Ist "Gut gedämmt" wirklich schon "halb geheizt"?

Unter der Überschrift „Gut gedämmt ist halb geheizt“ wurde in der Ausgabe Süd des "Hallo - Hannoverschen Wochenblattes" vom 05.10.2011 eine Lobeshymne auf die nachträgliche Wärmedämmung an Hausfassaden veröffentlicht.

Da ich die Sache etwas kritischer sehe, habe ich einen Leserbrief geschrieben, den ich hiermit auch den myheimat-Usern kundtun möchte:

Mit dem Argument Umwelt- und Klimaschutz bekommt man jeden Politiker auf seine Seite. So wird auch die Wärmedämmung von allen maßgeblichen politischen Kräften unterstützt. Kritik ist kaum zu vernehmen, fällt das Wort Klimaschutz hört offenbar jedes Nachdenken auf.

Der geringste Nachteil ist noch, dass damit auch vom Architekten bewusst gegliederte und gestaltete Hausfassaden hinter einer einheitlichen (Dämm-)Fläche verschwinden. Gut, bei vielen Gebäuden hält sich der Gestaltungssinn des Architekten in Grenzen und außerdem, wenn’s der Umwelt dient. Aber es gibt noch gewichtigere Argumente.

Es ist oft ein Märchen, dass durch die Dämmung die versprochenen Energiekosten tatsächlich auch in einem überschaubaren Zeitrahmen eingespart werden. Bei den Wirtschaftlichkeitsberechnungen kann viel manipuliert werden (die zur Berechnung verwendete Software soll, so hörte ich, im Übrigen häufig von den Dämmstoffherstellern stammen) und der technisch ausgerechnete Energiebedarf nach der Energie-Einsparverordnung muss nicht mit den tatsächlichen Energieverbrauch übereinstimmen. Häufig nutzt die Dämmung im Endeffekt nur den Herstellern und den Bauunternehmern. Für die Eigentümer oder die Mieter (die Wärmedämmung kann auf die Miete umgelegt werden) hat die ganze Sache nur einen Effekt: es wird teuer, ohne das Einsparungen bei den Heizkosten dies hinreichend ausgleichen.

Und muss für eine Betrachtung unter Umweltgesichtspunkten nicht auch der Energieverbrauch berücksichtigt werden, der durch die Herstellung, den Transport und letztendlich die Anbringung an der Hausfassade entsteht? Man findet auch kaum Informationen, wie lange so eine Wärmedämmung eigentlich hält und wann eine Erneuerung fällig ist. Überdies sollen nach einem Bericht in NDR-Info viele verwendete Dämmstoffe giftig sein.

Da die Hauswand dicker wird, liegen die Fenster tiefer. Effekt: In der Wohnung wird es dunkler. Auch bringt die Wärmedämmung ohne den Einbau entsprechend dichter Fenster nicht viel. Das bedeutet zum Einen weitere Kosten und sind Wände und Fenster dicht, verändert sich das Raumklima in der Wohnung. Die Folge: es muss verstärkt gelüftet werden. Um die Forderungen der Lüftungsnorm DIN 1946-6 zu entsprechen, ist mindestens 4- bis 6-mal in 12 Stunden für 5 bis 10 Minuten eine Querlüftung über vollständig geöffnete Fenster durchzuführen. Wer aus der arbeitenden Bevölkerung hat die Möglichkeit dazu? Wird nicht richtig gelüftet, bildet sich an der Wand Tauwasser, besonders in den Ecken kommt es rasch zu Schimmel. Soll man die Wände jetzt mit elektrisch betriebenen Heizlüftern trocknen? Und wie sieht dann die Energiebilanz aus?

Die nachträgliche Wärmedämmung von vorhandenen Gebäuden ist ein großartiges Geschäft für alle, die entsprechende Leistungen anbieten. Ob sie auch Hauseigentümern und Mietern wirklich nutzt, wage ich zu bezweifeln.

PS: Der Leserbrief wurde nicht in der Zeitung veröffentlicht.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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