Geschmacksmuster im Bild: Fotografie und Designschutz

wer denkt schon beim Fotografieren an das Geschmacksmustergesetz?
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  • hochgeladen von Jens Schade

Wer fotografiert, stößt in vielen Fällen schnell an Grenzen, die von Rechten anderer gezogen werden. Mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dem Recht am eigenen Bild, dem Eigentumsrecht, dem Urheberrecht und dem Markenschutzrecht habe ich mich bereits in früheren Beiträgen beschäftigt. Doch Objekte unserer fotografischen Begierde können auch einem Designschutz unterliegen. Dürfen wir diese Dinge aufnehmen, bzw. - was viel wichtiger ist - , dürfen wir solche Fotos ohne weiteres veröffentlichen? Heute will ich der myheimat-Gemeinde meine Gedanken zu diesem Aspekt unseres fotografischen Tuns darlegen.

Schon beim Wunder-Baum-Fall (siehe den Beitrag zum Markenrecht) wurde es kritisch. Vor der entsprechenden Recherche zu diesem Thema wäre ich jedenfalls nicht auf den Gedanken gekommen, das, wenn ein solches duftendes Ding im Foto zu sehen ist, unter Umständen geschützte Markenrechte verletzt werden können. Noch haariger wird es, jedenfalls meiner Meinung nach, beim Recht der Geschmacksmuster (wobei ich der Einfachheit halber im Folgenden alles unter den Begriff des Designschutzes einordnen werde.

Das Geschmacksmustergesetz

Irgendjemand muss ja die Gestalt von alltäglichen Gebrauchsgegenständen entworfen haben: die besondere Form einer Zitronenpresse etwa, das Schnittmuster für ein Kleid oder die Form des Wohnzimmertisches. Sind diese Ideen zur Formgestaltung vor der Verwertung durch Dritte - etwa mittels eines Fotos - geschützt? Gehen wir dieser Frage einmal auf den Grund.

In der Bundesrepublik Deutschland gilt das Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz), zurzeit in der Fassung, die es durch ein Gesetz vom 24.11.2011 erhalten hat. Darin werden „Muster“ vor ihrer Verwendung durch Dritten bis zu einem Zeitraum von 25 Jahren geschützt. Was ein Muster in diesem Sinne ist, beschriebt § 1 Nr. 1 des Geschmacksmustergesetzes (mir ist auch diese Kurzform des Namens noch zu lang, deshalb kürze ich in Zukunft das Gesetz einfach mal mit GMG ab). Dort heißt es: „Im Sinne dieses Gesetzes ist ein Muster die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt.“

Okay. Aber das kann nun so ziemlich alles sein, was wir vor die Linse bekommen. Das erste Problem, dass sich uns Fotografen da stellen könnte, ist: wann weiß ich eigentlich, dass ich überhaupt ein geschütztes Geschmacksmuster fotografiere? Nicht dass ich in aller Unschuld etwas fotografiere, das Bild veröffentliche und dann…

Jetzt gibt es zwar ein vom Deutschen Patent- und Markenamt geführtes Register für Geschmacksmuster und daneben noch ein Register für den Bereich der EU. In diesen Registern vor einer Fotoaufnahme zu recherchieren dürfte indes für Fotografen nicht gerade zumutbar sein. Und überhaupt: findet man das Muster dort nicht, bedeutet dies noch lange nicht, dass es nicht doch unter dem Schutz der Gesetzes steht. Denn es gibt auch nicht eingetragene Geschmacksmuster, die aber ebenso vor Benutzung durch Dritte geschützt sind.

Daher gehen wir jetzt erst einmal der Frage nach, ob es für uns Fotografen eigentlich überhaupt wichtig ist, zu wissen, ob wir ein Objekt mit Designschutz fotografieren oder nicht.

Wenn der Urheberrechtsschutz bei Gebrauchsgegenständen zuschlägt

Es gibt Fälle, in denen das designte Objekt auch ein Werk im Sinne des Urheberrechts darstellt (wann was als Werk angesehen werden kann, habe ich in meinen Beiträgen zum Urheberrecht geschrieben). In einem solchen Fall kommt es auf das Geschmacksmuster nicht mehr groß an. Mit dem großen Hammer des Urhebergesetzes ist uns das Fotografieren dieser Dinge (Vervielfältigung) ebenso verboten wie eine ungenehmigte Veröffentlichung der Bilder.

Vorsicht ist etwa geboten, wenn man einen von der Künstlerin Eileen Green entworfenen Beistelltisch und eine Stahlleuchte fotografiert. Das OLG Karlsruhe meine dazu: „Bei den beiden Möbelmodellen, für die die Klägerin Schutz beansprucht, handelt es sich um Werke der angewandten Kunst i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Wie das Landgericht mit Recht - und unbeanstandet von der Beklagten - festgestellt hat, offenbart sich in beiden Entwürfen unabhängig vom Gebrauchszweck eine Gestaltungshöhe, die sie als persönliche geistige Schöpfungen i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG ausweist“ (Urteil vom 22.09.1993 - 6 U 92/93 -).

Der BGH hat sich mit einem Sessel namens LC 2 beschäftigt (Urteil vom 10.12.1986 - I ZR 15/85) und bei dieser Gelegenheit freundlicherweise auf weitere Entscheidungen hingewiesen: „Dementsprechend ist in der Rechtsprechung mehrfach Sitzmöbeln mit einer entsprechenden Gestaltungshöhe der Urheberrechtsschutz zuerkannt worden, und zwar unabhängig davon, ob die Vervielfältigungsstücke dieser Modelle als Kunstwerke oder nur zum praktischen Gebrauch gekauft wurden (vgl. RG, Urt. v. 1.6.1932 - I 75/32 = GRUR 1932, 892, 894 - Mart-Stam-Stuhl; RG, Urt. v. 19.10.1937 - II 298/36 = GRUR 1938, 137, 138 f. - Stuhlmodelle; BGH, aaO, Stahlrohrstuhl I; BGH, Urt. v. 10.10.1973 - I ZR 93/72 = GRUR 1974, 740, 741 - Sessel - und Urt. v. 27.5.1981 - I ZR 102/79 = GRUR 1981, 820, 821 - Stahlrohrstuhl II).“

Möbel spielten auch in anderen Entscheidungen eine Rolle. Die von Künstlern gestalteten Gebrauchsgegenständen wurde vom Landgericht Hamburg (Möbeln der „Barcelona“-Serie, dem Stuhl „Brno“ und dem „Freischwinger“ von Ludwig Mies van der Rohe sowie der Stuhl „Wassily“ und dem Tisch „Laccio“ von Marcel Breuer - Urteil vom 02.01.2009 - 308 O 255/07 -) und vom OLG Frankfurt/M (Lounge Chair" von Charles Eames, Urt. v. 19.03.1981 - 6 U 160/79 - sowie hinsichtlich des USM-Haller Möbelprogramms - Urt. v. 11.02.1988 - 6 U 182/85) als urheberrechtlich geschützte Werke angesehen. Aber auch für bestimmte Kaminmodelle (LG Köln, Urt. v. 24.09.2008 - 28 O 530/05 -) und gestaltete Computer-Arbeitsplätze (OLG Hamm, Urt. v. 02.07.1991 - 4 U 4/91-) findet sich einschlägige Rechtsprechung.

Bei solchen Gegenständen ist man als Fotograf arm dran und kann die Frage des Gebrauchsmusterschutzes ruhig hintenanstellen. Solange die Schutzfristen nach den Urheberrecht laufen (und die können in verschiedenen Staaten durchaus unterschiedlich sein) und keine Ausnahme vom Urheberrecht greift, sollte man Fotos davon zumindest nicht veröffentlichen. Eine kleine Hintertür lässt immerhin § 57 Urheberrechtsgesetz zu. Danach ist „die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind“ zulässig. Also: den Stuhl von Mies van der Rohe einfach so fotografieren, geht nicht. Sitz darauf aber ein bildhübsches Porträt- oder Aktmodell und ist die Abbildung des Models die zentrale Bildaussage, müsste es dann doch wieder gehen.

Die Aufzählung der vorstehenden Urteile zeigt, dass die Frage, wann ein Gebrauchsgegenstand auch künstlerischen Wert genießt, durchaus unter Juristen kontrovers beurteilt wird und so ein Prozess sich auch durch mehrere Instanzen schleppen kann. Und da soll man nun als unbedarfter Fotograf entscheiden, ob einem da ein geschütztes Werk vor die Linse kommt!

Haben wir aber Glück und reicht der Arm des Gesetzes nicht in den Urheberrechtsschutz hinein, sondern endet beim Geschmacksmusterschutz, so stellt sich die Frage, was schützt dieses Gesetz eigentlich genau.

Die Antwort finden wir in § 38 Abs. 1 GMG: „Das Geschmacksmuster gewährt seinem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen.“ Womit wir bei der Frage sind, wann benutzen wir ein fremdes Geschmacksmuster. Benutzen wir es auch dann, wenn es fotografiert wird?

Die Frage spielt keine Rolle, wenn eine Ausnahme des § 40 GMG vorliegt. Rechte aus einem Geschmacksmuster können danach zu einen nicht geltend gemacht werden gegenüber Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden und für Wiedergaben zum Zwecke der Zitierung oder der Lehre, vorausgesetzt, solche Wiedergaben sind mit den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs vereinbar, beeinträchtigen die normale Verwertung des Geschmacksmusters nicht über Gebühr und geben die Quelle an.

Die zweite genannte Ausnahme kommt für normale Amateurfotografen wahrscheinlich eher selten in Betracht, die erste dafür wahrscheinlich häufiger. Aber hier stellt sich die bereits in früheren Beiträgen aufgeworfene Frage, wann überschreiten wir den privaten Bereich und die nicht gewerblichen Zwecke? Geht eine Veröffentlichung auf myheimat schon über den privaten Bereich hinaus? Ganz sicher liegt eine nichtprivate, sondern eine kommerzielle Verwendung vor, wenn Fotos mit derartigen Motiven etwa über Bildagenturen verkauft werden. Aber ist nicht die Beteiligung an einem Fotowettbewerb nicht auch schon ein gewerblicher Zweck? Zumindest will sich doch der Veranstalter mit den Siegerbildern (manchmal aber auch mit allen eingesandten Arbeiten) schmücken und sei es nur, um mit der Berichterstattung über den Wettbewerb für „good will“ zu sorgen oder um sie in seiner Zeitschrift/Zeitung abzudrucken. Wir sehen, auch normale Hobby-Lichtbildner können möglicherweise ganz schnell den Kreis der Handlungen „im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken“ überschreiten.

Auch das Abbilden ist eine „Benutzung“

Vor der Frage, ob man mit einem Foto das Geschmacksmuster im Sinne des Gesetzes „benutzt“, können wir uns also nicht lange drücken.

Im Frühjahr 2011 hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Frage aber für uns höchstrichterlich beantwortet. In dem dem Urteil vom 07.04.2011 (Az. I ZR 56/09) zu Grunde liegenden Fall hatte ein Unternehmen in einer Werbebroschüre (Ausstellerkatalog) das Bild von einem ICE 3 aufgenommen. Die Deutsche Bahn AG ist jedoch Inhaberin verschiedener Geschmacksmuster, die sie für Züge der Gattung Intercity-Express beansprucht. Sie beanstandete die Abbildung des Zuges in dem Druckwerk. Der BGH urteilte: „Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Abbildung eines Musters in einem Katalog grundsätzlich zu den Benutzungshandlungen gehört, die nach § 38 Abs. 1 Satz 1 GeschmMG (=Geschmacksmustergesetz , Anm. des Verf.) ausschließlich dem Rechtsinhaber vorbehalten sind. Eine Benutzung schließt nach § 38 Abs. 1 Satz 2 GeschmMG insbesondere die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Gebrauch eines Erzeugnisses, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, und den Besitz eines solchen Erzeugnisses zu den genannten Zwecken ein. Die Abbildung eines Erzeugnisses, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, ist zwar in dieser - lediglich beispielhaften - Aufzählung von Benutzungshandlungen nicht erwähnt. Jedoch folgt aus dem Umstand, dass die Schrankenregelung des § 40 Nr. 3 GeschmMG ausnahmsweise die Wiedergabe eines Geschmacksmusters erlaubt, dass sich das ausschließliche Benutzungsrecht des Rechtsinhabers nach § 38 Abs. 1 GeschmMG grundsätzlich auf die Wiedergabe eines solchen Erzeugnisses erstreckt (vgl. Eichmann in Eichmann/von Falckenstein aaO § 38 Rn. 44). Die Abbildung - wie hier in einem Katalog - stellt eine (zweidimensionale) Wiedergabe im Sinne des § 40 Nr. 3 GeschmMG dar.“

Fazit: Wer ein Foto zu kommerziellen Zwecken (und solche Art Zwecke sind möglicherweise schon sehr schnell auch bei Fotoamateuren anzunehmen) verwendet, in dem ein durch das Geschmacksmustergesetz geschütztes Design zu sehen ist, riskiert Abmahnungen oder Schadensersatzforderungen, wenn er nicht die Erlaubnis des Rechteinhabers besitzt.

Mit meinen Beiträgen zum Thema Fotografie und Recht möchte ich gern mit anderen Fotografen zum Erfahrungsaustausch kommen. Vielleicht hat ja schon jemand (hoffentlich gute) Erfahrungen gemacht und kann diese mitteilen. Ich freue mich jedenfalls auf Kommentare, Anmerkungen und Berichte von anderen my-Heimatlern. Und noch etwas: Ich habe mich bemüht, nichts Falsches zu schreiben. Eine Gewähr für die Richtigkeit übernehme ich jedoch nicht, bin schließlich kein Fachmann in Sachen Geschmacksmusterrecht. Und eine Rechtsberatung durch einen erfahrenen Juristen kann dieser Artikel natürlich nicht ersetzen.

Weitere Artikel zu Fotografie und Recht:

Wer sich für weitere Aspekte zum Thema Fotografie und Recht interessiert, mag vielleicht meine schon bei myheimat veröffentlichten Gedanken zum Schutz von Urhebern künstlerischer Werke und von Eigentümern fotografierter Sachen lesen.

Eine Auseinandersetzung mit dem Urheberrecht – speziell zur Frage der Panoramafreiheit im Internet findet sich unter
Die Panoramafreiheit – Eine Falle für Fotografen im Internet? Teil 1
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...
Die Panoramafreiheit – Eine Falle für Fotografen im Internet? Teil 2
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Ergänzt und abgeschlossen wird das Thema Urheberrecht und Panoramafreiheit mit dem Beitrag
Noch einmal Panoramafreiheit: Ja was darf denn nun fotografiert werden?
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Ein weiterer Artikel – wegen der Länge in 3 Teilen – beschäftigt sich speziell mit der Frage, ob man ohne Erlaubnis fremdes Eigentum fotografieren darf. Zu finden ist dieser Beitrag hier:
Teil 1: Fremde Sachen, eigenes Foto - Darf ich anderer Leute Eigentum einfach so fotografieren?
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Teil 2: Eigene Fotos - fremde Sachen: eine Gratwanderung mit Stolperfallen
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Teil 3: Ferienhäuser und Saunen mit Persönlichkeit
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...

Mit der Frage, wann Fotos, auf denen andere Menschen zu sehen sind, veröffentlicht werden dürfen, habe ich mich in folgendem Artikel beschäftigt:

http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...

Und auch zum verwandten Thema Markenrecht und Fotografie habe ich etwas geschrieben. Zu finden ist es hier:
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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