Kindheitslexikon: Haushalt

Bucheckern: Nach dem Krieg haben wir im Beichlinger Wald Bucheckern für Öl gesammelt. Das ging ungefähr bis Mitte der Fünfziger Jahre. Jedes Jahr im Herbst im Beichlinger Wald, nach dem Schloss die Straße ein Stück hoch, da standen etliche Buchen. Gleich vor Ort, wenn es ging, wurden die stachligen Spelzen abgemacht. Wenn wir viel gesammelt hatten, saßen wir mehrere Abende am Küchentisch und lösten mit den Fingernägeln die biegbaren, braunen Schalen ab. Die Kerne kamen in einen Topf oder eine Schüssel. Großmutter ging dann zu Onkel Ottos Bruder, dem Fotografen Kurt Rudel in der Brückenstraße. Er besaß eine kleine Ölmühle in seiner Wohnung über dem Fotografengeschäft.
Zu ihm brachten wir übrigens auch den Mohn, den wir in Urgroßvater Hermann Eineckes und Lehmanns Garten selber angebaut hatten, um ihn ebenfalls mahlen zu lassen.
Von beidem nahmen wir in einem Gefäß die ausgepressten Rückstände wieder mit heim. Dort bekamen es die Hühner als Futter. Einmal hatten wir von den Mohnrückständen einen ganzen Sack voll, welcher unten bei Eineckes in der Schlafstube stand. (Daneben stand übrigens immer ein großer Zuckersack mit Zucker. Er reichte für Jahre.)

Fäkalienabfuhr: Ein vielleicht etwas unappetitliches Thema. Zunächst eine vage Beschreibung einer Zeitzeugin, wie es bis in die 1950-er Jahre hinein funktionierte:
Vor dem Hof der Nachbarn stand ab und zu ein langer Tank, in dem die Jauche transportiert wurde. (Wir selber bestellten dieses Fahrzeug nicht, weil wir damals kein Geld hatten.) Davor befand sich ein Traktor-ähnliches "Ungeheuer", das sehr laut ratterte, aus einem "Schornstein" qualmte und aus diesem in unregelmäßigen Abständen Feuer und Funken spuckte!! S e h r beeindruckend!
Dicke Schläuche verbanden Jauchegrube, "Ungeheuer" und Jauche-Tank. Ab und zu flog ein Deckel des Tanks oben krachend auf und zu.
Gespenstisch!

Zu meiner Zeit kam ein Spezial-Lkw, welcher die Grube mit einem Schlauch leer pumpte. Auch zu uns. An den Lkw-Typ kann ich mich nicht erinnern, da ich ihn aus irgendwelchen Gründen nie von vorn gesehen habe, wenn er bei uns war. Ich würde aber, soweit ich mit den Einsatzzwecken der Ost-Lastkraftwagen vertraut bin, vorsichtig auf einen W 50 tippen.

Fit: Fettlösendes Geschirrspülmittel aus dem VEB Fettchemie Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz. Für die Form der Flasche stand übrigens der "Rote Turm" Pate, das Wahrzeichen der Stadt Chemnitz. Und das Maskottchen der Firma war ein stilisierter Wassertropfen mit Gesicht.

Bohnerwachs: Ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Pflege von Linolfußböden. Die Plastik-verpackungen, in denen sich der Stoff befand (man musste ihn herausdrücken) kann man sich von der Form her wie parallelogrammförmige Würste vorstellen. Es gab drei Sorten in dieser Verpackung. Eine in weißer Farbe, eine in Orange, eine in Braun. Wobei ich mir jetzt nicht mehr hundertprozentig sicher bin, ob es sich dabei um die Verpackungsfarbe oder die Produktfarbe gehandelt hat. Das kann ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen.
Außerdem kann ich mich erinnern, dass die Substanz sehr "chemisch" roch.

Kohleanzünder: Ganz früher mal hackte mein Großvater Walter Müller ganz schmale Holzspänchen zum Kohleanzünden.
Später dann, zu meiner Zeit, verwendeten wir bei uns zu Hause oft Kohleanzünder. Dies war auch erforderlich aufgrund der minderwertigen Qualität der Briketts, die mit jeder Menge Fremdstoffen verunreinigt waren und oft dementsprechend schwer entflammten.
Die Kohleanzünder wurden in Form abgepackter Platten geliefert. So eine einzelne Platte hatte annähernd DIN-A4-Format und eine Dicke von ungefähr drei, vier Zentimetern.
Es gab zwei Sorten. Die eine war weiß und sah aus wie Tafelkreide. Die andere war naturbraun und hatte ein sehr "krümeliges" Aussehen.
Die weiße brannte, wenn ich mich richtig erinnere, etwas besser.

Kokosmatten: Waren zu DDR-Zeiten eine verbreitete Fußabtreterart.

Luftkoffer: Material ist größtenteils aus Kunstfaser gewebter Stoff mit stabilem Rahmen. Der Boden und der schmale Rand sind ringsum mit einer stabilen Plastikfläche verstärkt. Die Vorderseite geht mit einem Reißverschluss zu öffnen und zu schließen, sodass die ganze Fläche aufklappt. Auf dem Boden befinden sich außen meistens vier halbrunde Kugeln als Füße.
Die Koffer waren aufgrund des Materials extrem leicht, sodass sie sehr gern für Reisen verwendet wurden. Außerdem konnte man sie mit Gepäckstücken sehr intensiv befüllen, sie beulten dabei lediglich leicht aus.

Müllabfuhr: Direkt nach dem Krieg erfolgte eine noch sehr einfache Müllabfuhr, so, wie es eben in diesen armseligen Zeiten möglich war.
Ein Pferdegespann zog einen einfachen, langen Wagen, der an den Seiten hohe Planken hatte und auch vorn und hinten geschlossen war. Über diese hohen Planken kippten die beiden Müllkutscher die "Aschen-Demper" mit kühnem Schwung.
Die "Demper" waren alte, meist sehr verbeulte Aschenkübel, in die a l l e r Müll, auch Asche und manchmal Glut, geworfen wurden. So glimmte da manchmal eine ganze Weile noch etwas stinkend vor sich hin – es "demperte", daher der Name.

Zu meiner Zeit wurde die Müllabfuhr bereits zur Gänze von orangen Müllfahrzeugen vom Typ Škoda 706 RT aus der Tschechoslowakei übernommen. Die Tonnen – welche damals noch keine Räder am Boden besaßen, wurden von den Müllmännern seitwärts zum Fahrzeug gerollt und eingehängt. Die Entleerung erfolgte dann schon pneumatisch per Knopfdruck.

Es muss so Anfang/Mitte 1988 gewesen sein, als die Fahrzeugflotte plötzlich aus einer optisch sehr veränderten völlig neuen Generation von Škoda Lkw bestand.

Nähmaschinen: Meine Großmutter besaß eine Dürkopp, meine Großtante Lisa, ihre Schwester, eine dieser amerikanischen Singer, die in Deutschland in Lizenz gefertigt wurden. Dürften vom technischen Standard her aber ungefähr gleichwertig gewesen sein.

Schuhe: Nach dem Krieg gab es nur wenig Lederschuhe, beziehungsweise hatten die Leute kein Geld für so etwas. Viele Kinder trugen im Sommer so genannte Holzklappern. Das waren Sandaletten mit Lederriemen, deren Sohlen aus Holz bestanden. Und die beim Laufen dementsprechend klapperten.
Wenn es kühler wurde, genügte das nicht mehr, und viele Leute kauften dann für die Kinder Halbschuhe aus Igelit, die nicht so teuer waren. Igelit ist ein ehemals eingetragener Handelsname für ein Weich-PVC. Eine weiche, biegbare Plastikmasse, damals fast immer organge-gelb. Diese Schuhe wurden aber bald abgeschafft, weil sie gesundheitsschädigend waren. Die Füße schwitzten sehr und entzündeten sich. Aber es war für die Notzeit erst einmal ein Behelf. (Unserer Familie blieb dieses "modische Accessoire" übrigens erspart.)

Tannengrün: Im Winter, wenn es geschneit hatte, legten wir immer breite Zweige Tannengrün zu Füßen der Außentreppe unseres Hauses, damit man sich darauf die Schuhe wirksamer abstreifen konnte.
Und mit kleinen Zweigen Tannengrün, alle ordentlich mit den Spitzen nach oben ausgerichtet, deckten wir die Gräber meiner Urgroßeltern auf dem Friedhof ab.

Uhren: In der Küche in unserer Wohnung unten hatten wir mal eine Wanduhr in Form einer stark stilisierten Eule. In dem nachempfundenen Eulenkopf befanden sich tatsächlich zwei Augen, die im Sekundentakt hin- und herwackelten. Das Gehäuse, weiß ich noch, bestand aus rotem Plastik.

Waschmaschine: Meine Großtante Lisa, die Schwester meiner Großmutter Helene Müller, schaffte sich zusammen mit ihrem Ehemann Otto so um das Jahr 1957 herum eine Waschmaschine an. Damit war sie eine der ersten Waschmaschinenbesitzerinnen in unserer Stadt.
Es handelte sich dabei um eine "Schwarzenberger". Die erzgebirgische Stadt Schwarzenberg war in unserer Region so etwas wie das führende Zentrum in der Waschmaschinenproduktion.
Das war damals natürlich noch ein ganz einfaches mechanisches Modell. Das Waschprogramm vom Handy aus mit einer App anzuwählen, daran war damals freilich noch nicht zu denken …
Wir kauften unsere erste Waschmaschine vermutlich im Frühjahr 1976. Meine Großmutter hat danach noch ein paar Monate mit der alten Wäscherumpel weitergewaschen, bis sie schließlich auch von den Vorteilen der modernen Technik überzeugt war.
Sie hielt sehr lange, bis dann, jetzt muss ich auch wieder raten, Mitte/Ende der Achtziger die Anschaffung eines neuen Modells erforderlich wurde.

Bürgerreporter:in:

Christoph Altrogge aus Kölleda

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