Königs - Elefant "Jack" oder Der Schicksalstag eines Zirkus-Elefanten
Unter der Rubrik "Die historische Reportage" berichtete der OP-Redakteur Carsten Beckmann am Samstag, d. 23. Dezember 2000, in der Oberhessischen Presse über das Schicksal eines Zirkus-Elefanten. Herr Beckmann erinnerte mit seinem Artikel an die Geschehnisse vom 13. Februar 1863 in Kirchhain.
Seit dem 11. Februar befand sich der kleine Wanderzirkus von Anton Grubhofer mit seinen wenigen Wagen im Hof des Gasthauses "Zum Hirschen" in der Borngasse der Ohmstadt. Auf einigen Plakaten war eine Vorstellung für den 13. Februar angekündigt und als Attraktion der 22-jährige Elefantenbulle "Jack". Der 86 Zentner schwere Koloss hatte von seinem Dompteur, Samuel Hampton, gelernt mit dem Rüssel auf der Mundharmonika zu spielen, zu Tanzen und auch Verbeugungen und andere Verrenkungen in der Manege vorzuführen. An diesem Freitag, d. 13. Februar 1863, war "Jack" jedoch vollkommen verändert. Für die Menschen erschien der Elefant aggressiv und unberechenbar. Wie man jedoch heute weiß, folgte der Königs-Elefant nur seinem Geschlechts- und Sozialtrieb und würde in der Freiheit mit Artgenossen um die Rangordnung in der Herde kämpfen und mit seinem Verhalten versuchen eine Elefantenkuh zu beeindrucken.
In dem Zeitungsartikel von Herrn Beckmann können wir über die Ereignisse des Tages folgendes lesen:
".... Um zwei Uhr am Nachmittag soll die Vorstellung beginnen. .... Doch Samuel Hampton merkt, dass sein Schützling nervös ist, als er sich dessen Gitterwagen nähert. Jack pendelt mit Kopf und Rüssel hin und her. .... Je näher Samuel kommt, desto aufgeregter wird der riesige Elefantenbulle. Er rollt den Rüssel und trompetet. Mit dem Kopf drückt Jack gegen die Gitterstäbe. .... Jack wütet weiter in seinem Verschlag. Die Gitterstäbe vor dem massigen Schädel verbiegen sich, platzen dann mit knallenden Geräuschen aus splitterndem Holz. Dicke Bohlen bersten, als sei der Käfig eine Obstkiste. Samuel rennt zurück in den Gasthof und knallt die schwere Tür hinter sich zu. Der Hof des "Hirschen" gleicht bald einem Schlachtfeld. Alle ergreifen die Flucht. Das Hoftor wird, so gut es geht, verrammelt. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht von dem tobenden Tier in Kirchhain, Schaulustige eilen aus der Stadt und den umliegenden Dörfern herbei. Die Stadtväter werden nervös, bedrängen nach einer Weile den aus Innsbruck stammenden Menageriebesitzer: Das Tier muss getötet werden, sagen sie, die öffentliche Ordnung ist in Gefahr. .... Der Bulle wütet unterdessen weiter, die immer zahlreicher werdenden Gaffer an der Ostmauer des Hirschhofs provozieren das Tier. .... Gift, meint einer, wir vergiften ihn. Der Apotheker wird gerufen, dann werden mit Strychnin präparierte Brötchen über die Mauer geworfen. Drei, allerhöchstens sechs Gramm müssten ausreichen, um das Nervensystem des Dickhäuters zu lähmen. Jack schnuppert an den Brötchen. Er frisst davon, .... Jack fällt nicht, und macht auch keine Anstalten sich zu beruhigen. .... Aus Kirchhain, Niederwald und Stausebach werden alle geholt, die sonst im heimischen Forst auf Zwölfender und Wildsauen, auf Füchse und Fasane anlegen. Keine Stunde später feuern die Jäger aus allem, was sie in ihren Waffenschränken auf die Schnelle finden konnten. Auch aus Marburg treffen Jäger ein. .... Ununterbrochen prasseln hunderte von Kugeln auf die graue Haut. Aber Jack tobt scheinbar unbeeindruckt weiter. Nur wenn die Jäger auf seinen Rüssel zielen, wenn das Blei dort die feinen Nerven trifft, bricht der Bulle in sein markerschütterndes Gebrüll aus. Blindwütig rast er durch den Hof auf der Suche nach einer Lücke, eine Möglichkeit zur Flucht. .... Und seine Richter und Henker haben sich inzwischen auf die Stelle verständigt, an der sie ihn treffen müssen: Am Kopf, am besten durch das Auge muss die Kugel eindringen. .... Im Kugelhagel und Pulverdampf, im Krachen der Büchsen und im Gebrüll Jacks erleben die Kirchhainer dann, wie die Bewegungen des Tieres auf einmal langsamer werden. Jack wirft Kopf und Rüssel nach hinten, wankt wie ein schwer getroffener Boxer.... In einer riesigen Staubwolke sinkt Jack auf dem Hof des Gasthauses nieder. Einmal noch strecken sich die Beine aus; ein letztes Zucken geht durch die Hautfalten. .... Der Elefant ist erlegt. .... Der Fangschütze wird ermittelt, ein Dr. Brandau aus Marburg soll Augenzeugen zufolge den tödlichen Treffer abgegeben haben. .... Mit 100 Talern in der Tasche verlässt Jacks Besitzer wenige Tage später die Stadt. Das anatomische Institut der Marburger Universität hat den Kadaver gekauft, um das Skelett zu präparieren. Von drei Pferden durch Matsch und Staub gezogen, treten die Überreste des "berühmten großen Königselefanten Jack aus Indien" ihren Weg an nach Marburg in die Ketzerbach, wo das Skelett später zur Schau gestellt wird." Soweit der Bericht von Herrn Beckmann in der Oberhessischen Presse.
Wer sich heute das Skelett des Elefanten Jack einmal ansehen möchte, kann dies gerne tun. Mit großem Aufwand wurde es zusammengesetzt und ist im Foyer des Fachbereichs Biologie in der Karl-v.-Frisch-Straße auf den Lahnbergen zu bestaunen.
Bürgerreporter:in:Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain |
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