Von den schönen Perchten: Heiratsschau der Jungmänner oder Weckruf an die Natur
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1. Die Schönperchten(Tafelperchten) im Salzburger Land:
1.1 „Repräsentation und Verehrung der wiedererstarkten Sonne als Abbild des wieder auferstandenen Christus“
Mit prächtig bunt geschmückten Tafelbrettern auf dem Haupt ziehen die unverheirateten jungen Burschen im Gasteiner Tal zu Frühjahresbeginn in langgestreckter Schar beim Perchtenlauf durch die heimischen Felder. Eine Vielzahl künstlicher Blumen, aufwändiger Stickereien, wertvoll erscheinender Besitz zieren diese Schmucktafeln. Da glitzert gold- und silberfarbiges Lametta, bricht sich das Licht in Hunderten von kleinen aufgeklebten Spiegeln. Es heißt, damit soll der Beginn des Frühlings begrüßt, die wieder länger werdenden Tage und die wieder erstarkte Sonne gefeiert werden. Ein Brauch, der von allen in den Alpendörfer in vorchristlicher Zeit vermutet wird, aber doch in Duldung mit der christlichen Obrigkeit wohl seit Jahrhunderten, gar Jahrtausenden kaum verändert so ablaufen kann.
Ganz einfach ließen sich die Festtage um die Tag- und Nachtgleiche, die im Alpengebiet den antiken Göttern der Römer und Südslaven gewidmet waren, wie Mitras, Apoll, Silvanus etc., ja durch das ganz gewollt auf diesen Termin um gesetzte Weihnachtsfest überlagern und so mit christlicher Bedeutung umdeuten. Während die beiden erstgenannten Götter auch ursprünglich als Sol invictus (unbesiegte Kraft des Sonnenlichtes) bezeichnet und verehrt wurden, überträgt man den Namen im erstarkten Frühchristentum schnell auf die Christusfigur. Allen diesen alten Göttern, wie ja auch Dionysos, Osiris und Orpheus, die nach antiker Sage geschunden, zerfetzt und getötet wurden und ebenso wie in der christlichen Mythologie auch wie Christus „in die Unterwelt gingen und dann wiedergeboren wurden“, galten ja schon weit vor christlicher Invention Wiedergeburtskulte und Mysterien.
Die Beobachtung der Sonne selbst und ihre vorgeschichtlichen Kulte gaben hierzu ja die entscheidenden Vorlagen. So erscheint auch der wiedergeborene Christus in der Tafelmalerei ebenso wie später auch das profane Nachbild von König Louis 14., dem Sonnenkönig, vom Strahlenkranz der Sonne umgeben. Umdeutungen, oder wie man heute in der Politik sagen würde, “alternative Wahrheiten“ gestalten ja schon immer die Überzeugung der Masse.
1.2. „ Bräutigamsschau“
Lassen Sie uns diesen Brauch aber von einer ganz anderen, recht pragmatischen Seite anschauen:
Nur bei ganz wenigen Veranstaltungen war es der Dorfjugend, vor Allem den in Hausarbeit eingespannten (eingesperrten) Mädchen möglich, sich unter einer größeren Zahl von Jungen geeignete Lebenspartner aus zu erwählen . Selbst ein Dorftanzfest war ja eher ein Fest für die bereits Verheirateten und ob das patriarchale Familienoberhaupt die als „minderjährig“ und unerfahren eingestufte Tochter überhaupt zu solchem Treiben ließ, war ja immer fraglich. Der verstohlene Blick während des sonntäglichen Kirchgangs durch die verstreut sitzenden Jungmannen auf der anderen rechten Kirchenhälfte, half da wirklich auch nicht weiter.
So war ein Paradeaufzug der Schönperchten, also aller noch zu habenden Männer, natürlich die beste öffentlich ungezwungene Gelegenheit. Bei dieser „ Beschauung “ ließ sich an Hand der Größe und Stattlichkeit der Figur, von Art und Stärke der unter den Lederhosen freiliegenden Wadeln, gut erkennen, ob der zukünftige Bauer auch genug Kraft für die harte Arbeit mitbrachte, an Hand des Aufwandes für die Gestaltung der prestige- trächtigen Schmucktafel ließ sich der Besitz einschätzen und natürlich mag der Blick der Mädchen am Wegesrand auch in den Gesichtern der Paradierenden emotionale Informationen abzulesen versucht haben. Denn im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern des Perchtenzuges, besonders den als Gegenpart zu den Schönen auftretenden Wüaschtperchten in Tiermasken („Teufelsmasken“) sind die Tafelperchten bis auf Ihren Aufsatz unmaskiert. Das ist auffällig.
1.3. Wettbewerb in der Jungsteinzeit“
In dieser Form des „Aufmarschierens“ von unverheirateten Jungmännern sehe ich als Hobbyethnologe große Ähnlichkeit zur heutigen Bräutigamsschau der in matrilinearen Gesellschaften der Sahelzone Afrikas beheimateten Männer der Wodabe und anderer Fulbe- und Peul-stämme: Für den Heiratsmarkt schminken sich die jungen Wodabemänner aufwändig mit Henna, feilen die Zähne, polieren sie mit Quarzsand reinweiss, umranden die mit Tollkirschsaft aufgeweiteten Augen gekonnt mit Holzkohlepaste etc., um in den auswählenden Augen der jungen Frauen, in deren Besitz sie einheiraten wollen, zu gefallen)
Wenn wir jetzt aber ganz weit in die Vorgeschichte bis ins Neolithikum zurückblicken, um zu fragen, woher dieser Schönperchtenlauf kommt, darf ich ein Szenario des neolithischen Lebens in einem Dorf der ersten Ackerbauern aufbauen. Wenngleich in einer Zeit ohne schriftliche Beweise und nur auf Ausgrabungszusammenhänge fundiert, scheinen die Frauen in den Donaukulturen des Balkans und Ungarns weitgehend zusammen mit Kindern und Alten allein die Dörfer sesshaft bewohnt und matrilinear regiert zu haben, während die Gruppe der jungen ungebunden eher leichtfüßigeren Männer hinter dem Wild hinterher ziehen musste oder mit domestizierten Tieren von Weide zu Weide zog. Nur an wenigen Festtagen konnten sie vornehmlich zur Partnerwahl oder zur Familie ins Dorf zurück.
Überliefert sind aus Catal Hüyük in Kleinasien aber vor allem aus minoischer Zeit Schauwettkämpfe, Paraden und Stierspiele zur profilierenden Vorstellung der rückkehrenden Jungmänner in der Bräutigamsschau. Wie an Hand von kleinen Figürchen der Vinca-kultur von Maria Giambuttas vermutet wird, wurden dabei aber auch Tiermasken getragen. Waren beim Fest der Rückkehrer die bereits vergebenen Männer für die Partnerwahl vielleicht tabu und hinter Tiermasken versteckt, die unvermählten, die zur Brautschau frei waren, dagegen als Vorform der Schönperchten unverhüllt, vielleicht sogar zur „Fleischbeschau“ weitgehend nackt wie bei den späteren olympischen Spielen?
Sind diese vorgeschichtlichen Bräutigams-paraden dann über die dionysischen Mysterienläufe Griechenlands mit den Satyrn als Tiermaskenträger und dem Silvanuskult der Römer in Österreich-Ungarn bis zu den Perchtenläufen im Salzburger Land vielleicht sogar nach zu verfolgen?
2. Sonderformen
2.2. Die Blumari
In mehreren slowenischen und norditalienischen Gegenden Friauls, ebenso wie in einigen Orten der Steiermark, die von slowenischem Volkstum beeinflusst sind, gibt es einen Frühlingsbrauch, bei dem die unverheirateten Männer mit hohen spitzen blumengeschmückten Hüten durch die Felder laufen, um ,wie man glaubt, die Natur nach langer Winterpause wieder zum Blühen und Fruchten zu bringen. Beziehungen zum vorher bereits Geschilderten sind natürlich vorhanden. Auch diesen Blumari werden wettbewerbs-mäßige Aufgaben gestellt, so z.B. in Krakaudorf in Kärnten . Dort müssen sie bei der Rückkehr ins Dorf wie beim Hürdenlauf über gespannte Schnüre springen und Ihre Geschicklichkeit zeigen. Grundsätzlich heißt es bei den meisten dieser Veranstaltungen: Je höher der Percht springt, desto höher wachsen im kommenden Jahr die Ähren.
2.3. Die Schönkläuse im Appenzeller Land und in Urnäsch
Wie es mir scheint, wollen die Schönperchten im Gastein und im Salzburger Land durch den Glanz und den Schmuck Ihrer Tafeln, Hinweise auf den für eine Potentielle Braut zu erwartenden Reichtum geben. Auf den großen hutähnlichen Aufsätzen des Appenzeller Landes erzählen die „Schönen Kläuse“ in der Nordostschweiz dagegen schon mit kleinen liebevoll applizierten Figuren von arbeitenden Menschen, geschmückten Kühen und Kleinvieh, mit ganzen Bauernhofmodellen also eindrucksvoll von dem auf dem Hof zu erwartenden Leben. Das Gesicht des Jungbauern, der sich auf die Suche nach einer Frau gemacht hat, ist dagegen verdeckt durch eine rosig fast weiblich schön wirkende Maske aus gewachstem Tuch (sogenannte Bergamesker Larve). Waren die darunter versteckten echten Gesichter denn gar so grob und klotzig gehauen, dass sich solche Schönmalerei auszahlte?
2.4. Die Tresterer im Pinzgau
Während die Wüaschperchten, die Teufel, beim Perchtenlauf von Hof zu Hof als laut hörbare Bedrohung vor den Wohnungstüren warten müssen, vollführen die Tresterer in Stuhlfelden in der guten Stube ihren Stampftanz.
In schönster Kleidung und prächtig geschmückt ist ihre Körperhaltung allerdings gebückt und das Gesicht der unverheirateten Männer hinter herunterhängenden Woll- und Stofffäden ganz verborgen. Das überrascht, wollte man diesen Auftritt allein als Brautwerbung abtun, wäre die Verhüllung des Gesichtes dazu eher ungeeignet, es sei denn, man wolle durch die Kleiderschau die materielle Stellung des Trägers allein gelten lassen.
Weiterführend ist allein aber schon der Name: Trestern kennt man sonst nur vom Zerstampfen der Trauben für die Weinherstellung, die es allerdings im nebligen Salzachtal nicht gibt. „Stampftänze im Frühjahr kennt man allerdings sowohl bei Wüascht- als auch bei Schönperchten: damit sollen im Boden die Geister der Ahnen erweckt und für das Erkeimen der Natur sorgen.
Auch eine weitere Verbindung ist denkbar: Das geerntete Getreidestroh wurde, soweit keine bessere Methode vorhanden, auf der Tenne auch mit den Füssen gestampft, um die Körner zu lösen. Oft wurde in ärmeren Schichten der Bevölkerung das bereits im Herbst leergedroschene Stroh im Frühjahr durch Stampfen nochmals bearbeitet, um auch noch die letzten Körner zur Aussaat zu gewinnen. Das ist in manchen Gegenden in Deutschland auch der Hintergrund des Maienbrauches vom Strohbär oder Erbsbär. Ein ganz in ausgedroschenes Stroh gewickelter Mann wird bei diesem Fruchtbarkeitskult durch Schläge über die Felder getrieben. Ganz praktisch, dass er dabei auch noch die letzten verborgenen Erbsen und Getreidekörner auf den Feldern verliert.
2.4 Die Schönen aus Kirchseeon
Eine ganz eigenständige und in kaum einer Weise mit alter Tradition verflochtene Erscheinungsform der Schönperchten ist die Musikantengruppe der Perschten von Soj in Kirchseeon bei München.
Während sich die Gestaltung der Doppelmaske von Frau Perchta mit einem strahlend schönen Frauengesicht im Sonnenkranz nach vorn und einer nach hinten gerichteten zweiten Maske als Teufelsfratze ganz im Rahmen von bekanntem Salzburger Brauchtum orientiert, lies Hans Reupold, der begnadete Schnitzer, bei den „Ungeheuern“ der Wüaschperchten seiner Phantasie ganz freien Lauf. Kirchseeon und das Rotttal mit seinen Wäldern hatte schon am Ende des 18. Jhdt.s billige Holzarbeiter aus Österreich für den Münchner Bedarf angelockt. Diese brachten im 19. Jhdt. wohl auch Ihren Perchtenlauf mit selbst gemachten einfach geschnitzten Masken in die Münchner Randgemeinde. Da gab es aber auch die großen klobigen Masken der derben Klaubäufe aus Matrei ebenso wie die flach gehaltenen kleinen Tuiflsmasken mit Ziegenhörnern der Weihnachtsspiele aus Oberösterreich und dem Salzburger Land. Wohl in Anlehnung an die Osttiroler Masken gesehen in Volkskundebüchern lies Reupold aus großen Wurzelstöcken mit geschultem Auge die ersten ingeniösen Naturgeister zum Leben erwachen. Nie gab es bei ihm Ähnliches, immer wieder entstanden ganz außergewöhnliche fast surreal anmutende Neuschöpfungen.
Während wie bereits erklärt anderenorts die Schönen immer unmaskiert sein mussten, übernahm Reupold wohl auch aus alten Maskenbüchern internationaler Bräuche die bärtige Maske der „Römer“, der Moros, wie sie in den Passionsspielen der katholischen Christen auf den Philippinen bereits existierte, für seine Musikergruppe von Schönperchten. Während die philippinischen Masken wie metallgehämmerte Schlupfhelme aus hauchdünn ausgehöhltem leichtem Maulbeerbaumholz sogar mit beweglichen Visierklappen hergestellt sind, stand dem bayerischen Maskenschnitzer nur schweres hartes Lindenholz zur Verfügung. Trotzdem sind auch die etwas klobigeren derben Maskengesichter der Schönen, wie sie jetzt auch vom nicht minder begabten Schnitznachfolger Schafbauer für die mit Zimbeln ausgerüstete Musikergruppe gemacht werden, ganz einmalig auf europäischer Flur. Bemerkenswert ist auch das kleine, eben erst eröffnete und mit moderner Museumstechnik ausgerüstete Museum der Reupold´schen Perchten, das Maskeum, welches in einigen Räumen im oberen Stockwerk der Mittelschule untergebracht ist .
3. Postscriptum: An einer etwas unglaublich klingenden Deutung von Schönperchten werden wir noch zu arbeiten haben: Bei unseren Recherchen über den Ursprung des Perchtenlaufes von Neolithikum über eleusinische Mysterien und Dionysien bis zum Kult um die illyrisch-römische Göttin Prendha hörten wir in Albanien von einer vorchristlichen Kultstätte Shene Prendja (Shene Prende) im gebirgigen Hinterland von Lezhes genau in der Mitte zwischen Shkodersee und der Hauptstadt Tirana. Selbst mit den Koordinaten(41'38''34'''N,19'47''55'') konnten wir die dicht im Wald versteckte Stätte nicht finden bzw. kamen mit dem Auto nicht nahe genug heran. Weder im Archäol. Museum Shkoder noch im Natmuseum in Tirana fanden wir hierüber Informationen. Vielleicht hat ja jemand anderes da mehr Glück und findet über den Kult um die Perendeshi (Göttin) Prendja mehr heraus.
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
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