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Gefährliches Terrain für (Bürger-)Reporter: Wenn über einen Verdacht berichtet wird

  • Ein aktuelles Urteil für Reporter zum Thema Verdachtsberichterstattung kommt aus Dresden.
  • hochgeladen von Jens Schade

Mitunter erfährt ein Journalist – oder auch ein Bürgerreporter von myHeimat – Dinge, die durchaus berichtenswert und von allgemeinen Interesse sind. Die Sache hat nur einen kleinen Haken: Handfeste Beweise dafür gibt es bislang nicht, alles bleibt im Nebel von Gerüchten und Verdachtsmomenten. Wer hier zur Feder greift, begibt sich auf juristisch anspruchsvolles Terrain. Und zwar immer dann, wenn eine wegen dieses Verdachts an die Öffentlichkeit gezerrte Person das nun ganz und gar nicht toll findet und zum Rechtsanwalt läuft. Hier die Grenze zwischen journalistischen Informationsanspruch und Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jenes Menschen, der ins Visier eines Schreiberlings geraten ist, zu ziehen, ist nicht immer ganz einfach.

Ein kürzlich vom Oberlandesgericht (OLG) Dresden in zweiter Instanz entschiedener Rechtsstreit macht dies deutlich und zeigt auf, was wir Bürgerreporter im eigenen Interesse bei unserer Berichterstattung beachten sollten.

Worum ging es in dem Dresdener Fall? Gegen einen Bundestagabgeordneten nahm die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen auf, denn es war gegen ihn eine Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs gestellt worden. Eine 29-jährige Frau warf dem Politiker vor, sie bei einem anfangs noch einvernehmlichen Geschlechtsverkehr misshandelt zu haben. Die Beklagte hatte über diesen Fall unter der Überschrift "Schwere Vorwürfe gegen XX" mit Namensnennung und mit einer Fotografie des Klägers berichtet, obwohl der Kläger selbst auf eine Anfrage der Beklagten zuvor mitgeteilt hatte, dass die Vorwürfe falsch seien. Eine Rolle in diesem Rechtsstreit spielte außerdem, dass bereits einige Zeit zuvor andere Medien ebenfalls über die Strafanzeige berichtet hatten.

Das OLG Dresden bejahte einen Unterlassungsanspruch des Politikers aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Die Beklagte habe die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung überschritten (Urteil vom 21. August 2018 – 4 U 255/18).

Die Oberlandesrichter unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH): „Eine Verdachtsberichterstattung über eine laufende polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlung ist nur zulässig, wenn ein Mindestbestand an Beweistatsachen gegeben ist, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit Öffentlichkeitswert verleiht. Dabei sind die Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Sie darf keine Vorverurteilung enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei bereits überführt. Eine auf Sensation abzielende, bewusst einseitige oder verfälschte Darstellung ist unzulässig. Auch die zur Verteidigung des Betroffenen vorgetragenen Tatsachen und Argumente müssen berücksichtigt werden, was regelmäßig die Einholung einer Stellungnahme des Verdächtigen erforderlich macht. Es muss sich zudem um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.“

Wichtig: Straftaten gehören zum Zeitgeschehen. Es ist Aufgabe der Medien, darüber zu berichten. Nach dem BGH ist dann auch bei schweren Straftaten sogar eine identifizierende Berichterstattung (also mit Namensnennung) grundsätzlich zulässig (BGH, Urteil vom 15. 11. 2005 - VI ZR 286/04 -, NJW 2006, 599 ff., 600). Das gilt mit gewissen Einschränkungen sogar bei einem reinen Verdacht auf eine Straftat.

Jetzt könnte der geneigte Leser meinen, bei einem Bundestagsabgeordneten, der zudem noch im Verbreitungsgebiet des beanstandeten Artikels direkter Wahlkreisabgeordneter ist, sei dies fraglos der Fall. Grundsätzlich sieht das das OLG Dresden tatsächlich auch so. Aber immer, wenn Juristen das Wort „grundsätzlich“ in den Mund nehmen, sollte die Sache mit Vorsicht angegangen werden. Das OLG weiter: „Die Berichterstattung über das Bestehen eines Verdachts der Begehung einer Straftat durch die Medien kann besondere Gefahren für Betroffene begründen. Verdächtigungen, Gerüchte und insbesondere Berichterstattungen durch die Medien werden oft für wahrgenommen, ihre sich später erweisende Haltlosigkeit beseitigt den einmal entstandenen Mangel kaum und Korrekturen finden selten die gleiche Aufmerksamkeit wie die Bezichtigung. Deswegen gebietet die Unschuldsvermutung eine entsprechende Pflicht der Medien, der Stichhaltigkeit der ihr zugeleiteten Informationen unter Berücksichtigung der dem Verdächtigen bei identifizierender Berichterstattung drohenden Nachteile gewissenhaft nachzugehen, und eine entsprechende Zurückhaltung, ggf. einhergehend mit einer Beschränkung auf eine ausgewogene Berichterstattung zu üben.“ Dies gelte namentlich, so die Richter weiter, „im Stadium des Vorermittlungsverfahrens, in dem die Ermittlungen sich noch ganz am Anfang befinden.“ Und diese Pflicht zur ausgewogenen Berichterstattung soll die Beklagte verletzt haben.

Da hat dann auch der Einwand nicht mehr geholfen, dass andere Medien schon zuvor über die Vorwürfe gegen den Politiker berichtet hatten. „Unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters werden nicht allein deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind“, heißt es in dem Urteil.

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