Friedrich Ehlers aus Döhren: Schlosser, Tüftler und Bootsführer auf der Leine
Friedrich Ehlers wurde am 24. Juni 1886 in Döhren als Sohn des Schlossers Heinrich Ehlers und dessen Ehefrau Elise geb. Martin geboren. Vater Heinrich
bewirtschaftete in der Kirchstraße 12 (1908 Umbenennung in: Am Lindenhofe
12 ) eine Anbauer-Stelle und arbeitete zusätzlich als Maschinist in der "Döhrener Wolle", größter Arbeitgeber in der Umgebung, Mutter Elise war Tochter des Zimmermeisters Ernst Martin, der die Anbauer-Stelle Döhren Nr. 6, später Abelmannstraße 12, innehatte.
Nach dem Besuch der Bürgerschule Döhren, ein Katzensprung vom Elternhaus entfernt, begann der junge Anbauersohn beim Schlossermeister Heini Ernst, Hannover, Theaterstraße 13, eine Lehre, die 3,5 Jahre dauerte. Nach Beendigung der Ausbildung "heuerte" der junge Schlosser beim Fuhrwerksbesitzer Hermann Dörge aus der Pfarrstraße 9 in Döhren an, der in Rethen/Leine eine Kiesbaggerei besaß. Am Ende der Arbeitszeit stellte ihm sein Chef ein außerordentlich gutes Führungszeugnis aus, das u.a. so lautet "Friedrich Ehlers hat stets zu meiner vollsten Zufriedenheit und meinem Interesse gearbeitet, ist fleißig und nüchtern und durchaus zu empfehlen". Dies überraschte nicht, hatte sich doch sein Arbeitnehmer als Tüftler auf dem Gebiet der Arbeitsoptimierung (dieses Wort gab es vor über 100 Jahren garantiert nicht) besonders hervorgetan. Friedrich Ehlers meldete, über das Patent- und Technische Büro Adolf Schwieger, Hannover, Georgstraße 20, mehrere Gebrauchsmuster beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin an, u .a. eine "Sortier- und Verladeeinrichtung für Baggergut und dergleichen". Die neue Anlage kennzeichnet sich dadurch aus, dass schräg angeordnete Rinnen mit Sieben ausgestattet sind, von deren unteren Enden daselbst durch Klappen absperrbare Verteilungsrinnen in größerer Zahl abgezweigt sind zum Zwecke, das Gut in mehrere Feinheitsgrade trennen und an verschiedene Stellen verladen zu können. Darüber hinaus entwarf Friedrich auch eine verbesserte "Kettenspannzange".
Während seiner Arbeitszeit in Rethen lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen: Luise Bolte aus Rethen, Tochter des Kleinkötners Fritz Bolte und dessen Ehefrau Johanna, geb. Jacobs. Am 12. Oktober 1910 heirateten sie standesamtlich in Rethen und bezogen hier eine Wohnung in der Feldstraße 1.
Im Jahr 1911 sollte es zu großen Veränderungen im Leben des jungen Familienvaters kommen. Am 21. Februar wurde Tochter Luise geboren, am
26. Juni starb seine Mutter Luise, die bereits Witwe war, denn ihr Mann
Heinrich starb bereits im November 1906 an Leberkrebs.
Wer erbte jetzt das Anwesen Am Lindenhofe 12? Den Kuchen mussten sich Friedrich und seinen beiden Schwestern Sofie und Dorothea teilen. Notar Lütkemann klärte die Angelegenheit: Jeder bekommt 1/3 des Anteils. Friedrich bezahlte seine Schwestern aus und übernahm Haus und Grundstück.
Am 30. August 1912 schwor Friedrich Ehlers den Bürgereid. Er und seine Ehefrau Luise besaßen jetzt gegen eine Gebühr von 90 Mark das Bürgerrecht der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover mit all seinen Rechten und Pflichten.
Noch im selben Jahr machte sich der neue Grundstücksbesitzer Gedanken über seine berufliche Zukunft. Friedrich hatte eine tolle Idee: Er wollte sein eigener Chef werden, kündigte bei der Kiesbaggerei und schrieb am
2. Dezember 1911 einen Brief an die Polizeiverwaltung in Hannover, der wegen seines historischen Gewichts hier wörtlich wiedergegeben werden soll:
" Zum Frühjahr 1912 eröffnet Herr Restaurateur Ebeling ein großes Gartenrestaurant in Döhren neben Pickers Garten unmittelbar an der Leine.
Ich beabsichtige, zum gleichen Zeitpunkt- etwa Mai 1911 (Anm: muss 1912 heißen) einen regelmäßigen Motorbootverkehr auf der Leine zwischen Ebelings Restaurant und der Bella Vista Brücke mit 2 Motorbooten einzurichten.
Mit Rücksicht darauß, daß die Motorboote sich auf dem Wasser kreuzen werden, bitte ich um baldgefälligen Bescheid, welche höchstzulässige Größe und Personenzahl jedes Boot haben darf.
Hochachtungsvoll" (Ehlers).
..................
Die Antwort der Polizei kennen wir nicht, aber sie hatte wohl nur Einwände gegen einen Start der Motorboote in Höhe der Bella-Vista-Brücke.
Jetzt trieb der Unternehmer in spe seine Pläne voran. Ende Januar 1912 holte er bei der Schiffswerft und Maschinenfabrik Fritz Bettins Söhne, Tangermünde a. Elbe, ein Angebot ein. Die Werft teilte ihm mit, dass wegen der kurzen Fahrstrecke nur ein mehrzylindriger Benzinmotor infrage käme, der aber teurer im Verbrauch gegenüber einen Rohölmotor ist, der nur bei längeren Fahrstrecken wirtschaftlicher ist. Komplett würde ein Motorboot 5800 Mark kosten. Bei Abnahme von 2 Booten wäre der Verkaufspreis 5000 Mark pro Stück.
Gesagt, getan. Friedrich Ehlers orderte 2 Boote, die er aber "abstottern"
musste. Eine Bank in Holland gab ihm einen Kredit zu günstigen Zinsen,
vermittelt durch einen Makler aus Magdeburg. Die Boote blieben allerdings formal im Besitz der Werft Fr. Bettin's Söhne.
Am 5. Juli 1912 waren alle Versicherungsfragen geklärt und die beiden Boote, auf Scharnhorst und Blücher getauft, nahmen ihre Fahrstrecke von dem Anleger "Bismarcksäule" nahe der Elisabethbrücke, die im Volksmund wegen ihrer bunten Farbe "Papageienbrücke" genannt wurde, auf. Ziel war die Anlegestelle "Döhrener Maschpark".
Jedes Boot war aus Stahl und Stahlblech mit offenem Deck und schaffte 12 km in der Stunde. Aber schon bald sollte alles ein plötzliches Ende finden. Mit Beginn des 1. Weltkriegs wurde der Bootsverkehr eingestellt. Friedrich
Ehlers fand bei der Autohalle Carl Henschel, Hannover, Am Hohen Ufer 3a,
vorübergehend eine Arbeitsstelle als "Reparateur" und zwar vom 1. Dezember 1914 bis 27. März 1915. Kurz danach versuchte er die beiden Boote Scharnhorst und Blücher an das "Freiwillige Motorbootskorps" in Bremen zu
verkaufen. Leider ohne Erfolg. Wenig später rief ihn das Militär zum Kriegseinsatz beim Armierungs-Bat 99 in Milken bei Lötzen. Am 14. Juli 1915 schrieb Luise Ehlers an das stellvertretende General-Kommando XX in Allenstein ein Gesuch auf Entlassung ihres Mannes aus dem Kriegsdienst, sie könne die Zinsen aus dem Kredit für den Erwerb der beiden Boote nicht mehr aufbringen. Vergeblich, sie bekam einen abschlägigen Bescheid.
Luise war tief verzweifelt. Wie sollte sie sich und ihre minderjährige Tochter Luise bloß ernähren? In ihrer Not wandte sich Luise an den Regierungspräsidenten in Hannover, Am Archive 3. Dieser schrieb am
9. September 1915 zurück:
" Ihrem Antrag auf Zulassung des Motorbootes mit der Fabriknummer 137 zum Verkehr auf der Leine zwischen der Anlegestelle Bismarcksäule und der Gastwirtschaft Döhrener Maschpark an den Sonntagen vermag ich nach der Verordnung des Bundesrats vom 29. Juli d. Js. für die Dauer des Krieges nicht zu entsprechen.
In Vertretung"
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Der nächste Tiefschlag für Luise kam im nächsten Jahr.
Mit Schreiben vom 29. März 1916 verkündete der Magistrat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover:
"Auf Grund des Gesetzes über die Kriegsleistungen werden hiermit ihre beiden Boote für Kriegszwecke requiriert. Sie sind zur Verfügung der Heeresverwaltung zu halten".
Am 4. Mai 1916 bot die Zahlungsstelle des X. Armeekorps in Hannover
13200 Mark für beide Boote. Luise willigte ein, denn inzwischen hatte sich die holländische Kreditbank über den deutschen Makler Buchkremer aus Magdeburg gemeldet und den vollen Kaufspreis der beiden Boote
mit Zinsen zurückverlangt. Sie löste die Restschuld jetzt ein.
1917- Friedrich Ehlers wird nach Pinsk (heute: Weiß-Russland) verlegt,
dort wo die Pina in den Pripet mündet. Er verrichtet Arbeit auf einer Werft und fährt mit einem Motorboot auf Patrouille. Seine Ehefrau schickt ihm ab und zu Pakete mit Lebensmitteln. Am 18. September 1917 kommt er für 14 Tage zum Heimaturlaub nach Hannover-Döhren. Es wird sein Einziger bleiben.
Mit Ende des Krieges kehrt Friedrich Ehlers nach Döhren zurück.
Im Mai 1919 bietet das Reichsverwertungsamt in Berlin das Motorboot
"Scharnhorst" für 10000 Mark zum Rückkauf an. Das Ehepaar Ehlers bittet um Preisminderung. Leider ohne Erfolg. Für Friedrich Ehlers ist es das Ende. Motorboot-Besitzer- das war einmal.
Die Motorbootsfahrten auf der Leine sollten allerdings unter einem neuen Bootseigner weitergehen. Auch zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg verkehrten Boote zwischen Bismarcksäule und Döhrener Maschpark.
Für Friedrich Ehlers wird es nach dem Krieg schwer wieder beruflich Fuß zu fassen. Eine schwere Krankheit fesselt ihn an das Krankenbett. Nur kurz, 1921, findet er er bei der Maschinen-Fabrik H. Wellmann, Alte Döhrener Straße 22, noch einmal Arbeit. Am 21. November 1923 vermeldet die Prov. Heil- und Pflegeanstalt Hildesheim sein Ableben. Er litt an einer schweren Gehirn-Erkrankung und wurde nur 37 Jahre alt.
Bürgerreporter:in:Bernd Sperlich aus Hannover-Bothfeld |
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