Fotorecht: Ein Bild von einem Grab kann Rechte der Angehörigen verletzen
Darf man im Internet über ein Grab auf einem allgemein zugänglichen Friedhof berichten und auch ein Foto davon veröffentlichen? Diese Frage zog sich über drei Gerichtsinstanzen hin, bevor nun im November der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das letzte Wort sprach. Gewonnen hat eigentlich keine der Streitparteien so richtig. Befriedigend ist das Urteil auch nicht für Journalisten und Schreiber, die ihre Texte und Fotos im Netz veröffentlichen. Denn es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der verschiedene Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen und gewichtet wurden. Rechtssicherheit für andere Fälle folgt daraus nicht. Was nun in die Abwägung einzustellen und wie zu gewichten ist, kann durchaus unterschiedlich beurteilt werden. Das zeigt nicht zuletzt das hier besprochene Urteil. Denn die Vorinstanzen – allesamt mit erfahrenen und professionellen Juristen bestückt – kamen durchaus zu anderen Ergebnissen als jetzt ihre Kollegen in Karlsruhe.
Die Kläger in diesem Rechtsstreit verlangten von der Beklagten die Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung von Aufnahmen der geschmückten Grabstätte ihres Sohnes und eines dazugehörigen Textes. Der betrauerte Tote war kurzzeitig im Zusammenhang mit einem Ereignis, dass viele Menschenleben forderte, bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Die Beklagte hatte deshalb auch über dieses Begräbnis und die Grabgestaltung auf ihren Internetseiten in Wort und Bild berichtet. Das Landgericht gab der Klage der Eltern auf Unterlassung noch im vollen Umfange statt, die Bundesrichter differenzierten indes. In Texten durfte die Beklagte danach schon berichten, aber ein Foto vom – wie gesagt, durchaus öffentlich zugänglichen und einsehbaren - Grab veröffentlichen, das ging dann aber doch nicht.
Worüber wurde genau gestritten? Die Kläger beriefen sich auf ihre allgemeinen Persönlichkeitsrechte. Der Bericht über den Abschiedsgruß der Kläger auf dem Grab und die Beschreibung der Gestaltung des Grabes beträfen ihre Privatsphäre. Die obersten Zivilrichter folgten hinsichtlich der Bildberichterstattung der Auffassung der Kläger. „Das Recht, mit der Trauer .. allein zu bleiben und in Ruhe gelassen zu werden, werde geschmälert, wenn einem breiten Publikum Details über die Grabstätte mitgeteilt würden und damit die Gefahr geschaffen werde, dass diese von Dritten aufgesucht werde, von denen die Kläger in ihrer Trauer gestört würden. Der Friedhof sei für Trauernde regelmäßig ein Ort, in dem die Möglichkeit des Zu-sich-Kommens gesichert sei und der das Bedürfnis verwirklichen helfe, in Ruhe gelassen zu werden“, heißt es in dem Urteil. Deshalb könnten sich die Kläger gegen die veröffentlichten Fotos wehren. Die Bilder seien geeignet, so der BGH, „bei einigen Betrachtern das Bedürfnis zu wecken, den Friedhof, der aufgrund der bekannten Informationen zum Geburtsort des Verstorbenen und Wohnort seiner Eltern in der Öffentlichkeit bekannt sei, aufzusuchen, und dort anhand der Fotos nach dem Grab zu suchen. Die Suche nach dem Grab werde durch die Fotos jedenfalls erheblich erleichtert.“
Schriftlich durfte die Beklagte indes aber durchaus über die Grabstätte berichten. Zwar sei das „durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger in seiner Ausprägung als Recht auf Schutz der Privatsphäre durch den veröffentlichten Text beeinträchtigt“, so das Urteil. Aber: Hier sei dieses Recht der Kläger mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Und anders als bei den Fotos überwogen nun bei der Textberichterstattung die Rechte der Beklagten die der Kläger. Der Eingriff in die Privatsphäre der Kläger werde durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt.
Das Urteil: „Zwar handelt es sich bei den Klägern trotz der spektakulären Umstände des Todes ihres Sohnes um in der Öffentlichkeit unbekannte Privatpersonen, die einen besonderen Schutz ihres Privatlebens beanspruchen können. Die Beeinträchtigung ihrer Privatsphäre ist jedoch nicht so schwerwiegend. Die berichteten Tatsachen ließen keinen tieferen Einblick in die persönlichen Lebensumstände der Kläger zu. Es wird nur kommuniziert, dass der Sohn der Kläger hinsichtlich des Blumenschmucks und des Holzkreuzes ein unauffälliges, traditionellen Ritualen in Deutschland entsprechendes Begräbnis erhalten hat…. Diese Mitteilung ist wenig differenziert und allgemein gehalten und gibt von dem Gefühlsspektrum der Eltern in dieser Ausnahmesituation wenig preis.“ Demgegenüber leiste der Bericht „trotz der recht vordergründigen und wenig persönlichen Informationen über die Kläger einen Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse und zielt nicht nur darauf ab, die Neugier einer bestimmten Leserschaft auf Einzelheiten des Privatlebens einer Person zu befriedigen.“
(BGH, Urteil vom 10. November 2020 – VI ZR 62/17
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Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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