Fremde Sachen, eigenes Foto - Darf ich anderer Leute Eigentum einfach so fotografieren?
Wer - so wie ich - gern mit dem Fotoapparat durch die Gegend streift, bannt damit jedenfalls in unseren Breiten zwangsläufig Dinge auf die Speicherkarte, die jemand anderen gehören. Die Frage ist, darf ich die eigentlich so ohne weiteres fotografieren? Und was darf ich mit dem Foto machen? Brauche ich die Zustimmung des Eigentümers, wenn ich das Bild beispielsweise auf den Internetseiten von „myheimat“ veröffentliche? Vielleicht hat sich der eine oder andere „Myheimatler“ sich diese Fragen ebenfalls schon gestellt. Deshalb schreibe ich hier meine Gedanken dazu einmal nieder.
Eins vorweg: Eine Rechtsberatung ist dies nicht. Und ich hoffe zwar, dass ich mit meinen Überlegungen richtig liege, kann dies aber nicht garantieren. In eigenen Zweifelsfällen sollte man daher den Rat eines erfahrenen Zivilrechtlers einholen. Und noch eine Anmerkung. Da ich aus Hannover komme, habe ich mich nur mit dem bundesdeutschen Recht beschäftigt. Der Frage, welche Rechte etwa ein Eigentümer in den Niederlanden, in Dänemark, Polen, Spanien oder gar in den verschiedenen Bundesstaaten der USA hat, bin ich nicht nachgegangen. Auf der anderen Seite der Grenze kann mithin möglicherweise alles ganz anders aussehen.
Nach so viel Vorbemerkung zurück zum Thema. Die Antwort gleich zu Anfang: In der Bundesrepublik Deutschland darf ich grundsätzlich Gegenstände in fremden Eigentum fotografieren und mit dem Bild machen, was ich will. Es gibt bei uns kein Recht am Bild der eigenen Sache. Für Tiere gelten in diesem Zusammenhang die sachenrechtlichen Vorschriften. Ein Hundehalter kann - jedenfalls rechtlich gesehen - nicht verhindern, dass ein Fotograf seinen Liebling beim Gassi-Gehen aufnimmt und das Bild anschließend veröffentlicht, sogar wenn es kommerziell ist.
Wer jetzt aber glaubt, damit sei alles klar, wiegt sich zu früh in Sicherheit. So einfach ist die Sache dann doch nicht.
Wovon heute nicht gesprochen werden soll
Ausklammern will ich hier die Frage des Fotografierens von Gegenständen, auf denen etwa ein deutlich sichtbares Markenzeichen/Logo zu sehen ist. Hier stellen sich unabhängig davon, wem das Ding mit dem Logo oder anderer Kennung gehört, möglicherweise markenrechtliche Fragen. Das ist bestimmt auch ein interessantes Thema für Fotografen, würde hier aber den Rahmen sprengen. Ebenso lassen wir hier einmal die Fälle außen vor, auf denen neben Sachen auch noch Personen zu erkennen sind. Klar: fotografiere ich nicht nur den fremden Hund allein, sondern kommt Herrchen mit ins Bild, habe ich die Persönlichkeitsrechte des Hundehalters, sein Recht am eigenen Bild, zu beachten. Das Recht am eigenen Bild ist ein sehr spannender Aspekt im Fotografenleben, gehört aber nicht in diesen Beitrag. Ausklammern will ich daneben die Frage, ob etwa bei einem Foto mit einem fremden Auto das Nummernschilder unkenntlich zu machen ist oder nicht, ebenso wie Fragen des Designschutzes oder des Urheberrechtes allgemein (obwohl ich hier und da vielleicht doch einmal auf das Urheberrecht zurückkommen muss). Vielleicht nimmt sich ja ein anderer Myheimatler einmal dieser Punkte an und schreibt etwas dazu. Heute beschränke ich mich rein auf das Eigentum (von dem jeder hofft, irgendwann einmal viel davon zu haben).
Oje, die Vorrede ist schon so lang geworden und ich fange mit dem Thema jetzt erst an. Ich hoffe, es gibt Leser, die wenigstens noch ein Stück weit durchhalten.
Eigentum - was wird da eigentlich geschützt?
Ausgangspunkt aller Überlegungen ist erst einmal das, was der Gesetzgeber vorgibt. Da es um Eigentumsfragen geht, sind hier bei uns in der Bundesrepublik Deutschland die Regelungen der §§ 903 und 1005 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - einschlägig.
§ 903 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und - jetzt kommt‘s! - andere von jeder Einwirkung ausschließen kann.
Der andere maßgebende Paragraf mit der Nummer 1004 des BGB besagt in seinem Absatz 1: „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“
Fotografiere ich eine fremde Sache, so wirkte ich nicht auf diese ein. Allein, dass ich das von der Sache reflektierte Licht nutze, um entweder chemische Reaktionen auf einer Filmemulsion hervorzurufen oder elektrische Reaktionen auf einem Chip, berührt ja in keiner Weise den Bestand einer Sache. Entsprechend kann ich eine Sache x-beliebig oft fotografieren, ohne sie in irgendwie körperlich zu beeinträchtigen.
Bei Juristen ist ja manchmal, je höher das Einkommen, auch eine umso höhere Affinität zum Eigentum zu verzeichnen. Es wundert da nicht, dass oft in der juristischen Argumentation lediglich pro Eigentum gedacht wird und so mancher Richter dem nicht ausgesprochen widerstrebend folgt. In Fall der Fotografie haben wir als Fotografen aber beim Bundesgerichtshof - das ist höchste Zivilgericht der Bundesrepublik - gleichwohl schon mal eine gute Karte gezogen, es ist zwar nicht die „Herz 10“ im Doppelkopf, ein Ass ist es immerhin aber doch und sticht erst einmal. Aber können wir Fotografen uns nun beruhigt zurücklehnen oder lacht am Ende doch der Eigentümer zuletzt und damit sprichwörtlich am besten?
Anita - Ein ku(h)rioser Fall
Bei meinen Recherchen im Internet bin ich auf den - ich will ihn mal so nennen - „Kuh-Fall" gestoßen. Ein Amtsrichter des Amtsgerichtes Köln musste sich mit der gewerblichen Verwendung eines fotografischen Abbildes einer fremden Kuh herumplagen (AG Köln, Urteil vom 22.06.2010 - Az. 111 C 33/10 -). Nun befinden sich Amtsrichter zwar auf der untersten Stufe der gerichtlichen Hierarchie. Aber ich denke, Richter an Obergerichten werden zwar besser bezahlt, aber deshalb müssen ihre Entscheidungen nicht zwingend auch besser sein. Das Amtsgericht Köln hat jedenfalls eine sehr kluge und richtige Entscheidung getroffen.
Es ging um in dem Rechtstreit um Folgendes: Die Klägerin war Bäuerin und hielt auf einer Weide auch Kälber, darunter das Kälbchen Anita. Der Beklagte warb für eine „Kuh-Charity-Party“ mit Bildern vom Kalb Anita. Anita war eindeutig anhand der lesbaren Ohrmarke zu identifizieren. Ein Einverständnis, das Abbild von Anita zu verwerten, erst recht nicht kommerziell, wurde jedenfalls nach dem Vortrag der Klägerin nicht erteilt.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Gründe des Urteils sind In begrüßenswerter Klarheit und Eindeutigkeit abgefasst, dass ich hier einige Stellen wörtlich zitiere: „Die Klägerin hat insofern gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Denn ein eine Rechtsgutverletzung begründender Eingriff hinsichtlich des Rechts am Bild des Kalbs der Klägerin "Anita" durch die Beklagte ist nicht gegeben. Eine Eigentumsverletzung der Klägerin durch die Beklagte ist nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Beklagte die Fertigung der Fotos, die unstreitig durch die Zeuginnen L. und M. bei einem Besuch auf dem Hof der Klägerin erfolgte, zurechnen lassen muss. Denn Eigentum der Klägerin ist weder durch die Fertigung der Fotos noch durch deren Verbreitung verletzt worden. Das Rinderkalb "Anita" der Klägerin ist weder durch die Fertigung der Fotos noch durch deren Verbreitung durch die Beklagte verletzt bzw. beschädigt worden. Weder das Fotografieren selbst noch die gewerbliche Verwertung von Fotografien ist als Einwirkung auf das Eigentum anzusehen (BGH NJW 89, 2251). Der Fotografiervorgang lässt als Realakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers unberührt. Es fehlt auch an einer tatsächlichen Einwirkung auf das Eigentum. Diese kann nach der Rechtsprechung zwar nicht nur durch eine Substanzverletzung, sondern auch durch eine sonstige die tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers treffende Einwirkung auf die Sache erfolgen. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen der Eigentümer in der tatsächlichen Nutzung seiner Sache beeinträchtigt wird, indem deren Benutzung be- oder verhindert wird. Darum geht es beim Fotografieren hingegen nicht. Der Fotografiervorgang hat keinerlei Auswirkung auf die Sache selbst. Er hindert den Eigentümer nicht daran, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und stört ihn auch nicht in seinem Besitz (BGH a. a. O.). ….Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB. Die insofern allein in Betracht kommende Eingriffskondiktion setzt voraus, dass ein in der Klägerin zugeordnetes Recht eingegriffen wurde. Dies ist jedoch - wie bereits dargelegt - nicht der Fall. Auch hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 687 Abs. 2, 681, 667 BGB. Denn da - wie bereits dargelegt - weder das Fotografieren noch die Verwertung der Abbildungen dem Rechtskreis der Klägerin zuzuordnen ist, hat die Beklagte schon kein fremdes Geschäft geführt.“
Soweit, so schön. Allerdings warf die Bäuerin dem Nutzer des Fotos ebenfalls vor, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt zu haben. Indes, auch insoweit hatte die Klage keinen Erfolg. Der Richter meinte, das Bild ihrer Kuh lasse keine Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Klägerin zu.
Im Urteil des Amtsgerichtes Köln finden sich allerdings auch ein paar allgemeine Sätze zum Persönlichkeitsrecht. Und hier sollte man als Fotograf hellhörig werden. Ich zitiere aus der Entscheidung: „Zwar kann in der unzulässigen Fertigung und Verbreitung von Fotos grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen. Erforderlich ist insofern jedoch stets ein Bezug zur menschlichen Persönlichkeit, z. B. dadurch, dass sich durch die auf dem Foto abgebildeten Sachen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Rechtsgutsinhabers, hier der Klägerin, schließen lassen. Dies ist etwa angenommen worden, bei dem ungenehmigten Fotografieren eines fremden Hauses und der ungenehmigten Verbreitung dieser Fotos.“
Oha! Darf man jetzt ohne Erlaubnis keine fremden Häuser fotografieren und die Bilder veröffentlichen ohne Ärger der Haueigentümer oder der Hausmieter (es geht ja nicht ums Eigentum, sondern um Persönlichkeitsrechte und die haben auch Mieter) befürchten zu müssen?
Das Friesenhaus im Foto
Also weiter googeln, lesen,recherchieren – so kam ich zum Friesenhaus-Fall - Juristen müssen ja immer Fälle bilden. Hier hat in letzter Instanz das oberste Zivilgericht der Bundesrepublik, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden. In diesem Fall wurde ein fremdes Haus - eben ein schönes Friesenhaus - fotografiert und das Abbild des Hauses veröffentlicht, ohne Erlaubnis des Eigentümers versteht sich. Letztendlich hatte der Hauseigentümer in allen drei Instanzen keinen Erfolg, der Fotograf bzw. hier der Verwender der Fotos kam unbehelligt davon, sieht man einmal von dem Stress ab, der so ein Klageverfahren mit sich bringt. Trotzdem ist das Urteil des BGH kein Freibrief für Fotografen.
Lange Texte werden nicht gern gelesen. Deshalb breche ich hier erst einmal mit meinen Gedanken über das Fotografieren fremden Eigentums ab. Im geplanten 2. Teil will ich dann zeigen, was ich meine aus der Friesenhaus-Entscheidung des BGH herauslesen zu können. Und dann geht es hochherrschaftlich weiter. Prunkvolle Schlösser sind ja oft ein Foto wert. Und dazu haben Richter speziell (mehr oder weniger) „Recht“ gesprochen.
Hier geht es zum 2. Teil des Beitrages:
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Link zu Teil 3 des Beitrages (Schluss):
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
PS: Wer sich für Aspekte der Panoramafreiheit interessiert, den darf ich auf den Beitrag "Die Panoramafreiheit – Eine Falle für Fotografen im Internet? Teil 1 und 2" hinweisen, zu finden unter
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...
und
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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