind diese Kreaturen so ungefähr zwischen 1980 und 1985, grob geschätzt.
Auffallend auch, dass nach dem ersten Auftauchen der "alten Tanten" der "alte Schmutz" nie wieder etwas von sich hören ließ. Kein einziges Mal! Man kann daher den "alten Schmutz" als fast so etwas wie das "mythologische Vorgängermodell" der "alten Tanten" bezeichnen.

Ist schon eine Wissenschaft für sich mit diesen Freaks …

Da diese Wesen sehr häufig in meinen Träumen erschienen und dort teilweise auch mit realen Personen interagierten, kam es mir manchmal rein subjektiv – ich betone, wirklich nur rein subjektiv – so vor, als ob alle anderen Menschen diese Wesen ebenfalls kennen müssten. Dass ich auf der ganzen weiten Welt der einzige Mensch bin, der sie kennt, kam mir manchmal vom Gefühlsmäßigen her fast ein bisschen unwirklich vor.

Jahre später, als der Grusel-Faktor dieser Wesen längst erloschen war und sie mittlerweile nur noch ein Stück Kindheitsfolklore waren, dachte ich manchmal im Wachzustand: Eigentlich könnten die ja wieder mal bei mir vorbeisehen. Und wenn es nur aus Höflichkeit ist. Auch wenn sie als Kind Gruselgespenster waren – mit ein paar Jahrzehnten Abstand gehörten sie dann doch irgendwie zur Familie dazu. Heute würde ich den Original alten Tanten und Onkels sogar Asyl auf meinem Dachboden gewähren.
Aber Fehlanzeige! KEIN Lebenszeichen haben sie mehr von sich gegeben. Kein Lundestutz mehr, keine Sina mehr, und EKG gab es auch bloß noch beim Arzt. Sie sind einfach alle fortgegangen und haben mich allein zurückgelassen. Bloß weil man sich nicht mehr vor ihnen gruselt, ist man denen offenbar nicht mehr fein genug! Da kennen sie einen nicht mehr, da wollen sie nichts mehr mit einem zu tun haben! Pfui Deibel! Eine saubere Sorte Kindheitsgespenster ist das!

Dabei würde es mich schon interessieren, was die heute machen. Spuken die inzwischen in anderen Kindergehirnen herum? Oder haben die sich vollkommen aus dem Show-Geschäft zurückgezogen? Befinden die sich in der 23. Dimension irgendeiner Esoterikersekte?
Einen Facebook-Account hat übrigens keiner von ihnen, das habe ich überprüft …
Auch bei der Wikipedia war nichts über sie zu finden. (Mal im Ernst, das wäre ziemlich abgefahren, wenn ich nichtsahnend das Online-Lexikon aufmache und da dann plötzlich lese: "Lundestutz ist ein ostdeutscher Traumdämon von Christoph Altrogge. Seine hervorstechendste Eigenschaft ist es, mit einem Fahrrad in der Bahnhofstraße der Stadt Kölleda herumzufahren.")

Oder sie sind alle in der Marktwirtschaft angekommen und haben sich selbstständig gemacht:
Lundestutz bietet geführte heimatgeschichtliche Fahrradexkursionen durch Bahnhofstraßen an.
Herr Köhler betreibt einen Nostalgie-Abenteuerspielplatz für Erwachsene, auf welchem man mit Lkw und Bagger aus alten DDR-Zeiten herumkurven kann.
Die Hutfrau hat ein Modistinnengeschäft eröffnet.
Gleich mehrere Dämonenwesen sind ins Erwachsenenbildungsgeschäft eingestiegen und bieten Kurse zu verschiedenen Themen an:
"Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung Augenoptiker". Leiterin: Die Prinzessin mit den Augen.
"Ehevorbereitung". Vortragende: Das ewige Hochzeitspaar.
"Rhetorik und Kommunikation". Vortragender: Der EKG.
"Griesgrämigkeit und Herrschsucht speziell für die Frau 50 plus". Vortragende: Die alten Tanten.

Dämonen und sonstige merkwürdige Träume, die erst im Erwachsenenalter aufgetaucht sind:

  • Das älteste Weinen der Stadt: Einmal hatte ich einen äußerst philosophischen Traum. Ich befand mich in einer Stadt mit engen, hohen, alten Straßen. Die Architektur erinnerte ein wenig an Städte in Italien.
    Ich war durch die abrupte Beförderung an diesen eigenartigen Ort ziemlich desorientiert. Daher sprach ich einen Passanten an: "Wohin muss ich hier gehen?"
    Der Einheimische riet mir: "Gehe zum ältesten Weinen der Stadt! Es wird dir den Weg weisen."
    Und das Eigenartige: Ich wusste instinktiv, welchen Weg ich wählen musste.
    Bald darauf hatte ich mein Ziel erreicht. Es befand sich in einer engen, hohen Gasse aus sandsteinfarbener Architektur. Direkt vor mir, eingebettet in die Architektur der Straße, befand sich ein hohes, altes, turmartiges Torhaus. In seine Oberfläche waren die Umrisse von zwei langgezogenen, großen Wassertropfen hineingemeißelt worden. Ich verspürte sofort die starke spirituelle Ausstrahlung dieses Ortes.
    Und hinter den Mauern vernahm ich ein klagendes Weinen.
    Das, was da existierte, war kein Mensch. Es war kein Alien. Es war kein Geist. Es war auch kein Gespenst. Es war überhaupt kein Wesen. Es war – einfach nur ein Phänomen. Es war einfach das, was es war. Etwas, für das es kein Wort gab.
  • Hisdom: Dieser Traum spielte in den Zwanziger Jahren. Ein junger Amerikaner mit dem eigenartigen Namen Hisdom, so schätzungsweise Jahrgang 1895, gekleidet im Stil der Zeit, sang auf einer Kabarettbühne und bewegte sich dazu tänzerisch. Er schien direkt so etwas wie eine Manifestation des Geistes der Zwanziger Jahre zu sein.
  • Ein grotesker, kleiner Gnom aus einem Traum nannte sich "der Zwerg Edathy". Irgendwie musste wohl der Name des sozialdemokratischen deutschen Politikers bei mir im Unterbewusstsein hängen geblieben sein. Im Traum war dieser Zwerg eine Art Torwächter zu einer Paralleldimension, die im Prinzip genauso aussah wie unsere bekannte Erde, in der jedoch ewige Nacht herrschte. Ich habe mich mit ihm im Traum vollkommen normal unterhalten. Er sprach irgendeinen deutschen Akzent.
  • Eine weitere Figur – und ich bitte hier gleich vorab, mich nicht unter Rassismusverdacht zu stellen – trug den Namen "die Muslim-Schlampe". Es handelte sich dabei um eine Dämonenfrau, die ihr groteskes Äußeres hinter einer Vollverschleierung mit Augenschlitz verbarg, wie man es bei manchen islamischen Frauen sieht. Ich lebte zu dieser Zeit bereits im multikulturellen Wiener Stadtbezirk Ottakring, da hat wahrscheinlich die Umgebung auf die Träume abgefärbt. Wie gesagt, der Name "Muslim-Schlampe" war die selbst gewählte Eigenbezeichnung dieser Dämonin im Traum!
    Ich nehme an, sie wollte durch diese Selbstverleihung einer negativ konnotierten Bezeichnung ihre Natur als ein negativer Dämon unterstreichen. Oder anders gesagt: Sie wollte vermitteln: Huuuh, ich bin eine Böse, fürchtet euch vor mir!
    Da ich schon gerade beim Bezirk Ottakring bin: Manchmal, wenn ich in den Straßen an einem der zahlreichen türkischen Modegeschäfte mit der entsprechend folkloristischen Mode in der Auslage vorbeikam, musste ich beim Anblick der Modepuppen schmunzeln und denken: Das sind "Ülte Tünten"!
  • Ein Traum im Mai 2016: Ich befinde mich – als Zivilperson – in irgendeiner Kaserne. Alarm wird ausgelöst. Deutschsprachige Soldaten und Soldatinnen laufen eilig, aber nicht hektisch umher. Irgendein Soldat ruft: "Ruft doch mal Gruftulus und Bollinger!"
  • Kurze Zeit später träumte ich, wie ich mich in irgendeinem Garten befand. Dort öffnete sich eine krokusartige Blüte und ein voll ausgebildeter Singvogel stieg empor.
  • Anfang Juli 2016 träumte ich mal ganz kurz, wie sich ein etwa zehnjähriges Mädchen mit seiner gleichaltrigen Geisterfreundin aus der Barockzeit traf.
  • Noch Juli 2016: Ich ging durch eine düstere, sehr verfallen und heruntergekommen wirkende Marktpassage. In einem ehemaligen Geschäft links von mir stehen ein Mann und eine Frau und küssen sich nackt. Ein paar Geschäfte weiter werde ich Zeuge, wie sich ein Fleischer sehr aufgebracht und empört gegen irgendwelche Vorwürfe zur Wehr setzt.
  • August 2016: Irgendeine Wohnstube. Auf einem Sofa sitzt ein Mann und küsst leidenschaftlich eine Kreatur, die irgendwie halb Frau und halb weißer Wolf ist.

Flugträume: Habe ich manchmal. Während sich die meisten Menschen in ihren Flugträumen wie Vögel vorwärts bewegen, sind es bei mir zwei Arten. Die eine: Ich schwebe aufrecht stehend in ungefähr einem Meter Höhe nach vorn. So, als würde ich auf einem unsichtbaren Fahrzeug stehen. Die zweite: Ich fahre in ungefähr derselben Höhe auf einem unsichtbaren Skateboard.
In einem Traum wirbelte es mich mal wie ein Blatt von einem Baum durch die Luft.

Ich möchte abschließend noch von meinen "Horror-Komödien" berichten. Denn manche angeblichen Alpträume, die ich irgendwann mal hatte, wiesen eigentlich eher die "künstlerische Form" einer Horrorkomödie auf.
Einmal ging ich bei Tag die Albert-Träger-Straße, meine alte Straße in Kölleda, entlang. Auf der Westseite. Ungefähr 16 war ich da gerade. Die Straße war vollkommen leer. Abgesehen von einem Mann, der mir von weitem auf meiner Seite entgegenkam.
Als wir uns ungefähr auf der Höhe unseres damaligen Hauses begegneten, bemerkte ich, dass er ein Skelett war. Er trug einen schwarzen Ledermantel, einen schwarzen Lederhut – und darunter steckte ein Skelett!
Ich begrüßte ihn mit den Worten: "Hallo, Knochi!"
Daraufhin sah er mich etwas verunsichert an und lief schnell in die Richtung weiter, aus der ich gekommen war.
Auch ungefähr in dieser Zeit geträumt: Es ist Morgen. Ich bin schon wach, sitze aber noch im Bett. Um mich herum stehen lauter Monster. Und die sehen abgefahren aus, wirklich abgefahren. Ich empfinde die Situation aber als vollkommen normal.
Meine Mutter kommt zur Tür herein und sagt völlig entsetzt: "Um Gotteswillen, was ist denn hier los?"
Darauf sage ich wörtlich: "Ich versuche gerade, Monstern parlamentarische Demokratie beizubringen!"
Viele Jahre später. Ich stehe mit meiner Mutter in einem Wohnblock. Vor uns liegt eine Glastür, hinter der sich ein Flur mit den Eingängen zu etlichen Apartments befindet.
An dem Wohnungseingang direkt in unserer Nähe befindet sich ein entfernt humanoid aussehendes männliches Monster. Es schließt gerade die Tür auf. Über seiner Schulter liegt eine bewusstlose Frau. Ich sage bei dem Anblick: "Eh, guck mal, da ist ein Monster!"
Also nicht: Huch, ein Monster! und: Das ist ja schrecklich!, sondern: Ach, da ist ja ein Monster! Na, das ist ja interessant! Was macht denn das da?
Wir lebten schon lange in Österreich, da träumte ich einmal, ich befände mich in unserem alten Garten in Deutschland. Es war Mittag und ziemlich heiß. Mit mir befand sich ein Blutsaugerdämon im Garten. Wenn man den Garten geistig in vier Quadrate unterteilte, stand er ungefähr in der Mitte des südöstlichen Quadrats. Sein Äußeres war fast zur Gänze menschlich. Einzig im Gesicht wies er irgendwelche zickzackförmigen Entstellungen auf.
Er grinste siegessicher und wollte sich auf mich stürzen, um mich auszusaugen.
Doch praktischerweise hatte ich gerade ein magisches Messer zur Hand. Dieses rammelte ich mehrfach in ihn rein. Plötzlich löste er sich in Luft auf.

Da es thematisch gerade zum Kapitel passt: Wie mir berichtet wurde, soll ich mich, als ich elf Jahre alt war, einmal im Schlaf aufgerichtet und mit staatstragender Stimme verkündet haben: "Das Türkenreich wird aufgelöst!!! I C H übernehme das Türkenreich!!!"
Danach habe ich mich angeblich wieder hingelegt und normal weitergeschlafen.
Erinnern konnte ich mich am nächsten Morgen jedenfalls an nichts. Aber das ist so bescheuert, das kann sich keiner ausgedacht haben.

Hallo, Hollywood-Regisseure! Falls ihr wieder mal einen Film im "Twin Peaks"-Stil dreht – ich verkaufe euch die gesamte Freakshow zu einem Sonderpreis! Meldet euch bei mir!

Und, da mir die Frage so schon einmal gestellt worden ist: Nein, ich habe nicht auf Koks eine Folge "Supernatural" gesehen. Ich habe das als Kind wirklich alles so geträumt, wie ich es hier geschildert habe.

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2 Kommentare

Unglaublich ...
Man sollte tatsächlich über seine Träume Buch führen. Vielleicht lassen sich ja daraus wertvolle Erkenntnisse ziehen!
Gruß Eugen

Danke, Eugen und Conny!

Eugen: Ich hoffe bloß, dass diese verrückten Träume nicht allzu viel über mich persönlich aussagen!!! Das wäre verheerend! :-)

Herzliche Grüße aus Wien und einen guten Start in die neue Woche

Christoph

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