Historische Dorfkirchen und Kapellen im Nordosten von Hannover: (Teil 3): Drei Tage lang wurden die mächtigen Mauern von Sankt Nicolai gesprengt
Nicht jeder kann in Hannover in einem fast 700 Jahre alten Gotteshaus leben. In Groß-Buchholz aber ist das möglich. Die geschichtsträchtige Buchholzer Kapelle dient heute als gemütliches Einfamilienhaus. Das frühere Gotteshaus ist eine von vier Dorfkirchen bzw. Kapellen in Hannovers Nordosten aus längst vergangenen Tagen. Sie wurden erbaut, als die heutigen Stadtteile noch selbstständige Dörfer weit vor den Toren der Stadt waren. So manchen Sturm haben die Gebäude erlebt und wilde Zeiten überstanden.
Besonders die Kapelle von Groß-Buchholz musste schon einiges mitmachen. So brauste etwa der verheerende Wirbelsturm vom 17. September 1830 über das kleine Kirchlein hinweg. Die Schreckensbilanz des Unwetters: ein erschlagenes Kind, 40 zerstörte Dächer, viele ausgerissene Bäume. Mit ihren an die 700 Jahren ist das Gotteshaus das älteste Bauwerk im Stadtteil. Aus Feldsteinen und Ziegeln erbauten die alten Buchholzer Anfang des 14. Jahrhunderts ihre Kapelle und weihten sie dem heiligen Antonius. Bis Mitte des 16. Jahrhunderts kam dann der Pfarrer aus Bothfeld zu Gottesdiensten an den Kapellenbrink.
Das änderte sich dann mit der Reformation. Von da an musste der Buchholzer Nachwuchs hier die Schulbank drücken. Die Lehrer herrschten mit ihren Rohrstöcken bis 1797 in dem Gotteshaus. Mit dem Neubau einer Schule bekam die Kapelle ihre dritte Zweckbestimmung. Von nun an diente sie mit einem Fachwerkanbau versehen als Wohnhaus.
In Anderten wird das ehemalige geistige Zentrum des früheren Dorfes von den Resten der Kapelle an der Lindenstraße dokumentiert. Der Backsteinbau wird erst 1597 in alten Urkunden erwähnt; er wurde aber wohl bereits zwischen 1400 und 1450 errichtet. Allerdings meinten es die Jahrhunderte mit der Anderter Kapelle nicht so gut wie mit ihrer Buchholzer Schwester. Nur noch der dreiseitige Chorabschluss und ein Joch ist erhalten. 1954 erhielt die aus der Kapelle entstandene St. Martins-Kirche die heutige Gestalt.
Wenn die Steine des Kirchturms von St. Nicolai in Bothfeld sprechen könnten, dann hätten sie viel zu berichten. Vielleicht über das Grauen des Dreißigjährigen Krieges, der auch vor dem Kirchdorf nicht haltmachte. Der Bothfelder Pastor musste im September 1641 in sein Kirchenbuch die Namen von 30 Gemeindemitgliedern eintragen, die von „schwedischen Mordbrüdern“ erschossen wurden.
Der dicke Turm von St. Nicolai ist der einzige Rest der mittelalterlichen Kirche. Wahrscheinlich wurden seine mächtigen, 1,40 Meter starken Mauern Mitte des 14. Jahrhunderts errichtet. Die Kirche selbst gab es zu dieser Ziet bereits. 1288 ist erstmals von einer „Ecclesia sancti Nicolai“ die Rede. 1295 löste sich die Bothfelder Kirche dann von der Mutterkirche in Kirchrode. Die Baugeschichte des Kirchenschiffes liegt weitgehend im Dunkeln. Gesichert ist nur der Neubau der Kirche im Jahr 1776. Damals müssen die Bauarbeiter dicke Wände gemauert haben. Als 1910 eine größere Kirche gebaut werden sollte und die Abbrucharbeiten begannen, hatte die Pioniere aus Minden ihre liebe Not. Sie brauchten drei Tage zum Sprengen der Mauern. 1911 schließlich wurde der heutige Bau errichtet. Anfangs standen die Arbeiten unter keinem guten Stern. Drei Monate lang wurden kein Stein und keine Maurerkelle angerührt, weil die Bauleute streikten. Die Gründe für den Arbeitskampf sind nicht überliefert. Der Ausstand endete erst, als der Bothfelder Mauermeister Tegtmeyer italienische Maurer verpflichtete.
Ein historisches Kleinod besonderen Ranges steht im Norden der Stadt. Bereits im finsteren Mittelalter war die Marienkirche von Hainholz weit bekannt. Eine als wundertätig geltende Madonnenfigur lockte die Gläubigen zu Wallfahrten in das Ende des 14. Jahrhunderts als „Capella Beatae Virginis tom Hainholte“ erstmals urkundlich erwähnte Gotteshaus. Der Pfarrer der Marienkirche war für einen weiten Bereich im heutigen Nordosten Hannovers zuständig. Sogar das Dorf List, welches zunächst zusammen mit Herrenhausen und Vahrenwald zur Kreuzkirche gehörte, wurde nach der Reformation in die Marienkirche eingepfarrt.
Von der mittelalterlichen Marienkirche sind freilich nur Reste erhalten. Lediglich der durch hohe Spitzbogenfenster gegliederte Chor stammt aus der Zeit um 1400. Das erste in Fachwerk errichtete Kirchenschiff brachen die Hainhölzer 1825/26 ab, um sich ein neues Gotteshaus zu bauen. Die Kirchturmspitze bekam gar erst 1895 ihre heutige Gestalt.
Während sich die Dörfer Hainholz und Bothfeld eigene Kirchen leisteten, andere immerhin kleine Kapellen, brauchten die Bauern aus Stöcken keinen derartigen Aufwand zu treiben. Nachweislich seit 1250 gehörten sie zur Pfarre der Klosterkirche im benachbarten Marienwerder. Diese aus Bruchsteinen errichtete Kirche stammt weitgehend aus der Zeit um 1200. Vier Jahre zuvor hatte ein gewisser Konrad von Roden das Kloster gestiftet, 1200 wurde es dann geweiht.
Auch bei der Klosterkirche von Marienwerder spielt wie in Hainholz eine Mariendarstellung eine gewichtige Rolle. Nach einer alten Sage geht der Name des Klosters auf den Fund eines Leineschiffers zurück. Der Bootsmann soll in Marienwerder ein angeschwemmtes Marienbild entdeckt haben.
Zu den Berichten über alte Dorfkirchen im Süden und Westen von Hannover bitte den nachfolgenden Link anklicken:
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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