Persönliche Fotografie-Geschichte
Frühjahr 1957. Meine Mutter bekam zu ihrer Konfirmation (damals in der DDR in den christlichen Familien noch ein großes Familienfest!) u. a. einen Fotoapparat geschenkt. Es war eine "Perfekta II", kostete rund 20,-- Mark und war eine Art "Regierungsgeschenk" an die breite Masse der Bevölkerung, die sich eine "wirkliche" Kamera, wie z. B. die Zeiss-Kamera "Praktica" (sie kostete über 400,- Mark) einfach nicht leisten konnte.
Die ersten Fotos, die meine Mutter vorsichtig "schoss", gelangen (im Rahmen der technischen Möglichkeiten!). Ein paar Jahre später kam ihr zur Qualitätsverbesserung der Zufall zu Hilfe. Der Vater ihres Klassenkameraden Peter arbeitete im größten Betrieb der Region ("VEB Büromaschinenwerk Sömmerda", ehemals "Rheinmetall", in der Kreisstadt, wo auch vieles Andere produziert wurde, so auch diese "Perfekta II" - siehe unten auf der Rückseite der Kamera: "VEB Rheinmetall", wie das Werk anfangs hieß).
Dieser Vater, Willy Heim, der von Mutters Kamera wusste, erzählte ihr, dass es in seinem Werk derzeit die Möglichkeit gibt, für nur 5,-- Mark an diese "Perfekta II" eine neue, viel leistungsstärkere Optik anzubauen, eine sogenannte "Meyer-Optik", "unter der Hand", wie er sagte, und sie solle sich schnell entscheiden. Flugs brachte Mutter ihm ihre Kamera und die gewünschten 5,-- Mark. Nach einer reichlichen Woche brachte Herr Heim ihr die erneuerte und modernisierte Kamera zurück (mit ein paar Bedienungshinweisen). Auch die Lederkappe wurde wegen der größeren Optik durch eine größere Kappe ersetzt! Mutter war überglücklich!!
Das Fotografieren konnte beginnen.
Verwendet wurden Schwarz-Weiß-Rollfilme mit 12 Aufnahmen im Format 6x6 cm.
Beim Berufsfotograf wurden dann quadratische "Kontakt-Abzüge" in derselben Größe angefertigt, anfangs noch mit welligen Rändern.
Nach ein paar Jahren wurde dann auch die Ausarbeitung beim Fotograf besser. Man ging außerdem allmählich zum Format 6x9 cm über.
Das Film-Einlegen.
Zunächst musste man mit dem braunen Plaste-Rädchen am Boden der Kamera diese aus der Ledertasche lösen. Alle DDR-Kameras hatten solche Ledertaschen zum Schutz der Geräte.
Nun die leere Filmspule rechts herausnehmen und in die linke Position einklemmen. Dann den neuen Film in die rechte Position einklemmen, so dass das lose Filmende nach links zeigt. An diesem dann vorsichtig ziehen, bis man zur freien linken Spule gelangt. Dann den Anfang der neuen Filmrolle in den langen Schlitz der leeren Filmspule hineinstecken. Danach am oberen runden Knopf (zum Transportieren des Filmes) vorsichtig nach rechts drehen, so dass der Film straff aufliegt.
Dann sofort die Kamera mit dem Deckel schließen, der dann laut klackt.
Nun dreht man am Transportknopf langsam weiter und schaut gleichzeitig in das "Guckloch" auf der Rückseite in der Mitte des Deckels, bis die Zahl "1" erscheint und hält an. Startklar! So ist jedes Foto auf der Rückseite des Filmes mit einer kleinen Nummer bis zur "12" gekennzeichnet.
Dieses "Guckloch" kann man durch Drehen an dem darüber liegenden kleinen grauen Rädchen auch schließen (musste man aber nicht unbedingt) und wieder öffnen.
Nun musste noch vorn der quadratische Träger des Objektivs mit einem leichten "Ruck" aus der Kamera herausgezogen werden, so dass er hörbar einrastete.
Das Fotografieren mit manueller (!) Einstellung kann beginnen.
Zuerst musste die Entfernung ungefähr eingeschätzt und eingestellt werden.
Dann waren 3 Fakten zur Einstellung des Objektivs zu beachten, die sich Mutter fest einprägte und bis zur Wende und somit zum Kauf der ersten preiswerten, automatischen (!!) "West-Farbkamera" beherzigte und mit denen sie durchweg gute Erfahrungen gemacht hatte (über 30 Fotoalben übervoll mit meinem Kindheitsalltag und somit auch DDR-Alltag - : Eine schöne, sehr interessante Schwarz-Weiß-Dokumentation!).
Einstellungen:
Außenaufnahmen bei Sonnenlicht: 11/50
Außenaufnahmen bei bedecktem Himmel: 8/25
Aufnahmen in Räumen: 5,6/25
Nachfolgend nun Fotos von der ganzen und momentan "zerlegten"
"Perfekta II" sowie im Anschluss einige alte Fotos "aus grauen Vorzeiten", wie meine Mutter gern sagt. Die Leidenschaft zum Fotografieren gab es in unserer Familie jedoch schon viel, viel früher! Der Onkel meiner Mutter, Curt Müller aus Gorsleben (an der Unstrut), fotografierte eifrig auf Glasplatten, auch im 1. Weltkrieg (siehe "Gorsleben in den 1960er Jahren. Zeichnungen von Maxi Herta Altrogge"), in dem er 1916 bei Verdun fiel.
Von der Überfülle der Fotos aus meiner Kindheit seien hier nur einige Kostproben gezeigt. Mit der "Wende" ging die gute alte "Perfekta II" dann "in Rente". Wir hüten sie wie einen Schatz!
Bürgerreporter:in:Christoph Altrogge aus Kölleda |
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