Kirchrode: Reiche Bürger machten es dem Adel nach
Fern der pulsierenden Großstadt verwirklichten sich die feudalen Träume reicher Bürger. Bauhandwerker ließen Schlösser wachsen, Gärtner pflanzten eindrucksvolle Parkanlagen drum herum. Die zu Geld gekommenen Bürgerlichen eiferten vor rund 100 Jahren ihren blaublütigen Vettern nach. So entstanden am Bünteweg und der Bemeroder Straße eine Reihe prächtiger Landsitze.
Man schrieb das Jahr 1912. Ganz wie die Feudalherren vergangener Zeiten steckte auch Bernhard Droop sein ganzes Vermögen in den Bau einer schlossartigen Villa am Bünteweg 17. Sein „Westfalenhof“ genannter Besitz gehört noch heute zu den bemerkenswerten Bauten unserer Stadt. Der prunkvolle Landsitz mit seinen klassizistischen Formen über 1945 sogar eine gewisse Anziehungskraft auf die Militärs aus. Nach dem zweiten Weltkrieg wählte jedenfalls der englische Kommandant die repräsentative Villa zu seiner Residenz. Heute geht es im Innern eher nüchterner zu. Das Haus gehört nun zur Tierärztlichen Hochschule. Sehenswert ist der dazugehörige Park. 227 verschiedene Gehölzarten sollen hier wachsen.
Einen Steinwurf weiter zeigt das Architektenpaar Georg Thofehrn und Maximilian Jagielski, was in ihnen steckte. 1905 errichteten sie am Bünteweg 3. Fritz Beindorff ließ dieses Gebäude für sich errichten. Beindorff gehörte ebenso wie Droop zur aufstrebenden Unternehmerkaste jener Zeit. Ihm gehörten die Pelikanwerke. Der Park rund um seine Villa legte Julius Tripp an, ein bekannter hannoverscher Gartenbaumeister.
Etwas bescheidener als diese zwei schlossartigen Anlagen fielen die weiteren Villen entlang der Bemeroder Straße aus. So etwa das Haus Bemeroder Straße 55 aus dem Jahr 1910, das dem Kaufmann Albert Mautz gehörte. Als erster Bauherr von allen wagte sich übrigens schon 1900 August Suffrian in die damalige Wildnis zwischen Kirchrode, Bemerode und Döhren. Er erbaute ein Ausflugslokal mit Türmchen, Erkern und Balkonen. Das Restaurant gibt es heute noch. Es ist die Hahnenburg. „Den Namen dürfte sie von Gastwirt Heinrich Hahne haben, der die Gaststätte bis 1924 betrieb“, vermutete der hannoversche Heimatexperte Helmut Zimmermann in einem seiner Bücher.
Ein Stück weiter hinter den Madsack-Hochhäusern gibt es ein weiteres Wohngebäude, das ebenfalls zu der Reihen von Landsitzen gehört. Irgendwann zwischen 1900 und 1910 wurde hier neben der Seelhorst ein Haus im englischen Landhausstil errichtet. Letztendlich blieben die Villen fern der städtischen Hektik aber doch eher die Ausnahme. Die meisten betuchten Bürger zogen ein doch mehr erschlossenes Siedlungsgebiet vor. So entstanden die typischen Villensiedlungen Hannovers, etwa an der Kaiser-Wilhelm-Straße in Kirchrode.
Die Serie „Geschichtliches aus der Südstadt“ ist beendet. Doch nicht nur im Südstädter Maschseekurier bin ich der Stadtteil-Geschichte nachgegangen. Außer dem Maschseekurier und dem heute noch existierenden Maschseeboten (für den hannoverschen Stadtbezirk Döhren-Wülfel) erschienen im selben Verlag zeitweise auch noch andere Stadtteil-Zeitungen: der Tiergarten-Blick, das Nordstadt-Echo, der Beeke-Blick und im Raum Badenstedt/Davenstedt ein Ableger des Ronnenberg-Blicks. Manchmal war diesen Titeln kein langes Leben beschieden. In einigen Ausgaben aber erschienen Beiträge zur Historie des jeweiligen Ortes. Die einzelnen Hefte sind natürlich schon lange vergriffen und vergessen. Auch wenn diese damaligen Artikel keine zusammenhängende Geschichte der Stadtteile ergeben, sondern nur einige wenige Aspekte schlaglichtartig beleuchten, sollen nun diese Geschichten in loser Folge nach und nach bei myheimat veröffentlicht werden. Bestimmt interessieren sie ja den einen oder anderen myheimat-User. Denn Heimatgeschichte ist immer aktuell und nie von gestern. Dieser Artikel erschien in der November-Ausgabe des Tiergarten-Blicks 1995.
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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