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Presserecht: Journalistische Sorgfaltspflichten bei der Berichterstattung

  • Neues Urteil zum Thema Presse- / Medienrecht
  • hochgeladen von Jens Schade

MyHeimat war dereinst mit einem journalistischen Anspruch gestartet. Es sollte eine Plattform für „Bürgerreporter“ sein. Demokratische Berichterstattung von unten sozusagen. Zwar scheint die MH-Zentrale diesen Anspruch selbst weitgehend aufgegeben zu haben, wenn auf Beanstandungen von Google Berichte zensiert und Fotos gelöscht werden. Deswegen hat der Autor dieser Zeilen seine Berichterstattung über aktuelle Geschehnisse ja auch auf die Seiten von „Stadtreporter.de“ verlegt. Es gibt aber nach wie vor einige unentwegte MH-Aktivisten, die bislang tapfer dabeigeblieben sind, nicht nur nette Bildchen (wie ich) ins Netz stellen, sondern sich durchaus noch als Bürgerreporter verstehen und entsprechende Texte für MH verfassen. Ihnen ist der nachfolgende Beitrag gewidmet.

Ein Journalist – sei es ein Professioneller, sei es ein Bürgerreporter – schreibt auch mal etwas, was den einen oder anderen Leser nicht gefällt. Sehr schnell finden sich dann Schreiben von einem Anwalt oder gar schon vom Gericht im Briefkasten. Heil kommt ein Schreiberling nur dann wieder aus der Sache heraus, wenn er seine „journalistische Sorgfaltspflichten“ eingehalten hat. Wie weit diese Sorgfaltspflichten im konkreten Einzelfall aber gehen, dürfte Ansichtssache sein und letztendlich von der Einschätzung des jeweiligen Richters abhängen. Dass sogar eine Zeugin – wenn sie denn vom Gericht als unglaubhaft gewertet wird – möglicherweise nicht ausreicht, zeigt der Fall, den das Landgericht (LG) Frankfurt entschied (Urteil vom 16. Mai 2019 – 2-03 O 184/17 –).

Sowohl in einem Presseerzeugnis als auch auf einer Internetseite wurde über einen ehemaligen Mitarbeiter einer Stadtverwaltung berichtet, der sich unmöglich gegenüber Untergegebenen benommen haben soll. Ausgelöst wurde die Berichterstattung wohl durch eine anonym zugespielte Klageschrift aus einem arbeitsrechtlichen Verfahren. Das LG Frankfurt kam zu dem Schluss, dass der Kläger – jener Verwaltungsmitarbeiter, über den berichtet wurde - einen Anspruch auf Unterlassung der Äußerung habe, er brülle in regelmäßigen Abständen durch die Büroräume: „dass wir alle nichts taugen, saudumm seien und blöde Fotzen und Schlampen wären“ und manchmal dabei auch „Schlampen“ durch „dreckige Nutten“ ersetze. Durch diese Berichterstattung über ihn sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt worden.

Die Frankfurter Richter hatten bei diesem Fall zwei Probleme. Zum einen hat das sogenannte „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“, das ja selbst eine „Erfindung“ von Richtern ist, ziemlich unscharfe Konturen. Seine Reichweite steht nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.

Die Presse berief sich demgegenüber natürlich auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Das LG Frankfurt dazu: „Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen maßgeblich vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind – jedenfalls, wenn sie nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre betreffen, unwahre dagegen nicht.“ Denn „an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die als unwahr anzusehen sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit regelmäßig kein schützenswertes Interesse.“

Also, nur das schreiben, was man auch bis zum letzten beweisen kann? Für eine freie Presse wäre so etwas fatal. Denn dann könnten noch mehr Skandale als ohnehin schon unter den Teppich gekehrt werden. Oft beginnt die Aufdeckung einer Affäre doch nur mit Vermutungen und Verdachtsmomenten. Das hat auch die Rechtsprechung erkannt und die berechtigten Interessen von Journalisten und Co dann doch etwas weiter gefasst. Stichwort: Verdachtsberichterstattung.

„Die Verdachtsberichterstattung stellt einen Fall der Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB dar und besagt, dass eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden darf, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten dar“, heißt es dazu in dem Urteil des LG Frankfurt. Grundsätzlich muss derjenige die Unwahrheit einer Behauptung beweisen, der seinen Unterlassungs- oder Schadenersatzanspruch auf die vermeintliche Unwahrheit stützt. Doch, so das Landgericht: „Handelt es sich jedoch um Äußerungen, die eine üble Nachrede nach § 186 StGB darstellen, findet eine Beweislastumkehr statt, so dass der Äußernde die Wahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptungen nachweisen muss.“ Folge: Ein Kläger kann im Grundsatz auch dann Unterlassung einer seinen Ruf beeinträchtigenden Behauptung verlangen, wenn zwar deren Unwahrheit nicht erwiesen ist, ihre Wahrheit aber ebenfalls nicht feststeht.

Bei Journalisten ist aber hier die gesetzliche Wertung des Art. 5 Abs. 1 GG und § 193 StGB zu berücksichtigen. Das Landgericht: „Fehlt es an einer Feststellung der Unwahrheit der aufgestellten Behauptung, so ist zu Gunsten des Mitteilenden davon auszugehen, dass seine Aussage wahr ist, wenn er die Äußerung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten durfte …. Eine solche Wahrnehmung berechtigter Interessen kommt in Betracht, wenn sich Informationen im Nachhinein als unwahr herausstellen, diese aber in gutem Glauben an ihre Richtigkeit veröffentlicht worden sind. Es kann nämlich im Rahmen der öffentlichen Aufgabe der Presse liegen, Informationen schon dann an die Öffentlichkeit zu bringen, bevor sie mit den der Presse zur Verfügung stehenden Mitteln innerhalb der ihr zur Verfügung stehenden Zeit vollständig verifiziert werden konnten.“ So weit, so gut. Allerdings: „Insoweit muss die Presse aber schon wegen ihrer Breitenwirkung besondere Rücksicht auf den Betroffenen nehmen, wenn sie ihn den Gefahren einer nicht ausreichend verifizierten und deshalb möglicherweise unwahren Information aussetzt. Schlampige Recherchen oder der leichtfertige Umgang der Pflicht, sich um wahrheitsgemäße Berichterstattung zu bemühen, schließen von vornherein die Berufung auf ein berechtigtes Interesse aus. Die Presse muss also zumindest die Erfüllung pressemäßiger Sorgfaltspflichten nachweisen, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen. Erforderlich ist allerdings jedenfalls ein Mindestbestand an Indizien für die Wahrheit der Informationen.“

Hier lag den Journalisten immerhin die Klageschrift aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren vor, auch hatten die Beklagten erfahren, dass die Stadt ... einer Zeugin im Wege des Vergleichs einen nicht unerheblichen Betrag gezahlt hatte. Doch, so das Gericht: „Angesichts der hier durch die Beklagten erhobenen, schwerwiegenden Vorwürfe in der konkreten Form, waren diese Anhaltspunkte jedoch – jedenfalls für die streitgegenständliche Berichterstattung – nicht hinreichend. Denn letztlich konnten sich die Beklagten für die hier streitgegenständlichen, sehr konkreten Vorwürfe gegenüber dem Kläger allein auf die Klageschrift der Frau E stützen.“

Welche Fehler haben die Journalisten nach Ansicht der Richter gemacht? „Die Beklagten haben es zudem unterlassen, zumindest die Zeugin E zu kontaktieren, um insoweit eine weitere Bestätigung der streitgegenständlichen Vorwürfe zu erhalten, was angesichts der schweren Vorwürfe, die allein auf dieser einen Quelle beruhten, geboten gewesen wäre. Die Beklagten haben zudem auch nicht vorgetragen, dass sie sich bemüht hätten, zumindest einzelne der Vorwürfe konkret zu überprüfen, nachdem die Quelle im Rathaus dies nicht konnte. …Die Beklagten hätten sich insoweit aber auch darum bemühen müssen, Namen von einzelnen, in der arbeitsgerichtlichen Klageschrift geschwärzten Zeugen zu erhalten oder zu ermitteln. Denn wenn dem Kläger so erhebliche und konkrete Vorwürfe gemacht und diese wie geschehen veröffentlicht werden, müssen die Beklagten spiegelbildlich Anstrengungen zur Validierung unternehmen. Der anonyme Kontakt ins Rathaus ... reicht hierfür nicht aus, da er auch nach den Angaben der Beklagten keinen einzigen der vielen Einzelvorwürfe hat bestätigen können. Ebenso wenig reichen vorangegangene Skandale im Rathaus ... hierfür aus.“ Außerdem sei bei der Berichterstattung über einen Verdacht „Voraussetzung, dass durch die Art der Darstellung deutlich gemacht wird, dass es sich einstweilen um nicht mehr als einen Verdacht handelt. Es ist daher zumindest erforderlich, dass erkenntlich wird, dass die Sachlage offen ist, der Verdacht nicht erwiesen ist.“ Erschwerend kam hinzu, dass die Journalisten nicht mit dem „Opfer“ der Berichterstattung, also dem Kläger, vor einer Veröffentlichung gesprochen hatten. „Wenn der Betroffene vor einer Veröffentlichung eines ihn betreffenden Berichts nicht zum Wahrheitsgehalt befragt werden kann, gilt grundsätzlich, dass bei der Berichterstattung in besonderer Weise Zurückhaltung geboten ist.“ Da nützte es auch nichts, dass die beklagte Presse eine Zeugin präsentierte. Die Aussage der Dame wurde als unglaubhaft bewertet.

Die Sache wurde für die Journalisten bzw. dem Verlag teuer: „Nach alldem hält die Kammer für die streitgegenständliche Wort- und Bildberichterstattung der Beklagten zu 1) eine Geldentschädigung von € 30.000,00 … (und) für die Online-Berichterstattung der Beklagten zu 2) … eine Geldentschädigung von € 5.000,- für angemessen.“ Nicht zu vergessen die Kosten des Prozesses (Gerichts- und Anwaltskosten), die auch noch zu zahlen waren.

Schon 2018 wurde von einem Urteil des OLG Dresden zum Thema berichtet. Hier bitte klicken

Link zum Artikel Presserecht und Pressefotografie

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1 Kommentar

Ach das kennen wir aus der Naumburger Metropole, wobei die Berichterstattung dann doch keine Namen auslässt... Der Naumburger Bürgermeister wurde wegen Mobbings verurteilt und die Stadtkasse übernimmt das natürlich... Aber anstatt in Wehmut das Urteil anzunehmen,( weil er hat ja nichts zu befürchten) wird großüberheheblich die nächste Instanz angerufen, weil der Stadtrat sozusagen dahinter steht, koste es was es solle... Die Kollegin, die in Naumburg gemobbt wurde ist jetzt übrigens im Landratsamt angestellt, denn die haben wirklich so eine Fachkraft gesucht... und nicht Engel, die täglich frohlocken, wie eitel doch unser Bürgermeister erscheinen möchte... rein menschlich ist da wohl nichts mehr zu machen...

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