Mit Volldampf auf den Brocken
Vor ein paar Tagen machte ich mich auf die Socken und fuhr auf den Brocken – ja, ich weiss, der poetische Erguss ist nicht ganz so geglückt, aber der höchste Berg des Harzes fordert nunmal den Dichtersinn heraus, schliesslich standen Goethe, Heine und Hans Christian Andersen auf dem Gipfel. Vor ein paar Jahren bin ich bereits deren Spuren gefolgt und habe den Berg zu Fuß bestiegen. Ein paar hundert Meter unterhalb des Gipfels ist mir kräftig fauchend der Dampfzug der Harzer Schmalspur Bahn über den Weg gefahren. Seither nahm ich mir vor, mich auch einmal per Dampfkraft auf den Brocken ziehen zu lassen.
Vor ein paar Tagen fand ich jetzt die Zeit und fuhr mit dem Regionalexpress nach Wernigerode, einer der Endstationen der HSB. Dem Dampflokfreund schlägt schon beim Ausstieg am Bahnhof Wernigerode das Herz höher – schwerer, süßlicher Geruch liegt in der Luft und ganz nah hört man die erste Lok pfeifen, denn der HSB-Bahnhof liegt direkt neben dem DB-Bahnhof. Doch die Nähe ist nur räumlich, mit den paar Schritten zur Schmalspurbahn legt man einen weiten Weg ins längst vergangene Dampfzugzeitalter zurück. Das wird spätestens dann klar, wenn man die Fahrkarte in Händen hält: Eine kleine, nur wenige Zentimeter große Pappkarte (die kostet übrigens für Hin- und Rückfahrt 26 Euro). Und dann geht es los. Vor mir steht eine Zuggarnitur aus altertümlichen, rotlackierten Wagen. Eine Lokomotive ist allerdings noch nicht davor – die muss noch Kohlen und Wasser aufnehmen, wie ich von dem freundlichen Damen des Bahnpersonals erfahre, und dampft erst ein paar Minuten später heran. Da sitze ich bereits auf den harten Holzbänken im Wagen, durch den plötzlich ein kräftiger Ruck geht – die Reise auf den Brocken beginnt. Kurz nach Abfahrt erklingt eine Stimme aus dem Lautsprechern mit umfangreichen Erklärungen zu Bahn und Strecke. Mich aber hält es nicht länger auf meinem Sitz und ich begebe mich nach draußen. Zwischen den Wagen gibt es einen offenen Durchgang, wie das früher halt so üblich war. Für mich modernen ICE-Reisenden ist das ungewohnt und ich empfinde es sogar etwas halsbrecherisch während der Fahrt auf die unter mir dahinrauschenden Schwellen zu blicken. Aber das gehört einfach dazu. Mit lautem Rumpeln rattert der Zug durch Wernigerode. Über mir weht der Dampf aus der Lokomotive und verleiht der frischen Harzluft einen ganz besonderen Duft. An einem Berg gegenüber zieht das Schloss Wernigerode vorüber und nach ein paar Minuten erreichen wir den Bahnhof der Hochschule, der einzigen in Deutschland mit Dampfzuganschluss. Dann geht es hoch in die Wälder des Harzes. Zunächst bis Drei Annen Hohne, wo ich den Zug wechseln muss. Wenn ich mir nicht ganz sicher wäre, dass ich am Morgen im Jahr 2009 gestartet bin und ein paar Autos unseren Weg kreuzten, hätte ich fast geglaubt ich sei im Jahr 1909 gelandet. Danach sieht zumindest der Bahnhof in Drei Annen Hohne aus. Mit der Brockenbahn geht es von hier aus weiter in steile Bergeshöhen. Der Zug schnauft schwer. Einen Moment muss ich an den Heizer denken, der jetzt sicher ganz hart arbeitet. Wir halten noch einmal in Schierke bevor es zum Gipfel geht. Der Wald öffnet sich auch bald für einen grandiosen Blick über das Harzmassiv. Gegenüber grüßt der Wurmberg mit der Schanze, von den Wegen nebenan grüßen die Wanderer. Dann ist es geschafft: Vor uns liegt der Brocken mit dem Aussichtsturm, dem Funkmast, den Gaststätten und dem Informationszentrum. Ich habe eine Stunde zeit. Da mir der Magen knurrt, beschließe ich, bevor ich die Aussicht genieße erstmal was zu essen. Die Dame hinter dem Tresen im SB-Restaurant meint es offenbar gut mit mir und legt noch einen Schöpfer Gulasch nach. So allerbestens gestärkt blicke ich von 1.141,1 Metern über Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Eine Tafel im Boden macht mich darauf aufmerksam, dass die Stadt Hannover 87 Kilometer entfernt liegt – bei schönerem Wetter als dem heutigen soll sie angeblich zu sehen sein. Zu sehen sind bei jedem Wetter Heine und Goethe, an die Gedenktafeln erinnern. Viel mehr ist allerdings nicht zu sehen – erwähnenswert allerdings das sehr gute Info-Zentrum. Am Bahnhof pfeipft bereits wieder die Lok. Ich besorge mir auf das schwere Essen an einem Kiosk rasch noch einen "Schierker Feuerstein" – der Kräuterlikör ist eine lokale Spezialität, der übrigens auch im Zug angeboten wird.
Den selben Weg, den wir heraufkamen, geht es auch wieder zurück – deshalb spare ich mir weitere Worte darüber und verwende selbige lieber für eine kurze Schilderung des Endes der kleinen Reise: Einen kurzen Bummel durch Wernigerode sollte man unbedingt anschliessen. Wunderschöne Fachwerkhäuser sind zu sehen, das berühmte Rathaus liegt am Markt und oben thront das Schloss. Da hinauf zu gehen wäre allerdings schon wieder der nächste Ausflug – mit Sicherheit …
myheimat-Team:Wilfried Schmücking-Goldmann aus Hannover-Linden-Limmer |
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