Ein Weinfest auf dem Lande - Teil 4

Die Schirmbar der "Aktiven Jugend Retz" auf einer Aufnahme vom Sonntag Nachmittag des Retzer Weinlesefestes, als die Sonne schien. An jenem Sonnabend Nachmittag hingegen war es trüb.
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Wieder eine meiner Jugenderinnerungen aus den Neunzigern:

Kapitel 38. 11.: Sonnabendnachmittag – Auf dem Hauptplatz

Kapitel 38. 11. 1.: Küche und Keller der Region tafeln im Überfluss auf

Auf dem Hauptplatz herrschte gerade mittelmäßiger Betrieb. Es war weniger, als ich es schon bei anderen Volksfesten gesehen hatte. Ich vermutete, dass vor allem das Fußballspiel die Gästeströme auf sich zog.

Ich betrat die Platzinnenfläche gegenüber vom Posteingang. Dort beschloss ich, meinen Rundgang gleich an Ort und Stelle zu beginnen.
Ein Schild mit der Aufschrift "Hauervinothek" befand sich am Dach des ersten Standes.

Die "Weinstadt Retz" folgte, wo Stadtamtsdirektor Piglmayr gerade Verkaufsdienst hatte. Er schenkte in dem Augenblick einem Kunden aus. Einen seiner hausgemachten Hagebuttenschnäpse, wie ich von weitem durch Satzfetzen mitbekam. Ansonsten wurden in der Hütte neben verschiedenen Sachen zum Essen Marillenbrand, Rotweinlikör und verschiedenste Weine angeboten. Alles jeweils auch zum Mitnehmen in der Flasche, wie ich den handgeschriebenen Tafeln im Inneren entnahm.

Die ÖAAB-Ortsgruppe folgte.

Ihr wiederum schloss sich die Bezirks-ÖVP an. Eine Vielzahl hausgemachter Kuchen- und Tortenstücken waren auf dessen Verkaufsfläche ausgebreitet. Leopoldine Neubauer, die Vorsitzende der Retzer ÖVP-Frauenbewegung, stand im Inneren der Bude.

Das Weingut Langenbrock aus Obernalb kam als Nächstes. Ich erinnerte mich, wie es beim Heurigenkranzaufziehen am letzten Abend vor dem Rathaus kostenlos einen seiner Weine ausgeschenkt hatte. Eine Unzahl von Weiß- und Rotweinflaschen befand sich in Regalen entlang der Innenwände. Vor der Hütte standen mehrere Leute, welche gerade Proben davon in Viertel- und Achtelgläsern bezahlten.

Rechts tauchte inzwischen zu Füßen des Rathauses die Holztribüne auf. Deren Geländer ringsherum waren inzwischen mit frischem Tannengrün geschmückt worden.

Die Hütte der Pizzeria beim Verderberhaus schloss sich an. Sie war als einzige von den Holzhütten nicht viereckig, sondern rund. Auf provisorischen Öfen in ihrem Inneren wurden handtellergroße Pizza-Spezialanfertigungen für das Essen im Stehen gebacken.

In der Nachbarschaft des Pizzaverkaufes stand der altmodisch wirkende, hölzerne Leiterwagen. Auf ihm die Strohpuppe und das Holzfass, aus welchem "Sturm" ausgeschenkt wurde. Gleich neben dem Wagen befand sich, ebenfalls dem Mann gehörend, der den Sturm verkaufte, ein Metallstativ. In dessen Mitte hing an einer Kette ein Kessel, in welchem Maiskolben kochten.

Gegenüber tauchte unterdessen die Schirmbar mit den besprayten Metallfässern als Tischchen auf. Die "Aktive Jugend" schenkte dort Cocktails aus, um Geld für die Renovierung des Schüttkastens hereinzubekommen.

Mehrere Kunsthandwerkstände folgten.

Der nächste Stand, der auf Kulinarisches ausgerichtet war, war der des Tennisclubs. Er befand sich bereits auf der Höhe vom Eingang zur Rathauskapelle. Als ich dort ankam, geriet mir der Eingang vom Chinarestaurant ins Blickfeld. Mir kam die Idee, einmal kurz bei dem Kaspertheater vorbeizusehen, das dort gerade für die kleinen Kinder abgehalten wurde. Nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, überquerte ich die Straße in die entsprechende Richtung.

Die Bäckergasse zog vorbei, deren Zugang anlässlich des Festes mit einem Holzzaun abgesperrt worden war. Zwei Hauseingänge weiter kam ich an der Backstube von Finanzstadtrat Gold vorbei. Ein Mann überquerte gerade mit einem Korb voller Semmeln den Fußweg. Offensichtlich holte er Nachschub für irgendeinen Stand.

Ich dachte wieder daran, wie wir vor Monaten in dem Restaurant einmal Mittag gegessen hatten. Es war die Zeit, als wir noch sämtliche gastronomischen Einrichtungen der Stadt durchtesteten. Im Gegensatz zu einigen anderen China-Restaurants, die ich bisher gesehen hatte, verzichtete man völlig auf überladenen China-Kitsch. Es herrschte stattdessen eine perfekte Symbiose zwischen typisch weinviertlerischem und chinesischem Interieur. Das Essen war zwar reichlich und gut sättigend. Jedoch ohne auch bloß die Spur von Völlegefühl zu hinterlassen. Was bei meinem schon seit etlichen Jahren gründlich ruiniertem Magen fast an ein Wunder grenzte.

Nur noch wenige Meter lag der Eingang entfernt. Geradeaus, am Beginn der Vinzenzigasse, befand sich wie vor der Bäckergasse ebenfalls eine hölzerne Absperrung. Angehörige der Retzer Feuerwehr in ihren militärgrünen Uniformen kontrollierten gerade die Eintrittsmarken ankommender Touristen.

Ich betrat den wie immer sehr italienisch wirkenden Arkadenhof des Restaurants. Dort war die Vorstellung bereits in vollem Gange. Der halbe Hof war von Eltern mit ihren kleinen Kindern besetzt. Die Kleinen riefen gerade irgendetwas durcheinander als Antwort auf eine Frage der Puppenspielfigur. Schließlich entdeckte ich auch die Bühne. Sie stand am Ende des Hofes, kurz bevor es zur Klostergasse ging. Ihre Vorderwand war auf verschiedene Arten farbig gestaltet worden. In ihrem Schaufenster befanden sich ausgesägte und ebenfalls bemalte Bäume und Sträucher, zwischen denen die Handlung spielte.
Am Rande des Geschehens stand diese attraktive junge Kellnerin mit dem langen Pferdeschwanz, welche sich ungefähr in meinem Alter befinden musste, und sah von weitem ebenfalls mit zu. Die, bei der ich zu Trinken immer gezielt Sprite bestellte, um sie dazu zu bringen, zur Bestätigung "Spleit" zu sagen, was ich so gern hörte. Kurz nachdem ich sie bemerkt hatte, rief sie irgendetwas auf Chinesisch in das Innere des Gebäudes.
Wieso erscheinen denn eigentlich nicht knapp über dem Pflaster die deutschen Untertitel, damit ich auch etwas mitkriege, ging es mir ironisch durch den Sinn.
Oje, dachte ich. Mein Filmtick nimmt langsam besorgniserregende Ausmaße an.

Etwa eine Viertelstunde später stand ich wieder vor dem Tor. Ich überquerte die Straße in Richtung Tennis-Club-Stand, wo ich zuvor den Gang über den Platz unterbrochen hatte. Zurück auf der Hauptplatzinnenfläche, setzte ich meine Runde fort.
Mein Klassenlehrer und Schuldirektor Brodesser hatte Dienst im Inneren des Standes. Er schenkte gerade an der gegenüberliegenden Seite zur Straße hin in ein paar Gläser ein, darum bemerkte er mich nicht.

Der Stand einer Familie Förster folgte, welche handgemachte Gestecke verkaufte.

In seiner unmittelbaren Nachbarschaft befand sich der ÖAMTC-Stand. Ich dachte daran, wie ich bei seinem Aufbau zwei Tage vorher noch zugesehen hatte. Zwei Miniholzfässer mit Zapfhähnen standen auf der vorderen Theke. Eines für Most und eines für "Sturm", wie Schilder darüber Auskunft gaben. Mit Kreide stand der Preis für ein Viertelliterglas von beidem auf der Außenhaut der Fässer geschrieben. Er betrug jeweils 15 Schilling. Der Geruch beider Getränke vermischte sich in der Luft.

Im Winkel von 90 Grad schloss sich an der südwestlichen Ecke der Hauptplatzinnenfläche der Stand vom Café "Willi" an. Mehrere Angestellte servierten im Inneren des Standes. Unter ihnen auch der Pächter des Lokals selbst, jener Mann schwer schätzbaren Alters, den alle in der Stadt bloß "Zac" nannten.

Der Stand der Rugia folgte, die auf Schildern die Speisen "Sterz" und "Elisabeth" anpries.

Wenige Schritte weiter begann die Hütte des Bienenzüchtervereines.

Ich sah nach unserem Klassenstand gegenüber an der Rückfront des Rathauses. Georg hatte Dienst. Als ich ihn sah, räumte er gerade im Hinterzimmer irgendetwas hin und her.

Ich überflog ringsum die handgemalten Schilder mit den kulinarischen Angeboten. "Staubiger", stand auf einem von ihnen zu lesen, daneben: "Köllagatsch". "Surbraten". Außerdem gab es verschiedene Sorten Strudl, hausgemachte Aufstrichsorten und an fast allen Ständen belegte Brote, wie ich von weitem bemerkte.

Rechts von mir zog der wie der Klassenstand an der Rückseite des Rathauses stehende Stand der Katholischen Jugend vorbei. Ich erinnerte mich, wie ich am Donnerstag zuvor auch hier das Einräumen beobachtet hatte.

Auf der Ecke der Platzinnenseite schräg gegenüber von der Abzweigung zur Burggasse stand ein aus groben Holzstangen und Brettern gezimmerter kleiner Wagen mit Dachkonstruktion. Alle möglichen kunsthandwerklichen Arbeiten aus Naturmaterialien befanden sich auf ihm ausgebreitet. Ich blieb kurz davor stehen, um mir die Sachen näher anzusehen. Alles Denkbare war im Bereich des Wagens in verschiedenen Höhen angebracht worden: Trocken-Gestecke, kleine Strohhüte, aus Heu geflochtene Teddybären ...

Der Stand einer Weinbauernfamilie folgte, welche ich nicht kannte. Sie verkaufte Verschiedenes zum Essen und zum Trinken, was offensichtlich auf ihrem Hof in Eigenproduktion entstand.

Gleich daneben verkaufte eine weitere mir unbekannte Weinbauernfamilie. Sie hatte vor allem hausgemachte Brände und Liköre in ihrem Angebot. Ich blieb stehen, um mir die Schildchen über den Flaschen näher anzusehen. Gleich ganz links standen mehrere Sorten Birnen- und Marillenschnaps. Ich beschäftigte mich mit ihnen jedoch nicht weiter, da ich aufgrund meines kaputten Magens ohnehin keine harten Sachen trinken konnte.
Gleich daneben begann der Likörbereich. Das ist eher das, womit ich etwas anfangen kann, dachte ich. Nach Sorten getrennt standen Himbeer-, Erdbeer- und Heidelbeerlikör in Flaschenbatterien nebeneinander. Ich beschloss, von jeder Sorte eine zu nehmen.

Nachdem ich die gekauften Flaschen in der Tasche verstaut hatte, setzte ich den Weg wieder fort. Der Stand des ÖKB Retz-Kleinhöflein-Kleinriedenthal schloss sich an. Vorsitzender Riegler stand in ihm mit noch ein paar anderen Vereinsmitgliedern, die ich nur vom Sehen her kannte.

Auf der gegenüberliegenden Seite zogen die zwei halbrunden, rotbraun angestrichenen Holztore vorbei. Zuerst das von der Hauptplatz-Trafo-Station des Landes-Elektrizitätswerks, dann das vom Eingang zum Rathauskeller. Davor war ein Stand mit kandierten Früchten. Ich bewegte mich zu der Stelle hinüber.
In etlichen Fächern lagen, nach Sorten geordnet, Schaschlikspieße mit aufgesteckten Obststückchen. Alle waren mit rosaer, weißer, heller oder dunkler Schokoladenglasur überzogen.
Ich begann zunächst, die Schildchen mit den Fruchtsortennamen zu lesen: Erdbeere, Banane, Ananas, Honigmelone, Weintraube, Walnuss. Ich beschloss, von jeder Sorte mit jeweils jedem Überzug eine Stange zu nehmen.

Gleich nebenan stand Herr Wiklicky im Stand. Alle möglichen hausgemachten Gebäcksorten hatte er auf der Verkaufsfläche an der Vorderseite ausgebreitet. "Grüß Gott!" rief ich im Vorbeigehen in das Holzhaus hinein.
"Grüß Gott, Grüß Gott", erwiderte er. "Darf ich Sie zu einem Kaffee und einer Mehlspeise einladen?"
"Oh gern, da sage ich nicht nein."

Nach ungefähr einer halben Stunde setzte ich den Weg wieder fort. Gleich neben dem Stand der Konditorei begann das langgezogene Bratzelt. "Bratwürstl, Cevapcici, Brathendl" kündete das Schild an seiner Dachkante. Ich erinnerte mich, dass das Schild auch schon im vorigen Jahr an dieser Stelle hing.
Beim näheren Hinsehen entdeckte ich Wilhelm unter den Mitarbeitern der Einrichtung. In einiger Entfernung stand er vor einem der Öfen und briet Würstchen. Er trug dabei eine weiße Schürze, welche bereits zahlreiche Flecken aufwies. Ein echtes Multitalent, dachte ich. Weinbauer, Band-Leader, Stand-Organisator, Griller, ...

Mir kam die Idee, mal kurz beim ÖKB-Heurigen in der Einfahrt des Stadtamtes hineinzusehen.
Bald darauf hatte ich die bruchsteingepflasterte Parkfläche vor dem Gebäude erreicht. Der fahrende Händler mit den zwei Verkaufswagen hatte darauf wieder seinen Platz eingenommen. Wie schon im vorigen Jahr bot er in einem wieder Süßigkeiten und im anderen Spielwaren an. Zuerst zog der Süßigkeitenwagen an mir vorbei. Zuckergussverzierte Lebkuchenherzen mit kitschigen Aufschriften fielen als Erstes ins Auge. Sie hingen über die gesamte Länge der hochgeklappten Seitenwand des Fahrzeuges verteilt. Eher beiläufig überflog ich danach das Angebot an Spielwaren. Dabei bemerkte ich, dass er auch eine Vielzahl an Matchbox-Autos hatte. Ich blieb davor stehen und begann mir die einzelnen Modelle näher anzusehen, ob welche darunter waren, die sich vom Typ her noch nicht in meiner Sammlung befanden.

Ich hatte etwa zehn Minuten am Stand des Spielzeughändlers zugebracht. Danach betrat ich schließlich die Eingangstorfahrt zum Stadtamt. Kurz vor dem Eintreten sah ich per Zufall zum oberen Rand des Tores hoch. Das Tympanon des Tores tauchte auf. In ihm der metallische, in alten, deutschen Buchstaben verfasste Schriftzug "Stadtamt Retz". Ringsherum das schmiedeeiserne Weinlaub. Bei dem Fest wirkt das ja umso mehr, dachte ich.
Unzählige Heurigentische waren in dem Eingangsbereich hintereinander aufgestellt worden. Sie erstreckten sich über die gesamte Länge der gewölbeartigen Torfahrt und des Innenhofes. Ich überlegte kurz, an einem davon Platz zu nehmen und mir etwas zu bestellen. Dann nahm ich mir jedoch vor, zuerst meine Runde über den Platz zu beenden. Und mich danach für eine Möglichkeit zu entscheiden.

Ich nahm meine Runde wieder vom ÖKB-Stand an auf. Gleich daneben hatte der alte Imker Beck aus Zellerndorf wieder seinen Holztisch aufgebaut, mit dem er jedes Wochenende auf dem Hauptplatz stand und seine Waren verkaufte. Honigwein, aus Bienenwachs angefertigte Kerzen und wieder verschiedene Honigsorten hatte er diesmal im Angebot.

In seiner unmittelbaren Nachbarschaft schloss sich der Stand der Keramikwerkstatt Mitteretzbach an. Von weitem sah ich gleich darauf Stadtamtsmitarbeiter Franz Körberl, wie er mit der Liste in der Hand von Stand zu Stand ging, um im Auftrag der Gemeinde das Platzgeld zu kassieren und Fragen zu beantworten.

Ich sah wieder zu den Ständen auf der anderen Seite. Der einzige, an dem ich auf meinem Rundgang noch nicht vorbeigekommen war, war dort ein Bierausschank. Er folgte unmittelbar hinter dem Wurstbratzelt. Auf seinem Dach befand sich das Logo der traditionsreichen Wiener Biermarke "Ottakringer". Danach schloss sich bereits die Bühne an.

Links folgte dann der Stand einer Weinbauernfamilie. An eine Stange in der Mitte ihres Vorderfensterbereiches hatte sie ein handgeschriebenes Plakat hingehängt, auf dem sie ein Backwerk namens "Weinviertler Halbmond" anpries. Viele Stände waren so wie das von unserer Klasse ebenfalls mit frischen Weinranken verziert, fiel mir auf.

Der Stand der Retzer SPÖ kam als nächstes. Da mir die belegten Brote auf der Theke gefielen, beschloss ich, an Ort und Stelle eines zu verzehren.
Ernst Schlehmann hatte gerade Dienst. "Servus, Ernstl!", rief ich in den Raum hinein.
"Un woas deafs sein?"
Ich zeigte auf das betreffende Brot.

Nach dem Essen hatte ich mich wieder auf den Weg in Richtung unterer Hauptplatz gemacht. Auf der Höhe der Raiffeisenkasse fiel mir mitten auf der Straße ein riesiges Smiley auf. Mit Kalkfarbe war es auf die Steine gemalt worden. Es ließ vor Erschöpfung die Zunge heraushängen.
Schlagartig fiel mir wieder ein, welche Bewandtnis es damit hatte. Es markierte an dieser Stelle die Zielgerade für den Stadtlauf. Eine Neuerung beim Weinlesefest und in der Stadtgeschichte allgemein. Man wollte auf diese Weise auch auf dem Gebiet des Amateursports überregionalen Bekanntheitsgrad erreichen. Stadtamtsdirektor Piglmayr hatte mir ja davon berichtet, erinnerte ich mich wieder.

Ich betrat den Nord-Fußweg des Platzes bei der Außenmauer der Passage vor der Raiffeisenkasse. Dort blieb ich zunächst kurz vor dem schmalen Schaufenster des Geldinstitutes in der Mauer stehen. Abermals war es der Jahreszeit entsprechend gestaltet worden. Diesmal hatte man ein kleines Holzmodell einer alten Weinpresse hinein gestellt. Ich erinnerte mich, so etwas schon mehrfach im Original gesehen zu haben. Im Altstadtheurigen, am Fuß des Altenberges, im Pfarrsaal und im "Weinschlößl".

Ich umquerte die Ecke zur Znaimerstraße. Auch das Schmuckatelier "Doris" in der Westseite des Torbogens hatte einen Tisch vor seinem Eingang aufgebaut. Essen und Trinken wurde verkauft. Auf der Höhe des ans Verderberhaus andockenden Gebäudes Znaimerstraße 1 standen wieder Feuerwehrmänner. Wie schon an der Wienerstraße und der Vinzenzigasse kontrollierten sie in ihren grünen Uniformen die Eintrittsmarken.
Ein paar Touristen hatten die Sperre passiert. Sie blieben sofort am Tisch des Schmuckateliers stehen.

Wieder auf der Platzinnenfläche angekommen, setzte ich die Runde beim Landesweingut Retz fort. In einem geflochtenen Körbchen gab es dort Weintrauben zum Verkosten. Schräg über den Platz hinweg traf in dem Moment bei der Post ein Doppelstock-Reisebus mit Touristen ein.

Der Gemischte Chor des Männergesangsvereines folgte. Am Dach seines Standes machte er mit der Liedzeile "Wo man singt, da laß dich ruhig nieder" auf sich aufmerksam.

In seiner Nachbarschaft wiederum befand sich, bereits auf der Nordostecke der Platzinnenfläche stehend, der Fischereiverein Haugsdorf.
Im Weitergehen fiel mir auf, dass auch die Herrengasse schräg gegenüber mit einem Holzzaun abgesperrt worden war. Es war einer, wie sie sich auch vor der Bäckergasse und der Vinzenzigasse befanden.

An zwei Ständen war ich noch nicht vorbeigekommen. Einer gehörte der Gemeinde Obermarkersdorf. Der zweite war von einer Vereinigung, die unter dem Hüttenschild "Sekt und Wein" auftrat. Auch zahlreiche tschechisch sprechende Gäste waren unterwegs, fiel mir im selben Moment auf.

Kapitel 38. 11. 2.: Der Ballonstart

Ich hatte mich inzwischen an einem der Heurigentische niedergelassen, um im Auftrag der Schule den Artikel über den kürzlich stattgefundenen Abschlussball der Fünften Klassen zu schreiben:
"Ganz im Zeichen der EU stand der sechste HAK/HAS-Ball in Retz. 'Eine Reise durch Europa' war das Motto. Die Organisatoren, die Schüler der V. A und V. B HAK sowie der 3. Klasse HAS unter der Leitung von Mag. Johannes Prem, hatten mit viel Liebe die Räume der Schule nach bestimmten europäischen Ländern ausgestaltet, in welchen sie Spezialitäten des jeweiligen Landes servierten. Vertreten waren die Länder Griechenland, Italien, Türkei, Frankreich, Spanien, England sowie der skandinavische Raum.
Eröffnet wurde das Programm auf der Tanzfläche in der unteren Aula mit der D-Dur-Polonaise von Chopin. Es tanzten die Schüler der Abschlussklassen und Andere. Mag. Prem hatte das Programm mit den Schülern seit einem Dreivierteljahr einstudiert.
Sabine Grossler aus der V. B sprach dann die einleitenden Worte. HAK-Direktor Ewald Brodesser begrüßte als Ehrengäste Labg. Marianne Lembacher und SPÖ-Klubobmann Hannes Bauer. Beendet wurde der offizielle Teil mit dem Donauwalzer von Johann Strauß.
Für das leibliche Wohl sorgten am Abend ein Restaurant, ein 'Saftladen', ein Kaffeehaus, eine Bar und eine Cocktailbar. In der Tombola wurde eine Reise nach Venedig verlost. Für Stimmung auf der Tanzfläche sorgte die Gruppe 'Hokuspokus'.
Noch einmal stellten die Schüler ihr tänzerisches Können in der 'Mitternachtseinlage' unter Beweis."

Danach begann ich noch den Artikel über die Kurse an der Schule:
"Der Absolventenverein der BHAK/BHAS Retz bietet im laufenden Semester in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Retz folgende Kurse an:

Computerschulung für Anfänger/innen:
Kurzbeschreibung: Wissenswertes über PC-Hard- und Software, Textverarbeitungsprogramm 'WINWORD'.
Zielgruppe/Eingangsvoraussetzungen: PC-Anfänger/innen: Erwachsene, die sich mit dem Computer vertraut machen wollen. Sowohl geeignet für Personen, die bereits im Berufsleben stehen und sich PC-Kenntnisse aneignen wollen, als auch für Personen¸ die an den beruflichen (Wieder)Einstieg oder Umstieg denken. Keinerlei PC-Kenntnisse erforderlich!

'Alles mit der Zeit – vor allem beim Lesen':
Kurzbeschreibung: Literatur aus Österreich, Deutschland und der Schweiz seit 1945 in Theorie und Praxis.
Zielgruppe: An Literatur und dem Literaturbetrieb Interessierte.

WORD für Windows:
Kurzbeschreibung: Eine Übersicht über das beliebteste Textverarbeitungsprogramm.
Zielgruppe/Eingangsvoraussetzungen: Berufs(wieder)einsteiger, Interessierte. Einfacher Umgang mit Windows (Nicht unbedingt erforderlich, aber von Vorteil.), Umgang mit Maus und Tastatur.

Weitere Informationen erteilt das Sekretariat der Schule unter der Tel.-Nr. 02942/204 20 13."

In der Mitte des Hauptplatzes waren derweil die Vorbereitungen für den "Publikums-Ballonstart" der ÖAMTC-Ortsgruppe angebrochen. Die Plane des Ballons lag großräumig auf dem Pflaster ausgebreitet. An seinem unteren Ende war ein Gerät angeschlossen worden, mit welchem das Gas in sein Inneres gepumpt wurde. Es spie in regelmäßigen Abständen Feuerwolken, verbreitete dabei fauchende Geräusche, die man auf dem ganzen Hauptplatz hörte. Am Rande des Geschehens standen unter den Zuschauern auch wieder ein paar Männer von der örtlichen Feuerwehr, die man offensichtlich für irgendwelche Hilfsarbeiten geholt hatte.
Während des Gasauffüllens wurde einer der beteiligten Männer von Tourismusstadtrat Gruber interviewt, welcher wieder die Moderation übernommen hatte. Der Ballonfahrer erzählte etwas über Luftschichten und Strömungen und dass ein Ballon im Prinzip nicht steuerbar ist.
Immer noch auf der Seite liegend, blähte sich der Ballon immer weiter auf. Mehr und mehr verschwanden die Häuser des Hauptplatzes hinter ihm. Mit einem Male begann er etwas zu trudeln. Ein paar der anwesenden Feuerwehrmänner traten hinzu und nahmen das lange Seil in die Hände, welches in der Mitte des Ballons befestigt war.
Je mehr Heißluft er bekam, umso senkrechter stand er. Schließlich hatte er sich fast vollständig aufgerichtet. Er machte nun nur noch ein paar Kreiselbewegungen um den eigenen Mittelpunkt. Als er kurz darauf fast zu Ende aufgeblasen war, wollte er schon abheben. Etliche Leute sprangen auf ihn zu und hielten ihn fest.
Schließlich stiegen die Mitfahrer in den Korb ein. Er war schon während des Auffüllvorgangs verankert worden. Von meinem Standpunkt aus wurde er bereits durch den sich aufblähenden Ballon verdeckt. Die Ballonfahrer schnallten sich an, hantierten an allem Möglichen herum.
Kurz darauf hob das Gefährt mit einem Male vom Boden ab. Wie eine Rakete schnellte es in die Höhe. Die am Boden stehenden Zuschauer spendeten Beifall.

Kapitel 38. 12.: Sonnabendnacht

Kapitel 38. 12. 1.: Dienst im Klassenstand

Ungefähr fünfzehn Mitarbeiter von Ständen waren vor mir in der Reihe, als ich ankam. Jeder hatte einen Eimer in der Hand, um neues Spülwasser zu holen. Am Ende der Schlange, an der Rathausnordwand, hörte man gerade Wasser in einen leeren Eimer schießen.
Die Bewölkung vom späteren Nachmittag hatte es rasch stockfinstere Nacht werden lassen. Aufgrund der Dunkelheit war das Rotbraun des danebenliegenden Holztores vom Stadtkeller kaum noch sichtbar. Schwer erkennbar auch das Eingangsschild des Kellers. Gerade mal, dass es sich um ein ovales Holzschild handelte, konnte man ausmachen. Die Aufschrift "Österreichs größter Weinkeller" ging bereits unter im Dunkeln.

Nach ungefähr einer Viertelstunde in der Schlange war ich dann an der Reihe. Mein Vordermann hatte den Wasserhahn bis zum Anschlag aufgedreht gelassen. Ich trat daher gleich hinzu und hielt meinen Eimer sofort darunter. Der ohne jede Infrastruktur in der historischen Rathauswand steckende Wasserhahn war ebenfalls nur noch schemenhaft zu erkennen.
Es dauerte vielleicht drei Minuten, bis er voll war. Danach machte ich mich zurück auf den Weg zum Stand. Es erwies sich als einigermaßen schwierig, den Eimer durch die Menschenmassen zu bugsieren. Praktisch ständig bestand die Gefahr, versehentlich jemanden anzuschütten. Mit Einbruch der Dunkelheit hatte sich die Zahl der Anwesenden auf dem Platz auf dramatische Weise erhöht. Es war fast kein Durchkommen mehr. Nahezu alle drei Schritte musste ich stehenbleiben und entgegenkommende Personen an mir vorüberlassen.
Auch in den Cafés und Lokalen auf dem Hauptplatz schien noch Hochbetrieb zu herrschen. Sowohl im Café Gold brannte noch Licht wie auch im "Willi" im Haus daneben. Durch die Lage des "Willi" im ersten Stock sah man auch mehrere am Fenster stehende Gäste. Aufgrund der Winkel der Zimmerlampen erschienen sie dort als konturenlose, schwarze Scherenschnitte.
Auch in sämtlichen Ständen auf der Platzinnenfläche war inzwischen längst das Licht angeschaltet worden. Die Anzahl der Diensthabenden in ihnen hatte sich mit vorgerückter Stunde ebenfalls merklich erhöht.
Schließlich erreichte ich wieder den Klassenstand. Paula hantierte gerade auf dem Tisch rechts. Ein Körbchen mit Brotscheiben und zwei Brote befanden sich gerade auf ihm. Von den Broten war eines unberührt und eines angeschnitten.
Ich ging an der Seitenwand der Hütte vorbei. Dabei sah ich, dass Paula von einem Holztablett mit Kuchen eine Reihe abschnitt. Einen Augenblick später begann sie sie bereits in Stücken zu unterteilen. Georg unterdessen goss mehreren Kunden ihr Glas nach. Wie schon in der Stunde zuvor blieben einige von ihnen mit ihren vollen Gläsern direkt an der Theke stehen. Andere gingen damit ein Stück weg und setzten sich an einen der Tische.
Ich betrat den Stand durch die Tür an der Rückseite. Automatisch fiel dabei der Blick an die rechte Seite des Hinterzimmers. Die dortigen Stapel Kisten mit den leeren Flaschen hatten sich während meiner Abwesenheit wieder um einige mehr erhöht. Dafür waren im gleichen Ausmaß die Kisten mit den vollen Flaschen an der linken Seite weniger geworden. Ganz offensichtlich läuft das Geschäft gut, schlussfolgerte ich.

Den ersten Eindruck beim Betreten des Vorderraumes bildete wieder dieses typische Geruchsgemisch. Jenes Gemisch aus den Gerüchen des Weins, des "Sturms", der Aufstriche sowie des Holzes der Bude. Bereits den ganzen Abend über war es präsent gewesen.
Schließlich stellte ich den Eimer wieder auf den kleinen Spültisch an der rechten Seite. Danach nahm ich die Flasche Spülmittel von unter dem Tisch nach oben, gab einen Schuss davon in den Eimer und stellte sie wieder zurück.

Zwischendurch war ich wieder mal beim Spülen dran. Es verlief wieder nach dem üblichen Schema, wie schon den gesamten Abend über. Auf dem linken Tischende von den zwei Mitarbeitern, die jeweils nicht abwuschen, die schmutzigen Gläser hingestellt. Von der Tischmitte holten sie sich die gesäuberten, auf Wischtüchern auf den Kopf gestellten.
Ein paar leere Gläser wurden auf das Brett in der Vorderfront gestellt. Ich nahm sie von dort weg und stellte sie zu den anderen schmutzigen auf dem Reinigungstisch.
Gegenüber beim Stand des Bienenzüchtervereines brannte bereits wieder die lange Kette mit den roten, blauen, grünen und gelben Glühlampen. Ich erinnerte mich, wie sie bereits am Donnerstagabend ausprobiert worden war. Als ich hinüber sah, verließ gerade ein Mitarbeiter des Standes mit einem Kübel Spülwasser die Hütte. Draußen goss er es in die kleine Bruchsteinabflussrinne an der Grenze zwischen dem Hauptplatzinneren und der Ringfahrbahn.
Ich wollte gerade wieder mit dem Abwaschen beginnen, als mir von draußen jemand zurief: "An Viatl Stuam, bitte."
"Kommt sofort!" antwortete ich. "Haben wir noch eine Flasche Sturm offen?" fragte ich gleich darauf Paula.
"Naa, de is groad ebn laar wuadn. Muasst a neiche aufmoachn."
Ich hockte mich vor dem Heurigentisch an der Vorderfront hin. Nach wie vor standen unter ihm laufend eine aktuelle Kiste Mineralwasser, Rotwein, Weißwein, Most, "Sturm" und Apfelsaft. In der "Sturm"-Kiste befand sich nur noch eine einzige der Dopplerflaschen. Ich entnahm sie, stellte sie auf den Tisch und entfernte den Deckel. Wenige Augenblicke später konnte ich das Getränk herausreichen. Der Mann gab mir dafür eine Zehn-Schilling- und eine Fünf-Schilling-Münze.
Ich öffnete die knallrote Geldkassette am Rande des Vordertischs, um das Eingenommene zu verstauen. Klimpernd fielen die Münzen in den Kleingeldeinsatz. Danach hob ich ihn kurz heraus, um einen Blick in den darunterliegenden Papiergeldbereich zu werfen. Ein Riesenberg hatte sich darin bereits angehäuft. Da lag ich mit meiner Einschätzung bezüglich des Umsatzes, die ich vorhin anhand der leeren Kisten getroffen hatte, ja genau richtig, dachte ich.
Danach nahm ich die Kiste mit den leeren Sturmflaschen, trug sie nach hinten, stellte sie rechts ab und kam mit einer vollen wieder nach vorn.
Ich hatte gerade zu spülen begonnen, als mich Paula bat: "Hüfst ma moi beim Broteschmia? Dös Oaspühn koast doann nau weitamoachn, Gloasln haum ma nau gnua. Jetz brauch ma vua oim easchtamoi neiche Brote."
"Ist gut." Ich trat an den Vordertisch heran. Dort begann ich zunächst, etwas mehr Platz zu schaffen. Als Erstes stellte ich die zahlreichen angebrochenen Rotwein-, Weißwein- und "Sturm"-Flaschen an den hinteren Rand. Paula holte inzwischen die Aufstrichschüsseln von den Rändern des Tischs etwas näher ran. In jeder von ihr steckte bereits ein Messer zum Streichen.

Mit vorgerückter Stunde war der Ansturm zwischenzeitlich etwas abgeebbt. Ich hatte inzwischen wieder einmal alle angesammelten schmutzigen Gläser gespült und trocken gewischt. Nur noch ein paar wenige waren übrig geblieben. Aufgrund des geringeren Andrangs beschloss ich, kurz eine Pause zu machen. Ich nahm ein unbenutztes Glas und ging damit ins Hinterzimmer. Dort entnahm ich eine Flasche "Sturm" und öffnete sie. Danach goss ich mir ein Glas voll ein und trank es fast in einem Zug leer.
Das Getränk hatte eine ziemlich aufputschende Wirkung. Nachdem ich den ganzen Tag auf den Beinen gewesen war, hatte sich allmählich doch eine leichte Erschöpfung eingestellt. Diese war mit einem Male völlig verschwunden.
Ich trank noch ein zweites Glas. Danach stöpselte ich die Flasche wieder zu und stellte sie in eine Ecke, um sie mir zu reservieren.

Kurz vor Um Neun tauchten wenige Meter vor dem Stand Isolde, Antonia und Maria auf.
"Mia iwanehman scho", teilte Maria mit, nachdem die drei an der Barriere angekommen waren. "Es kennts eich scho amisian gehn."
"Joa, genau. Es drei kurbelts mit eicharem Aussehn eh 's Gscheft oa", alberte Georg herum.

Kapitel 38. 12. 2.: Der Auftritt der Band

Kurz nach der Ablösung hatte sich die Marktstand-Schicht in alle Richtungen aufgelöst. Ich war danach zum ÖKB-Heurigen im Stadtamt gegangen und hatte einen roten Gschpritztn getrunken. Bald darauf war es nur noch kurze Zeit bis zum Auftritt von Wilhelms Band. Als ich wieder aufbrach, herrschte auf dem Hauptplatz nach wie vor dasselbe Gedränge. Einzig auf dem Fußweg entlang der nördlichen Häuserfront war es etwas weniger. Ich beschloss daher, den größten Teil des Weges Richtung Bühne dort zurückzulegen.
Ich erreichte den Rand des Gebäudes vom Café Gold. Gerade in dem Moment klappte die Klinke der Holz-Glas-Tür zum Hauptplatz herunter. Eine Gruppe Gäste verließ das Lokal.
Im Vorbeigehen kam ich direkt an den gut einsichtigen Fenstern des Cafés entlang. In dem Lokal war für die Tageszeit noch sehr viel Betrieb. Automatisch hielt ich Ausschau nach Bekannten. Ich entdeckte niemanden.
Ich kam vor der Bühne am Fußende des Rathauses an. Für den Auftritt der Bands des Abends waren überall an den Rändern Leuchtampeln angebracht worden. Abwechselnd leuchteten an ihnen rote, blaue, grüne und gelbe Lichter auf.
Auf der Bühne selbst waren Johannes und Cornelius bereits eingetroffen. Cornelius stimmte noch ein letztes Mal seine Gitarre. Mit einem Male kam Wilhelm von der rechten Seite auf die Fläche gerannt. Cornelius rief in Anspielung auf seine Nasenform wieder einmal: "Burgstaller – immer eine Nasenlänge voraus!"

Etliche Minuten waren vergangen, in denen die drei auf der Bühne noch irgendetwas besprochen hatten. Schließlich trat Wilhelm ans Mikrophon und verkündete: "So Leute, die Pause ist vorbei, und wir sind hier inzwischen angetreten, um zu vorgerückter Stunde das Fest noch mal ordentlich aufzumischen. In der nächsten Stunde werden wir unser Bestes geben, einen Eins-A-Rock'n-Roll hinzulegen.
Ich will mich daher auch gar nicht groß mit der Vorrede aufhalten, damit wir gleich in die Vollen gehen können. Doch zuvor möchte ich zumindest nur kurz die Mitglieder unserer Band vorstellen." Er machte kurz eine Pause und zeigte dann in Richtung Johannes: "An der E-Gitarre: Johannes Schmalvogl!"
Johannes trat ins Rampenlicht und begann ein kurzes Solo zu spielen. Als er damit fertig war, deutete Wilhelm zu Cornelius hin und sagte: "Am Schlagzeug: Cornelius Neubauer!" So wie Johannes zuvor legte auch Cornelius ein kurzes Solo auf seinem Instrument ein. Danach erhob er sich von seinem Platz, kam hinter dem Schlagzeugaufbau vor und nahm das Mikrophon in die Hand. Ich ahnte schon, dass er jetzt Wilhelm vorstellen würde, was sich auch gleich darauf bestätigte. "Und der Mann, ohne den das alles nicht möglich wäre, der unsere Band zusammengestellt hat, der unsere Proben ansetzt, unsere Musik auswählt und unsere Auftritte managt, der darüber hinaus als unser Sänger und Keyboarder fungiert: Wilhelm Burgstaller!"
Nach dem Vorbild seiner zwei Kollegen gab er daraufhin ein Solo auf dem Keyboard.
Wenige Minuten später begannen die Musiker "Fun, Fun, Fun" von den "Beach Boys" zu interpretieren. Cornelius hatte für dieses Arrangement sein Schlagzeug verlassen und sich die Bassgitarre umgehängt. Beide Gitarristen griffen so sehr in die Saiten, dass der ganze Hauptplatz bebte. Es dauerte nicht lange, und der Großteil der Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die Gruppe.

Tosender Applaus folgte dem Ende des Liedes. Die Musiker warteten ab, bis er sich halbwegs gelegt hatte. Danach begannen sie ohne Zeit zu verlieren mit "Rocking All Over The World" von "Status Quo" fortzufahren.

Das Lied war verklungen. Wilhelm stimmte eine neue Nummer an. Ich erkannte sie sofort. Es war "Roaming For Tomorrow", eine ihrer Eigenkomposition. Sehr langsam, getragen, begann Wilhelm die ersten Zeilen zu singen:

"See times are changing.
See faces fading.
See souls are roaming.
It's in the air.

Nothing's remaining.
You keep on trying.
See times are changing.
It's in the air.

Turn, turn, turn around,
angel face will bring a better sound,
don't keep hangin' round,
yesterday will bring ya down!
Turn, turn, turn around,
all ways 're leading home,
don't keep hangin' round,
lights of dreams are roaming for tomorrow.

See words are fleeting,
belief is creeping
and love 's a promise,
it's in the air.

Turn, turn, turn around,
angel face will bring a better sound,
don't keep hangin' round,
yesterday will bring ya down!
Turn, turn, turn around,
all ways 're leading home,
don't keep hangin' round,
lights of dreams are roaming for tomorrow.

See times are changing,
see will is growing,
see blood is trembling,
it's in the air."

(Komponiert und arrangiert von der mittlerweile nicht mehr existenten Retzer Band "The Sun".)

Auf dem ganzen Platz entstand tosender Applaus als Reaktion auf das Lied.

Kapitel 38. 12. 3.: Auf dem alten Sportplatz

Nach ihrem Auftritt waren Johannes, Wilhelm und Cornelius nach und nach bei mir an der Bühne eingetroffen. "Woas ta ma d'n jetz?" fragte Wilhelm schließlich.
"Gemma auße aufn Oidn Spuatploatz", schlug Johannes vor. Alle zeigten sich einverstanden.
Kurz darauf brachen wir auf in Richtung Kremserstraße.

Schon an ihrem Beginn, kurz bevor sie in den Hauptplatz mündete, waren noch unzählige Gäste des Festes in beide Richtungen unterwegs. Wie immer hatte man die Fahrbahn in ihr bis zur Höhe Abzweigung Bahnhofstraße für den Straßenverkehr gesperrt.

Wir erreichten das Ende vom inneren Teil der Kremserstraße. Links begann die Bahnhofstraße. Wenige Meter vor uns stand mitten auf der Fahrbahn ein Gendarm. Er dirigierte an dieser Stelle den Verkehr vor sich. Eine ganze Kolonne von Autos verließ bereits wieder die Stadt in Richtung Wien.
Rechts zog sich erstmals seit dem Hauptplatz wieder eine kurze Reihe von Ständen entlang. Sie begann am Eckhaus mit der Fußpflege und ging bis zum Beginn des Sportwarengeschäftes. An ihrem Ende befand sich das Auto des Gendarmen, der den Verkehr regelte.
Links tauchte an der Ecke des Stadtparks eine Langoshütte auf. Auf ihrem Dach befand sich eine Leuchtschrift, die das Wort "Langos" bildete. Immer nacheinander verdunkelte sich auf ihr ein Buchstabe nach dem anderen.
Wir bogen nach rechts in die Roseggergasse ab. Auch in ihr waren noch unzählige Leute unterwegs. Auf der ganzen Straße bis hin zur Abzweigung zur "Maut" standen Autos hintereinander. Einige Fahrzeughalter gingen zu oder kamen von ihnen.
Wenige Augenblicke später betraten wir die gleich links abbiegende Jahnstraße. Auf ihr waren ebenfalls unzählige Gäste des Festes in beiden Richtungen unterwegs. Schon von weitem hörte man die laute Musik der Rummelplatzgeräte inmitten der Straße.
Während des Gehens fiel mir auf, dass die Straße, soweit das Auge reichte, mit den gräulich-gelben Schattauer Ziegeln gepflastert war, wie man sie bruchstückweise immer wieder in der ganzen Gegend vorfand. Die gemeinsame Geschichte über die Grenze hinweg lässt sich nicht verleugnen, dachte ich wieder einmal.
Wir erreichten die Mitte der Straße. Rechterhand erschien der Parkplatz, der sich über die gesamte Fläche des ehemaligen Sportplatzes bis hinunter zum Straßenende erstreckte. Er war völlig von Autos geräumt worden. Stattdessen befanden sich entlang der Ränder alle möglichen Rummelplatzeinrichtungen. Jedes der Geräte hatte eine andere, laute Musik. Immer wieder unterbrochen durch die Ansagen von Moderatoren. Überall standen Leute in kleineren Gruppen zusammen. Glühbirnen flimmerten hektisch in allen Farben.
Gleich rechts am Beginn des Platzes befand sich ein auffallend rot-gelb gestrichener Donuts-Stand. Automatisch strebten wir auf ihn zu.

Eine ganze Weile hatten wir uns an dem Stand aufgehalten und Donuts gegessen.
Eine Schießbude, ein Zuckerwattestand und eine Luftschaukel folgten. Am Ende der rechten Reihe schloss sich dann eine Glücksradbude an. Surrend drehte sich gerade wieder das Rad, als wir an ihr vorbeikamen. Innerhalb von Sekunden beschleunigte es auf ein ziemlich rasantes Tempo. Die unterschiedlichen Farben der Kreissegmente auf seiner Fläche verschwammen dabei fast völlig miteinander. Klappernd sprang davor der Ball von Abteilung zu Abteilung.
Wir hatten das südliche Kopfende des Rummels erreicht, wo das Tagada aufgebaut worden war. Bruchstückhaft bekam ich mit, wie über Lautsprecher das nahende Ende einer Fahrt angekündigt wurde. Kurz darauf verlangsamte die riesige Scheibe in der Mitte, auf der sich die Plätze der Gäste befanden, ihre achtförmige Bahn um den eigenen Mittelpunkt.
Das erste, was sich danach auf der linken Seite des Platzes anschloss, war der Autoscooter. Fahrzeuge in allen möglichen knallbunten Lackfarben waren auf der Fläche unterwegs. Immer wieder stießen dabei welche von ihnen zusammen. An allen Wagen brannten Vorder- und Rücklichter, die denen von echten Autos nachempfunden worden waren. In der Luft entstanden an den Kontakten der Autos mit der Elektrik der Anlage zwischendurch vereinzelt blaue Funken. In einiger Entfernung fuhr Paula mit ihrem kleinen Bruder vorbei. Sie war so mit Lenken beschäftigt, dass sie uns nicht bemerkte.
Ein dunkles, elektrisches Brummen erklang. Synchron verringerte sich darauf die Geschwindigkeit sämtlicher Fahrzeuge. Kurz darauf kamen sie ganz zum Stillstand.
Videospiel-Stationen folgten. In rasendem Tempo wurden die Joysticks von den Spielern hin- und herbewegt. Es gab mehrere Arten von Spielen, wie ich von weitem erkannte. Eines hatte ein Autorennen zum Inhalt. Eines ein Motorradrennen. Eines zeigte auf dem Bildschirm eine startende Rakete. Und auf mehreren fanden virtuelle Zweikämpfe statt.
"Liebst du mich?" fragte mich Johannes auf einmal wieder.
Ich antwortete wie gewohnt: "Ich liebe und begehre dich und werde niemals einen anderen Mann lieben können als dich."
Ein Luftballonverkäufer ging an uns vorbei. Er hatte einen ganzen Strauß metallicfarbener, knallbunter Luftballons bei sich. Allesamt trugen sie Gesichter von Figuren aus Disney-Filmen.
Das "Entenfischen" kam als nächstes. Einige Kinder standen davor und versuchten, mit einem angelartigen Gerät einige der Enten-Modelle zu fangen. Diese sausten in ziemlich hohem Tempo durch die schmale, ringförmige Wasserbahn.
Als letztes folgte eine Gummiburg für die Kleinsten. Aufgrund der Tageszeit war sie jedoch schon abgesperrt worden.
Wir waren wieder am Beginn des Platzes angekommen, von wo wir etwa eine halbe Stunde zuvor unsere Runde gestartet hatten. Vor uns lag die alte Turnhalle. Wie immer erinnerte sie mich von ihrem Baustil her ein wenig an ein Bauernhaus. Ein riesiges Schild mit der Aufschrift "Sportclub-Heuriger" hing über dem Eingang des Gebäudes.
Wir gingen hinein. Wie die meisten öffentlichen Gebäude wirkte sie von innen sehr viel größer als von außen. Eine Unzahl von Heurigenbänken und –tischen war in ihr aufgestellt worden. Entlang des hölzernen Dachaufbaus hingen ringsum lauter riesige Transparente von Retzer Sponsorbetrieben des Vereines, eines neben dem anderen. Die einzige Ausnahme war dabei die linke Stirnseite. Dort befand sich anstelle eines Plakates der aus grün-weißem Krepppapier gebildete Schriftzug "SC Retz". Mitglieder des Vereines liefen als Kellner zwischen den Reihen hin und her. Einer von ihnen war Herr Semmelhart aus der Hypobank.
Wilhelm stieg an einem Tisch gleich links in der Nähe über die Bank. Alle anderen folgten ihm in seine Richtung.

Kapitel 38. 13.: Sonntagmorgen – Festmesse vor den Toren von Retz

Kapitel 38. 13. 1.: Aus allen Richtungen strömen die Messgänger zusammen

Ich sah auf die Uhr. Es war sieben Minuten vor Halb Zehn.
Ich hatte die Wegenge erreicht. Zu beiden Seiten des Weges ragten die mannshohen, glatten und scharfkantigen Felsformationen aus dem Boden empor. Danach tauchten links die flachen und niedrigen Steinplatten auf. Ich musste in dem Moment daran denken, wie ich zwischen ihnen schon öfters bizarre Echsenwesen beobachtet hatte. Stets an warmen Tagen, an denen sie durch die von der Sonne aufgeheizten Steine angelockt wurden.

Schlagartig war danach wie immer der dschungelartige Pfad zu Ende. Das riesige, kilometerweite, plantagenartig wirkende Weingärtennetz tat sich auf. Frühherbst-Atmosphäre hatte sich über ihm bereits ausgebreitet. Merklich tiefer schon lag die vormittägliche Septembersonne über ihm. Wesentlich farbloser wirkte auch der Kamm des bewaldeten Manhartsberges am Nordwest-Horizont der Weingärten.

Ein Stück vor mir tauchte der Weg auf, der sich horizontal vor dem Beginn des Weingartensystems entlang zog. Etliche Leute waren auf ihm nach rechts in Richtung Kümmerlkapelle unterwegs. Die meisten von ihnen schienen aus Obernalb zu stammen. Offensichtlich hatten sie den dschungelartigen Schleichweg zu Füßen der Westseite des Gollitsch genommen. Wie ich gleich darauf bemerkte, kamen auch ein paar Leute den langen, verschlungenen Weg heruntergestiegen, der spiralförmig über den Gollitsch in das Siedlungsviertel beim Pensionistenheim führte.

Ich durchquerte den kleinen, steinigen Talkessel vor mir. Danach betrat ich mit dem Horizontalweg das letzte Stück Weg in Richtung Kapelle.

Nach einigen Sekunden tauchte, inmitten von hohem Gras und Akazien, die nur wenige Quadratmeter einnehmende Kümmerlkapelle auf. Etwa 50, 60 Gläubige hatten sich bereits auf dem wilden Gelände davor eingefunden. Gleich rechts neben dem Sakralbau hatten im rechten Winkel zur Vorderfront die "Rhythmix'" Aufstellung genommen. Ein Stück seitlich hinter ihnen befand sich ein mir unbekannter Kinderchor.

Ich blieb schließlich am unteren Ende des Aufmarsches vor der Kapelle stehen. Kurz darauf bemerkte ich zwei Männer mit allerhand Tontechnik in den Händen erscheinen. Sie blieben bei der Eisheiligen-Marter ein Stück neben der Kapelle stehen. Ganz offenkundig handelte es sich um die zwei ORF-Reporter, die die Messe fürs Radio übertrugen.

Kapitel 38. 13. 2.: Anmoderation von Radio Niederösterreich

Wenig später traten die Messe-Zelebranten hinter den Altar. Caritas-Direktor Michael Landau, der für die Messe aus Wien angereist war. Pfarrer Groll. Pastoralassistentin Marlene Landmann. Und einige Ministranten. Der Altar war eigens für die Veranstaltung vor der Kapelle aufgebaut worden. Ein Ministrant ging in das Innere der kleinen Kapelle und begann mit einem Seil händisch ihre Glocken zu läuten. Gleich darauf setzte der etwas abseits stehende Moderator mit seinem Text ein. Er erzählte zunächst etwas über das Retzer Caritasheim. Aufgrund des Glockengeläuts verstand ich jedoch kaum etwas. Erst als er über den Caritasbauernhof Unternalb zu sprechen begann, konnte ich ihn wieder hören:
"Am Caritasbauernhof und in seinen Werkstätten leben und arbeiten 42 geistig behinderte Männer. Sie tragen wesentlich zur eigenen und zur Versorgung des Caritasheimes in Retz bei. In der hauseigenen Fleischerei und den landwirtschaftlichen Einheiten des Heimes, in denen übrigens nach streng ökologischen Kriterien gearbeitet wird, werden aber auch eine ganze Reihe bäuerlicher Produkte für die Ab-Hof-Vermarktung erzeugt. Und für diese konnten unter den Bewohnern der Umgebung schon eine ganze Reihe zufriedener Stammkunden gewonnen werden. Erzeugnisse, wie zum Beispiel Karotten, Speisekürbis, Zierkürbis, Paprika, Porree, Sellerie, Spinat, Tomaten, Zuchini oder Zwiebel. Trotz aller Probleme, die es bei jeder Sache gibt, kann man im Großen und Ganzen sagen, dass hier sehr gute Integration von Behinderten in die Gesellschaft geleistet wird.
Aber auch auf kulturellem Gebiet sind die Heime äußerst aktiv. Bewohner der Behinderteneinrichtungen und Pfarrangehörige aus Unternalb und Retz haben sich zum gemischten Chor 'Rhythmix' zusammengefunden. Gemeinsam mit dem Kinderchor aus Unternalb werden sie diesen Gottesdienst musikalisch gestalten. Zelebranten sind Caritasdirektor Dr. Michael Landau und Geistlicher Rat Pfarrer Johannes Groll."

Kapitel 38. 13. 3.: Einzugsgesang

Das Eröffnungsklingeln der Messe war zu hören. Gleich darauf begannen die "Rhythmix'" gemeinsam mit dem Unternalber Chor "Wir kommen zu dir, oh Gott" vorzutragen.

Kapitel 38. 13. 4.: Gestaltung des Altarraumes

Nach dem Ende des Liedes trat Pfarrer Groll an den Altar: "Nach diesem feierlichen Zusammenkommen hier bei der Kümmerlkapelle vor den Toren von Retz wünsche ich als Pfarrer allen einen schönen Guten Morgen. Wir sind hier in der Pfarre Retz im nordöstlichen Weinviertel, wo wir gemeinsam die Sonntagsmesse während des jährlichen Retzer Weinlesefestes feiern. Ich darf Sie alle, und besonders die Hörerinnen und Hörer zuhause, herzlich willkommenheißen. Ganz besonders freut es mich, dass der Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien, Dr. Michael Landau, mit uns diesen Gottesdienst feiert."
Der Präsident trat ans Mikrophon. "Sehr herzlich darf auch ich Sie als Caritasdirektor begrüßen, und ich freue mich, diesen Gottesdienst mit Ihnen zu feiern. Mit der Pfarre fühle ich mich durch die Bewohner und Betreuer des Caritasbauernhofes sehr verbunden. Es ist ein schönes Zeichen, dass Frauen und Männer, die in dieser Caritaseinrichtung wohnen, und Menschen aus dem Ort heute gemeinsam diese heilige Messe gestalten. Gerade auch der gemischte Chor und das Orchester sind Ausdruck für dieses Miteinander. Jeder trägt Verantwortung und leistet seinen Beitrag, der wichtig ist. Die Musiker und Sänger singen schon lange miteinander, und sie haben gelernt, immer besser aufeinander zu hören. Das ist in der Musik zu spüren, aber auch im Alltag hier in der Pfarre Unternalb in Niederösterreich."
Pfarrer Groll übernahm wieder. "Anlässlich des heutigen Tages haben Männer, Frauen und Kinder als sichtbares Zeichen ihres Dankes Gaben in die Kirche mitgebracht. Diese werden sie nun vor den Altar tragen."
Ein paar Leute traten aus den Umherstehenden heraus. Mit Weinflaschen und ein paar geflochtenen Körben mit Weintrauben in den Händen bewegten sie sich auf den Altar zu. Dort angekommen, ging ein Mann aus der Gruppe hinter den Altartisch und verkündete: "Wir bringen Weintrauben und Wein. Bei uns leben viele Menschen vom Weinbau. Durch das gute Wetter konnten wir viele süße Trauben ernten. Durch das Wissen und die Arbeit der Winzer wird daraus guter Wein. Gern genießen Menschen zu gegebener Stunde ein Glas. Dieser Krug Wein steht für all die schönen Zeiten, die uns den Alltag erleichtert haben."
Das "Danke"-Lied folgte, vorgetragen von den beiden Chören.

Kapitel 38. 13. 5.: Begrüßung

Landau übernahm wieder. "Wir haben nun den Altarraum gestaltet, unsere Gedanken und unsere Herzen bereitet. Beginnen wir diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes", sprach er die Eröffnungsworte.
"Amen", antworteten die Messgänger im Chor.
"Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch!"
"Und mit deinem Geiste", antwortete das Auditorium.

Kapitel 38. 13. 6.: Bußakt

"Besinnen wir uns nun und bringen wir vor Gott auch das, was uns belastet und worum wir um Verzeihung bitten wollen", begann Landau darauf mit dem Schuldbekenntnis.

Kapitel 38. 13. 7.: Kyrie

An das Schuldbekenntnis schloss sich wieder ein Musikstück der "Rhythmix'" und des Kinderchores an. Nach dessen Ende wiederum fuhr Landau mit den Worten fort: "Der treue Gott erbarme sich unser. Er nehme von uns Sünde und Schuld, damit wir mit frohem Herzen diesen Gottesdienst feiern. Ehre sei Gott in der Höhe!"
Die Chöre begannen daraufhin das Gloria zu singen.

Kapitel 38. 13. 8.: Tagesgebet und Erste Lesung

Der Caritaspräsident trat wieder hinter den Altartisch. "Lasset uns beten. Allmächtiger Gott, du hast Himmel und Erde erschaffen. Du hast dem Weltall die Ordnung gegeben, die wir erkennen und bewundern. Du hast den Menschen dazu bestimmt, sich die Erde untertan zu machen, sie zu bebauen und ihren Reichtum recht zu nutzen. Wir danken dir für die Früchte des Feldes und für das Walten deiner Vorsehung. Lass auch die Früchte deiner Gnade in uns reifen: Gerechtigkeit und Liebe. Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht, in alle Ewigkeit."
"Amen", kam die gesammelte Antwort im Chor.
Ein anderer Mann tauschte mit Landau den Platz hinter dem Altar. Beim näheren Hinsehen erkannte ich ihn wieder. Es war Stadtarchivar Thomas Semmelhart, der Bruder von Herrn Semmelhart aus der Hypo-Bank. "Lesung aus dem Buch Exodus", kündigte er an.

Kapitel 38. 13. 9.: Halleluja

"Wort des lebendigen Gottes", beendete er die Lesung wie zum Schluss üblich.
"Dank sei Gott", antworteten die Zuhörer.
Einen Augenblick herrschte Ruhe, danach stimmten die Chöre das Halleluja an.

Kapitel 38. 13. 10.: Evangelium

Nach dem Lied übernahm dann Pfarrer Groll wieder die Leitung des Gottesdienstes. "Der Herr sei mit euch!" rief er in die Umherstehenden hinein.
"Und mit deinem Geiste."
"Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes", fuhr Groll fort.
"Ehre sei dir, oh Herr."
"Unser Herr Jesus sprach: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.
Frohbotschaft unseres Herrn Jesus Christus", beendete der Pfarrer die Lesung.
"Lob sei dir, Christus."

Kapitel 38. 13. 11.: Predigt

Der Caritaspräsident trat an die zentrale Stelle hinter dem Altar. "Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Schwestern und Brüder in Christus", begann er danach seine Predigt.
"Der hervorragende Wein unserer heimischen Winzer und die saftigen Trauben vor dem Altar – sie alle sagen uns: Wir feiern ein Fest. Wir freuen uns gemeinsam auf die Ernte dieses Jahres, wir sind stolz auf die Arbeit unserer Hände und danken Gott, der all das hat wachsen lassen, zu unserer Freude. Wir feiern ein Fest, und das ist gut, denn ich bin überzeugt davon, dass Gott uns nicht zu einem Leben in Trübsinn bestimmt hat, sondern zu einem Leben, das zu seiner Freude hinführt ..."

Kapitel 38. 13. 12.: Glaubensbekenntnis

"Amen", beendete er die Predigt eine ganze Weile später.
"Vergelts Gott."
"Bekennen wir gemeinsam, woran wir glauben", forderte Landau danach auf.
Das Glaubensbekenntnis setzte ein:
"Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde,
und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzet zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige katholische Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen."

Kapitel 38. 13. 13.: Fürbitten

"Gütiger Gott", begann Landau danach die Fürbitten anzukündigen, "du liebst uns wie ein Vater und sorgst für uns wie eine Mutter. Vertrauensvoll kommen wir mit unseren Bitten zu dir."
Eine Sängerin von den "Rhythmix'" kam an den Altar. Landau übergab ihr einen Zettel, von welchem sie gleich darauf die erste Fürbitte abzulesen begann:
"Wir bitten dich für die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind und für uns alle, die wir von den Gaben dieser Erde leben: Schenke uns Weite und Offenheit, dass wir die Güter der Erde gewissenhaft verwalten."
Pfarrer Groll rief im Sprechgesang: "Zu dir, oh Herr, gehen unsre Rufe".
Eine weitere Sängerin des Chores trat hervor. "Wir bitten dich für die Menschen", begann sie vorzulesen, nachdem sie sich einen Zettel genommen hatte, "die aufgrund ihrer Behinderung am Caritasbauernhof in Unternalb oder in einer anderen Einrichtung leben: Lass sie liebevollen Menschen begegnen, die sie verstehen und begleiten ..."

Noch etliche weitere Fürbitten hatten sich angeschlossen. Anschließend setzte der Caritas-Präsident die Leitung der Messe wieder fort. "Gott des Lebens und der Liebe, du erhörst unsere ausgesprochenen Bitten und auch die, die wir unausgesprochen in unserem Herzen vor dich tragen. Wir loben und preisen dich durch Christus, unseren Herrn."
"Amen."

Kapitel 38. 13. 14.: Gabengebet

"Lasset uns beten! Guter Gott, Schöpfer und Erhalter allen Lebens, segne die Früchte der Erde, die wir in Dankbarkeit darbringen, heilige Brot und Wein, und lass uns durch den Empfang deines Sakramentes Frucht bringen, die bleibt für das ewige Leben. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn."
"Amen."

Kapitel 38. 13. 15.: Einleitungsdialog

"Der Herr sei mit euch!"
"Und mit deinem Geiste."
"Erhebet die Herzen!"
"Wir haben sie beim Herrn."
"Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott!"
"Das ist würdig und recht."

Kapitel 38. 13. 16.: Präfation

"In Wahrheit ist es würdig und recht, dir Gott, allmächtiger Vater, immer und überall zu danken. Wir danken dir, Vater, Herr des Himmels und der Erde, und preisen dich durch unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn, dein Wort, hast du die Welt erschaffen und lenkst sie in deiner Weisheit. Ihn, deinen Mensch gewordenen Sohn, hast du uns zum Mittler gegeben. Er hat deine Botschaft verkündet und uns gerufen, ihm zu folgen. Er hat uns erlöst durch sein Kreuz und mit deinem Geist besiegelt. Er ist der Weg, der uns zu dir führt. Er ist die Wahrheit, die uns freimacht. Er ist das Leben und erfüllt uns mit Freude. Durch ihn führst du deine Söhne und Töchter zusammen zu einer einzigen Familie."

Kapitel 38. 13. 17.: Sanctus

Als das Gebet zu Ende war, begannen die Chöre "Hosianna dir in der Höhe" vorzutragen.

Kapitel 38. 13. 18.: Postsanctus

"Ja, du bist heilig, großer Gott", fuhr Landau danach fort, "du bist der Quell aller Heiligkeit. Du liebst die Menschen und bist ihnen nahe. Gepriesen sei dein Sohn, der immer mit uns auf dem Weg ist und uns um sich versammelt zum Mahl der Liebe. Wie den Jüngern von Emmaus deutet er uns die Schrift und bricht das Brot für uns."

Kapitel 38. 13. 19.: Gabenepiklese

"So bitten wir dich, gütiger Vater, sende deinen heiligen Geist über die Gaben von Brot und Wein, erheilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus."

Kapitel 38. 13. 20.: Einsetzungsworte

Ein kurzes Schweigen folgte, in dem das Klingeln zu hören war, welches die Wandlung ankündigte. "Am Abend vor seinem Leiden nahm er beim Mahl das Brot und sagte dir Dank, brach das Brot, reichte es seinen Jüngern und sprach: 'Nehmet und esset alle davon! Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird."
Das übliche dreifache Klingeln folgte. Alle Umstehenden bekreuzigten sich.
"Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch, dankte wiederum, reichte ihn seinen Jüngern und sprach: 'Nehmet und trinket alle daraus! Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis!'"
Abermals war das dreifache Klingeln zu hören, worauf sich wiederum alle Umstehenden bekreuzigten. Ein weiterer Auftritt der Chöre erfolgte als Nächstes.

Kapitel 38. 13. 21.: Darbringung

"Darum, gütiger Vater", nahm Landau danach die Messegestaltung wieder auf, "feiern wir das Gedächtnis deines Sohnes, der uns erlöst hat. Durch sein Leiden und seinen Tod am Kreuz hast du ihn zur Herrlichkeit der Auferstehung geführt und ihn erhöht zu deiner Rechten. Wir verkünden dieses Werk deiner Liebe, bis er wiederkommt, und bringen dir das Brot des Lebens und den Kelch des Segens dar. Wir feiern das Opfer Christi, das er uns anvertraut hat. Er hat sich für uns hingegeben und schenkt uns Anteil an seinem Leib und Blut. Wir bitten dich, schau gütig auf die Gabe deiner Kirche, und gib, dass wir im Geist deiner Liebe für immer verbunden bleiben mit ihm und untereinander."

Kapitel 38. 13. 22.: Epiklese

Pfarrer Groll übernahm. "Barmherziger Gott, schenke uns durch die Teilnahme an dieser Feier den Geist, der uns mit Leben erfüllt, erneuere uns nach dem Bild deines Sohnes, stärke unsere Einheit mit deinem ganzen Volk, mit unserem Papst Johannes Paul, unserem Bischof Christoph, mit allen Bischöfen, Priestern und Diakonen und mit allen Männern und Frauen, die zu einem Dienst in der Kirche bestellt sind. Lass die Gläubigen die Zeichen der Zeit verstehen und sich mit ganzer Kraft für das Evangelium einsetzen. Mache uns offen für das, was die Menschen bewegt, das wir ihre Trauer und Angst, ihre Freude und Hoffnung teilen, und als treue Zeugen der Frohen Botschaft mit ihnen dir entgegengehen."

Kapitel 38. 13. 23.: Intercessiones

"Vater, erbarme dich unserer Brüder und Schwestern, die im Frieden Christi heimgegangen sind und aller Verstorbenen, deren Glauben du allein kennst, lass sie dein Angesicht schauen und schenke ihnen das Leben in Fülle! Wenn unser eigener Weg zu Ende geht, nimm auch uns für immer bei dir auf und lass uns zusammen mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit den Aposteln und den Märtyrern und allen Heiligen dich loben und preisen für unseren Herrn Jesus Christus!"

Kapitel 38. 13. 24.: Doxologie

Beide Priester sprachen dann im Chor weiter: "Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre, jetzt und in Ewigkeit."
"Amen."

Kapitel 38. 13. 25.: Vaterunser

"Mit der Bitte, dass Gott uns gibt, was wir täglich zum Leben brauchen, wollen wir nun beten, wie Jesus Christus uns zu beten gelehrt hat."
Zwei Jungscharleiterinnen der Pfarre begannen daraufhin von allen Seiten Erstkommunionskinder vor den Altar zu holen. Nachdem alle versammelt waren, fassten sie sich an den Händen und bildeten mit den Leiterinnen und den beiden Geistlichen einen Kreis um den Altartisch. Kurz darauf begannen alle der Anwesenden die Liedversion des Vaterunsers zu singen.

Kapitel 38. 13. 26.: Friedensgruß

Pfarrer Groll übernahm wieder die Zelebrierung. "Der Herr hat zu seinen Aposteln gesagt: Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Deshalb bitten wir: Herr Jesus Christus, schau nicht auf unsere Sünden, sondern sieh auf unser Bemühen und auf den Glauben deiner Kirche und schenke uns allen nach deinem Willen Einheit und Frieden. Der Friede des Herrn sei alle Zeit mit euch!"
"Und mit deinem Geiste."
"Gebt einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung!"

Kapitel 38. 13. 27.: Lamm Gottes und Kommunion

Nach dem Friedensgruß und einem weiteren Auftritt der Chöre war Landau wieder an der Reihe bei der Messgestaltung. "Seht das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt."
"Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter meinem Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund."
"Kostet und seht, wie gut der Herr ist!" Der Klingelton folgte, welcher zur Kommunion lud. Ein Gitarrist der "Rhythmix'" begann die Vertonung des Sonnengesangs des Heiligen Franz von Assisi zu spielen.

Kapitel 38. 13. 28.: Schlussgebet

Die Kommunion war vorüber. Landau, der sie gespendet hatte, nahm wieder seinen Platz hinter dem Tisch ein. "Lasset uns beten! Barmherziger Gott, du hast uns im Sakrament das lebendige Brot gereicht. Bewege unser Herz, das irdische Brot mit unseren notleidenden Geschwistern zu teilen und so voll Zuversicht beim Aufbau deines Reiches mitzuwirken. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn."
"Amen."
Ein weiterer Auftritt der Chöre folgte.

Bürgerreporter:in:

Christoph Altrogge aus Kölleda

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