KÖRPERFORMEN – MODE MACHT EROTIK

Wer an einem nasskalten November-Samstag durch Hannovers Altstadt schleicht und etwa bestrebt ist, lautstarken Horden von Fußball-Anhängern auszuweichen, wird von einem leuchtenden Plakat in der Pferdestraße angezogen, das mit erwärmenden Einblicken in die Welt der Mode lockt. Nachdem die freundliche Frau Yildiz das Eintrittsbillett (5 Euro) fürs Historische Museum ausgehändigt hat, tut sich dem Besucher eine Welt modischer Farben und Formen auf.
Wer sich jedoch lediglich als Voyeur versteht, wird eines Besseren belehrt: Die Ausstellung präsentiert ein Stück schwergewichtiger Kultursoziologie, denn es geht ihr darum, „aus den Modellierungen, die die Körper durch Kleidung erfahren, Aufschlüsse über die sozialen, politischen und sexuellen Orientierungen der Menschen zu gewinnen und zu vermitteln. Die modische Hülle ist ein sozial verankertes Artefakt, das den Körper in Szene setzt, das aus ihm einen künstlichen, abgegrenzten, (un)sittlichen, zeichenhaften und geschlechtlich bestimmten Körper macht“ (Hieber & Urban).

Der lesenswerte und reich bebilderte Ausstellungskatalog (15 Euro) enthält neun Essays, welche obige Aussage unter verschiedenen Gesichtspunkten erläutern und insbesondere auf den historischen Wandel z. B. in der Auffassung der Geschlechterrollen eingehen. Der Aufklärungsphilosoph Christian Garve (1742–1798) meinte seinerzeit: „Das Weib soll sich nicht bemühen, Aufsehen zu machen, und der Mann soll es nur durch die Werke seines Verstandes oder seines Fleißes erregen“ (1792). Der marxistische Kulturphilosoph, Historiker und Schriftsteller Eduard Fuchs (1870–1940) dagegen schreibt im Jahr 1906: „Der fast ausschließliche Zweck der dekorativen Ausgestaltung der Frau ist die pointierte Herausarbeitung der erotischen Reizwirkungen des weiblichen Körpers.“
Die Ausstellung dauert bis Ende Januar und wird laufend durch wichtige Vorträge und Aktionen diverser Schulen ergänzt. Garbsener, entflieht für eine Weile dem Herbstwetter und lasst euch von der Lust zum Thema „Mode-Macht-Erotik“, die mit dem Ver-Kleiden einhergeht, anstecken!