Späte Reue eines Beamten
Wie glücklich habe ich noch in 1973 die Urkunde entgegengenommen und allzeitige Treue geschworen: Im Namen des Landes Hessen sind Sie jetzt ein Beamter!
Mittlerweile ist diese Urkunde gefühlt wie ein Urteil im Namen des Volkes. Ich verurteile Sie als Volksschmarotzer.
Überall hackt man mittlerweile auf mir herum. Diese Beamten haben niemals in ihrem Leben einen Pfennig bzw. Cent Rentenbeitrag bezahlt! Überall kann man es lesen und hören, es ist wie ständige Schläge auf mein treues Staatsdienerhaupt. Recht haben sie! Diese kläglichen Ausreden der Beamten. Kein Streikrecht und die Lohnerhöhung wird im Parlament abgestimmt. Obwohl – was so ein Streik von gewissen Leuten so alles durcheinander bringen kann. Lokführer und Piloten können da ja regelrecht erpressen. Da denkt doch gleich jeder: Was waren das noch für Zeiten, als die Lokführer Beamte waren!
Gut, dass die Politiker uns die vielen Nullrunden bei den Besoldungserhöhungen verordnet haben und jetzt eine Obergrenze für die Zukunft beschlossen haben. Da kann man froh darüber sein, wenigstens damit einen Beitrag zur Rettung der Nation leisten zu dürfen.
Ich bedauere auch alle Rentenbeitragszahler. Echt! Was ich nur nicht wirklich verstehen will, ist, dass sie ihre Beschwerden nur an uns armen Beamten auslassen. Wir können doch nichts dafür, dass man das Rentensystem wie einen Kettenbrief organisiert hat. Etwas positiver ausgedrückt ist es das Bausparkassenprinzip – nur wenn genug neue Einzahler da sind, bekommen die Alten eine entsprechende Zuteilung. Und dass man lieber das Geld des deutschen Gemeinwohls in Kredite und Bürgschaften für Zocker-Banken und Vetternwirtschaft im Süden ausgibt, ist auch nicht unsere Schuld. Und diese staatliche Drückebergerei mit der Riester-Rente. Kann ich da etwas dafür?
Diejenigen, welche diese Vorsorge im Alter benötigen werden, können sie sich in der Jugend aber nicht leisten.
Was kann ich denn jetzt konkret tun, um dem deutschen Rentner mit seinem Rentensystem zu helfen?
Ich muss für stetiges Wirtschaftswachstum sorgen! Vollbeschäftigung füllt die Rentenkassen. Natürlich wäre es Blödsinn, wenn ich mir drei Autos und vier Waschmaschinen kaufen würde. Aber wenn ich das deutsche Brauerei-Wesen unterstütze, dann ist das genauso gut.
„Beamter trinkt für die Rente der Arbeiter!“ - ich sehe schon die Schlagzeile in der BILD.
Also nicht die Nase rümpfen, wenn ihr mir begegnet und ich eine Fahne habe oder wenn ich unerwartet vom Barhocker kippe. Natürlich schleppe ich mir meine Bierflaschen nicht nach Hause. Außer der Brauerei sollen ja auch noch ein Wirt, seine Bedienung und ein Taxiunternehmer etwas davon haben.
Kontraproduktives Sparen ist das Hauptübel, welches Wirtschaftswachstum und volle Rentenkassen verhindert. Da mache ich nicht mehr mit.
Schon schlimm genug, dass ich überhaupt Beamter geworden bin. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, ich würde auch auf meinen Zweit-Berufswunsch Comedy-Star verzichten, weil ich ja dann eine private Rentenversicherung reich machen müsste und durch mein labiles Wesen wäre ich leicht geneigt, Steuern zu hinterziehen.
Mein Beruf würde sich nur an folgender Frage orientieren: „Darf ich hier auch meinen Rentenbeitrag bezahlen?“
Bürgerreporter:in:Hansheinrich Hamel aus Kirchhain |
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