Fototipps: Falsches kann manchmal richtig sein.
Eine falsche Aufnahmetechnik kann zu einer besseren Bildausbeute führen. Nicht immer müssen die akademischen Regeln eingehalten werden. Das war im August 1979 das Fazit eines Fototipps der früheren „Fotogruppe Döhren“ an die Leser des Maschseebotens .
Weil die Fotoszene nach meinem Geschmack bei myheimat etwas zu kurz kommt, will ich ab und zu mit Beiträgen zu Fotothemen den Fokus auch mal auf dieses schöne Hobby richten. Bei der Frage "über was könnte man denn dann nun stattdessen schreiben", stieß ich auf Berichte der Fotogruppe Döhren, die diese Anfang der 80iger Jahre in einem Anzeigenblatt für den Stadtbezirk Döhren-Wülfel, den Maschseeboten, veröffentlichte. Mitbürger wollte man für die Fotografie begeistern und natürlich sollte daneben etwas Eigenwerbung für die Gruppe betrieben werden. Auch ich verfasste in diesem Rahmen ab und zu einige Artikel zu fotografischen Themen. Der Döhrener Fotoclub ist zwar längst Geschichte, doch die alten Fototipps halte ich nach wie vor für interessant. Zumeist beschäftigte ich mich seinerzeit mit Grundlagenthemen. Im Zeitalter von Motivprogrammen und Programmautomatiken kann es aber nichts schaden, sich ab und zu noch einmal das Fundament des ganzen fotografischen Schaffens in Erinnerung zu rufen. Deshalb hier nun der Text, den ich damals zu Thema Regeln und deren Missachtung schrieb.
Keinesfalls wollten wir damals der Unkenntnis das Wort reden. Um Regeln zu brechen, muss man sie kennen – und man muss wissen, was passiert, wenn ein Fotograf sich daran hält oder eben nicht. Technik und Regeln müssen sein,. Aber Fotografie ist mehr als ein bloßes Handwerk. Gerade für uns Fotoamateure, die nicht darauf angewiesen sind, irgendwelche Standardergebnisse an Auftraggeber abliefern zu müssen, kann das Experimentieren und Ausprobieren sinnvoll sein. Wichtig: Fotografie ist immer Geschmacksache. Was der eine achtlos in den Papierkorb werfen würde, begeistert den anderen als „super Foto.“ Die Antwort auf die Frage, was ein gutes Bild ist, ist immer subjektiv. Manchmal hat etwa eine unscharfe Aufnahme oder ein sehr gewagter Bildausschnitt eben das „gewisse Etwas“. Früher, in den Kindertagen der Fotografie, brauchte es schon technisches Geschick und fotografisches Können, um eine korrekt belichtete, scharfe Aufnahme auf die fotografische Platte zu bannen. Heute ist das alles kein Problem mehr dank unzähliger Automatikfunktionen moderner Kameras, ein Fotograf braucht sein Können nicht mehr allein durch technisch perfekte Bilder zu beweisen, die macht sein Fotoapparat inzwischen von selbst. Doch es gibt sie immer noch: Fotografen, die für das technisch exakte Bild schwärmen, eine „Testaufnahme“ nach der anderen machen, ohne je zu einem richtigen Bild zu kommen. Was aber für uns Liebhaber der Fotografie zählt, ist das (bildnerische) Foto, das dem Betrachter ohne weitere Erläuterungen das sagt, was der Fotograf ausdrücken wollte.
Das 1979 veröffentlichte Beispielsfoto war ein Porträt eines hübschen jungen Mädchens. Mein Problem: damals hatte ich mir nicht die unbegrenzten Veröffentlichungsrechte schriftlich einräumen lassen (vom Internet sprach zu dem noch kein normaler Mensch) und heute besteht längst kein Kontakt mehr. Die Folge: aus rechtlichen Gründen sehe ich vorsichtshalber ab, das Foto hier erneut zu veröffentlichen. Sorry, aber es geht nicht anders. Deshalb der Tipp: Nach Möglichkeit mit den Modellen einen schriftlichen Vertrag aufsetzen, indem alles geregelt wird, was Fotograf und Model mit den Bildern machen darf und der die Zeiten überdauert.
Damals hatte ich eine sehr harte Ausleuchtung von der Seite gewählt und den Bildausschnitt sehr eng gesetzt, so dass nicht einmal der ganze Kopf abgebildet wurde, Hartes Seitenlicht bringt Strukturen gut zur Geltung: beim Porträt eben Falten und Hautunreinheiten. Deshalb: eigentlich kein Porträtlicht. Gut, die junge Dame hatte damit noch keine Probleme. Zudem (es war ein schwarz-weißes Foto) belichtete ich die schon harte Aufnahme auf Fotopapier mit harter Gradation (normalerweise für eine Porträtaufnahme „tödlich“). Die Haut wurde dadurch zu einer unstrukturierten Fläche. Beim Nasenschatten wurde darauf geachtet, dass dieser nicht zu lang wurde und vor allem nicht nach unten ging und die Lippen berührte (wirkt nicht gut). Das Model hatte sehr schöne, ausdrucksstarke Augen. Durch die harten Kontraste und den engen Bildausschnitt kamen sie erst recht zur Geltung, zogen den Betrachter an.
Die Aufnahme war ein Beispiel dafür, dass manchmal – und die Betonung liegt wirklich auf manchmal – etwas handwerklich Falsches einem Bildnis eine besondere Note verleiht und die Aufnahme von einem Standardbild abhebt.
Als Illustration zu diesem Beitrag musste ich – siehe oben – ein anderes Foto heraussuchen. Ich wählte eine Aufnahme mit „stürzenden Linien“. Das Bild führte damals zu harten Diskussionen in der Fotogruppe. Es war in einem ganz anderen Zusammenhang im Maschseeboten abgedruckt worden, der nichts mit der Fotogruppe zu tun hatte. Trotzdem meinten einige Fotofreunde, so ein misslungenes Bild würde die ganze Gruppe diskreditieren. Ein Foto mit stürzenden Linien? Pfui! Ein absolutes „No-go“. Wer sie (die stürzenden Linien) nicht vermeiden konnte (kein erhöhter Aufnahmestandpunkt möglich, kein Shift-Objektiv oder verstellbare Fachkamera auf Basis der optischen Bank zur Hand – Photoshop und Co zur nachträglichen Korrektur gab es ja noch nicht), musste eben auf die Aufnahme verzichten. So einfach war das. Mein Einwand, dass stürzende Linien nur die Wirklichkeit wiedergeben, wurde beiseite gewischt. Liebe Leser, achtet einmal bewusst darauf. Parallele Linien laufen nicht nur scheinbar in Richtung Horizont beim Blick gerade aus zusammen, nein derselbe optische Effekt tritt auch auf, schauen wir etwa an einem Hochhaus oder Turm entlang nach oben. Nur im letzteren Fall versucht unser Gehirn uns zu täuschen. Wenn wir nicht ganz bewusst darauf achten, glauben wir, in der Höhe weiterhin parallel verlaufene Linien zu sehen, obwohl das gar nicht stimmt. Jedenfalls meinte ich, zur Unterstützung bestimmter Bildaussagen könne dieser optische Effekt eben auch genutzt werden. Bei dem hier gezeigten Bild – es stellt das historische Grabmal eines hannoverschen Offiziers auf dem ehemaligen Döhrener Kirchhof dar– wollte ich das wuchtige Denkmal herausstellen, gleichzeitig sollte aber die St. Petri-Kirche im Hintergrund noch den Kontext zum ehemaligen Dorfmittelpunkt herstellen und so setzte ich ganz bewusst mit einem 24er Kleinbildobjektiv diesen Grabstein in Szene.
Wie gesagt, bei einigen Fotofreunden stieß ich mit diesem Vorhaben auf starke Ablehnung. Deshalb die Warnung: Wer diesen Tipp befolgt, darf nicht auf ungeteilten Beifall seiner Bildbetrachter hoffen, muss oft auch mit Kritik weiter leben. Es wird Menschen geben, die ein solches Werk in Grund und Boden verdammen, eben weil es nicht den gelernten Regeln entspricht. Zum Glück kommt es für uns Hobby-Fotografen aber nur darauf an, dass uns das Bild selbst gefällt.
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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