Foto und Recht: Menschen im Bild
Wer fotografiert, will das frei und ungezwungen tun, sein Hobby oder seine künstlerische Freiheit ausleben. Doch wie überall im Leben gilt auch hier: es gibt Rechte Dritter, die tunlichst beachtet werden sollten. Gerade, wer nicht nur für die heimische Festplatte (im digitalen Zeitalter der Nachfolger des berühmten Schuhkartons) fotografiert, sondern seine Bilder veröffentlicht, kann sich unerwartet schnell rechtlichen Problemen gegenübersehen. Selbst dann, wenn die Fotos „nur“ auf myheimat oder ähnlichen Internet-Angeboten eingestellt werden. In einer kleinen Artikelserie will ich mir selbst klar werden, was ich als Fotograf darf und was ich besser lassen sollte. Meine Überlegungen sollen der myheimat-Gemeinde nicht vorenthalten werden. Vielleicht interessieren sie den einen oder anderen Mit-Fotografen.
In dem heutigen Beitrag geht es um das Fotografieren von Menschen. Nachdem ich bereits dem Urheberrecht und dabei insbesondere der Panoramafreiheit sowie dem Eigentumsrecht (Stichwort: Hausrecht des Eigentümers und dessen Persönlichkeitsschutz) nachgespürt habe, soll es diesmal etwas lebendiger zu gehen. Denn was fotografiert der Mensch am liebsten? Richtig: andere Menschen. Und die haben ein Recht am eigenen Bild. Das ist Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes einer jeden lebenden Person. Jeder kann selbst entscheiden, ob und wie er sich in der Öffentlichkeit darstellen will.
Maßgebende Rechtsgrundlage ist auch heute noch eine Vorschrift im „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie“ aus dem Jahr 1907. Dieses Gesetz – kurz Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) genannt - wurde zwar weitgehend aufgehoben, doch ein paar Vorschriften gelten noch heute. Insbesondere der § 22 ist weiterhin anzuwenden. Darin heißt es in Satz 1: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“
Auf der sicheren Seite: Ein Modelvertrag
Grundsätzlich (zu den Ausnahmen kommen wir später) braucht man das Einverständnis der abgebildeten Personen. Auf der sicheren Seite ist sowohl der Fotograf als auch das Model, wenn ein Modelvertrag vorliegt. Diese Verträge können zwar mündlich geschlossen werden, anzuraten ist dies indes nicht. Ein schriftlicher Vertrag beugt Beweisschwierigkeiten und späteren Streitigkeiten vor.
Der Vertrag sichert die Rechte des Models und des Fotografen ab. Deshalb sollte darin vor allem klar und eindeutig geregelt werden, was der Fotograf mit den Fotos machen darf und was nicht. Es sollte aber auch festgelegt werden, wie das Model überlassene Fotos (es ist im Amateurbereich eigentlich selbstverständlich, dass das Model immer ein paar Bilder oder Bilddateien vom Shooting erhält) verwenden kann. Im Zeitalter von Photoshop und Co ist es daneben ratsam, ebenfalls die Einwilligung des Models zur Bearbeitung und Veränderung des Fotos einzuholen, denn eine ungenehmigte Bearbeitung kann das Persönlichkeitsrecht verletzen (vgl. dazu Landgericht Hamburg, Urteil vom 14.10.2011 - 324 O 196/11 –). Bei minderjährigen Fotomodellen muss sowohl der oder die Minderjährige unterschreiben (wenn er/sie denn schon alt genug ist, juristisch formuliert: „die erforderliche Reife“ besitzt - Babys und Kleinkindern natürlich nicht) als auch dessen gesetzliche Vertreter (Achtung: bei zwei erziehungsberechtigten Elternteilen müssen auch beide Eltern mitwirken). Im Fall des Urteils des OLG Düsseldorf vom 29.05.1984 (15 U 174/83) hatte nur die Minderjährige den Aktfotos zugestimmt, was dann auch prompt Probleme ergab. Mit der Einwilligung allein der damals 16jährigen konnte der Fotograf nicht viel anfangen.
Im Netz finden sich – ebenso wie in vielen Lehrbüchern zur Porträt- und Aktfotografie - eine Reihe von Vertragsmustern. Unkritisch sollte man diese Vorlagen zwar nicht übernehmen, aber wer mehrere Vorschläge studiert, bekommt schon ein Gefühl dafür, welche Regelungen sinnvoll sind.
Auf den Seiten des DVF (Deutscher Verband für Fotografie) habe ich ein Vertragsmuster für Amateurfotografen gefunden. Die Vorlage steht als Word- oder PDF-Datei zum Download bereit. Hier der Link zur PDF-Version:
http://dvf.webentwicklung-typo3.de/fileadmin/Downl...
Einige Bildagenturen halten als Service für ihre registrierten Fotografen ebenfalls ausformulierte Muster-Modelverträge bereit, etwa die Agentur „Digitalstock“ (www. Digitalstock.de). Wer diesen Bildagenturen Fotos anbieten will, ist sicherlich gut beraten, die entsprechenden Vorlagen zu verwenden.
Wie wichtig es ist, den Verwendungszweck genau zu vereinbaren, lässt ein Fall erkennen, der vor dem Oberlandesgerichts (OLG) München verhandelt wurde. Ein Foto mit erotischem Einschlag, ursprünglich für eine Werbekampagne aufgenommen, wurde später nochmals ohne Wissen und Einwilligung des Models in einer auflagenstarken Zeitschrift veröffentlicht. Erschwerend kam hinzu, dass der Kontext des Fotos durch die Bildunterschrift verändert wurde. Der Zeitungstexter erweckte den Eindruck, die Frau betreibe Telefon-Sex. Das hat dem Model ganz und gar nicht gefallen. Die Frau klagte und ihr wurden Schadensersatzansprüche sowie ein erneutes Honorar zugesprochen. Die Richter kamen zu dem Schluss, die zweite Veröffentlichung in einem anderen Kontext sei nicht mehr durch ihr früheres Einverständnis gedeckt gewesen. Einen ähnliches Fall (Nacktfoto für ein Schulbiologie-Buch aufgenommen, Bild später anderweitig „zweitverwertet“) hat der BGH am 22.01.1985 (VI ZR 28/83) entschieden, ebenfalls zugunsten des Models. Und das Landgericht Berlin urteilte am 18.09.2008 (27 O 870/07), dass jemand, der sich von einem Fotografen ohne nähere Vereinbarung des Verwendungszwecks ablichten lässt, damit nicht auch die (konkludente) Einwilligung für die Verbreitung der Aufnahmen im Internet auf Webseiten des Fotografen erteilt. Also, möglichst genau schriftlich vereinbaren, welche Veröffentlichungsrechte eingeräumt werden.
Honorar = Einwilligung zur Veröffentlichung?
Doch was ist, wenn es mal doch nicht zu einem schriftlichen Vertrag gekommen ist? § 22 Kunsturhebergesetz hält eine Antwort bereit:
„Die Einwilligung zur Veröffentlichung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt.“ Grundsätzlich kann eine derartige „Entlohnung“ bereits in der Überlassung von einigen Abzügen bestehen. Doch Vorsicht. Eine Entlohnung führt nicht zu einer unbeschränkten Einwilligung für jedwede Art der Veröffentlichung (besonders kritisch dürften hier Aktfotos sein). Es kommt vielmehr darauf an, welche Abreden tatsächlich dazu getroffen wurden und ob im Zweifel der Fotograf etwaige mündliche Absprachen im von ihm behaupteten Umfang beweisen kann. Einen schlechten Stand dürfte der Fotograf ferner haben, wenn die Entlohnung im krassen Gegensatz zur Verwertung des Fotos steht. Wer ein Model mit ein paar Fotoabzügen als „Honorar“ abspeist und dann mit dem Bild Millionen verdient, wird sicherlich nicht vor allen Gerichten auf uneingeschränktes Wohlwollen stoßen.
Eine konkludente Einwilligung gibt es auch
Vereinbarungen und Zustimmungen können im Rechtsleben auch konkludent (= stillschweigend) geschlossen werden. Zeigt jemand ein Verhalten, dass objektiv als Einverständnis gewertet werden kann, dann reicht dies aus. Posiert etwa eine Person vor der Kamera, ist darin sicherlich die Zustimmung für ein Foto zu sehen. Doch ist der Abgebildete dann auch mit der Verwertung des so entstandenen Bildes einverstanden? Die reine Duldung des Fotografiervorgangs stellt noch keine stillschweigende Zustimmung für eine Veröffentlichung dar. Die Situation sollte schon recht eindeutig sein. Fotografiert jemand etwa auf einer Veranstaltung erkennbar als Zeitungsreporter und lassen sich dann die Menschen willig von ihm aufnehmen, dürfte die Zustimmung des Fotografierten für eine Veröffentlichung im Rahmen der Berichterstattung über die Veranstaltung durchaus gegeben sein, nicht aber für andere Zwecke (etwa Werbung). Im Zweifel könnte es aber trotzdem in diesem Beispielsfall knifflig für den Fotografen werden. Nämlich dann, wenn er im Nachhinein beweisen muss, dass er auch tatsächlich für das Model erkennbar als Pressefotograf aufgetreten ist.
Das Landgericht Oldenburg (Urteil vom 12.09.2001 - 5 O 778/01) hat zu dieser Frage entschieden, dass, wer als Reiter mit einem Pferd an einem Fototermin teilnimmt, auch damit muss rechnen muss, dass Fotografen Bilder zur Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift anfertigen. Deshalb könne von einer stillschweigenden Einwilligung in die Bildveröffentlichung ausgegangen werden. Und weiter: „Wer der Bildnisveröffentlichung für Werbezwecke zustimmt, hat damit auch stillschweigend in die Veröffentlichung in weiteren Prospekten eingewilligt.“
Model und Fotograf - Für ewig verbunden?
Schon die alten Römer kannten den Rechtsgrundsatz: Verträge müssen gehalten werden. Ist eine Einwilligung zur Veröffentlichung der Bilder erteilt, kann sie nicht ohne weiteres widerrufen werden. Die Gerichte lassen nur besondere außergewöhnliche Umstände gelten. Oder, wie es das Landgericht Oldenburg (Urteil vom 12.09.2001 - 5 O 778/01 -) formulierte. ein Widerruf komme nur in Betracht, wenn sich die äußeren Lebensumstände des Betroffenen oder die innere Einstellung grundlegend geändert haben.“
Beispiele: Ist das Model nun mit einem neuen Freund liiert, der solche Fotos nun gar nicht mag, dürfte dieser Umstand eher nicht zum Widerruf berechtigen. Hat sich aber die innere Einstellung einer Schauspielerin, die vor allem in Pornofilmen agierte, und von der Aktaufnahmen mit Modelvertrag angefertigt wurden, so geändert, dass sie zwischenzeitlich Nonne geworden ist, wird man wohl möglicherweise einen wichtigen Grund für einen Widerruf des Modelvertrages annehmen können. Gleichwohl dürfte auch in einem solchen Fall das ehemalige Model mit einem Widerruf zögern. Es muss nämlich dem Fotografen den Schaden ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den weiteren Fortbestand des Modelvertrages vertraut hat.
Fotos ohne Modelvertrag
Nun gibt es Situationen, da würde ein Fotograf grandios scheitern, wollte er mit allen Abfotografierten einen Modelvertrag schließen. Wir müssen uns nur eine Straßenszene vorstellen, in denen sich auch Passanten bewegen. Oder die Bundeskanzlerin hat einen Wahlkampfauftritt, spricht auf dem Marktplatz unserer Stadt zu ihrem Wahlvolk. Keine Chance für den Fotografen, eine Modelvereinbarung abzuschließen. Es muss also auch rechtlich zulässig sein, andere Menschen ohne eine entsprechende Vereinbarung zu fotografieren und diese Bilder trotzdem veröffentlichen zu dürfen. Sehen wir uns die Regelungen dazu genauer an.
Der erste Punkt ist einmal die Erkennbarkeit. Wird niemand den Abgebildeten identifizieren können (zu klein, zu unscharf, nur angeschnitten), dann sind auch seine Persönlichkeitsrechte nicht betroffen. Doch sollte auf diese Ausnahme nicht allzu sehr vertraut werden. Es reicht nach der Rechtsprechung wohl schon aus, wenn die Familie oder enge Freunde anhand der Abbildung herausfinden können, wer denn hier Model gestanden hat.
Ist der oder die Abgelichtete verstorben, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Bild von ihr bzw. ihm auch ohne Erlaubnis verwendet werden. Dazu kommen wir wieder auf § 22 KunstUrhG zurück. „Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.“. Also, findet ein myheimat-Freund im Schuhkarton seiner Urgroßmutter Personenaufnahmen aus der Zeit um 1880, dürfte es bei einer Veröffentlichung, etwa auf den myheimat-Seiten, weder urheberrechtliche Schwierigkeiten mit dem damaligen Fotografen noch mit den Modellen geben.
Bei jüngeren Aufnahmen ist allerdings Fingerspitzengefühl angebracht. Bei meinen Recherchen traf ich auch auf die Ansicht von Juristen, dass § 22 KunstUrhG nur die vermögensrechtliche Seite betreffe, mithin lediglich eine Honorarforderung ausschließe. Unter Rückgriff auf allgemeine Persönlichkeitsrechte könnten die Erben nach dieser Ansicht deshalb trotz der an sich eindeutigen Gesetzesvorschrift weiterhin eine Abbildung ihrer geliebten Verblichenen verbieten. Ja, liebe Mitfotografen, ein Gesetz kann noch so klar formuliert sein, findige Juristen gelingt es trotzdem, darin das Gegenteil zu lesen.
Hier darf ich ungestraft Leute fotografieren - oder doch nicht?
Ein weiterer Paragraph des alten Kunsturhebergesetzes ist für uns Fotografen ebenfalls noch heute von großer Bedeutung. § 23 KunstUrhG zählt auf, wann wir ungestraft Personen fotografieren und diese Bilder auch veröffentlichen dürfen. Die Vorschrift sagt in ihrem Absatz 1:
„Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1.Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2.Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
3.Bilder von Versammlungen, Aufzügen (Achtung: hier sind keine Fahrstühle bzw. Lifts gemeint!) und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
4.Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.“
Es gibt allerdings eine Einschränkung in Absatz 2 der Vorschrift: „Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.“ Und genau dieser Satz ist das Einfallstor für eine doch etwas restriktive Rechtsprechung.
Da haben wir es wieder. Das berechtigte Interesse. Der Begriff ist sehr schwammig und wie der Richter letztendlich die Interessen des Fotografierten und des Fotografen gegeneinander abwägt und wertet, wird man kaum vorhersagen können. Aber schauen wir uns die Liste des § 23 einmal näher an.
Kommen wir zuerst zu "Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte".
Bis etwa vor zehn Jahren konnten sich Fotografen ganz gut an den Kriterien "Person der Zeitgeschichte" entlanghangeln. Leider hat seither die Rechtsprechung (ohne dass das Gesetz geändert wurde) einen anderen Weg eingeschlagen und stellt jetzt mehr darauf ab, ob das Ereignis zeitgeschichtlich wichtig ist. Das führt zu einer Einzelfall-Rechtsprechung; wie der jeweilige Richter die Sache einschätzt, ist kaum vorhersehbar.
Da aber immer noch in vielen Veröffentlichungen von Personen der Zeitgeschichte die Rede ist und ich diesen Begriff zum Verständnis der ganzen Sache nach wie vor für wichtig halte (und auch die alte Rechtsprechung eigentlich richtiger finde), wollen wir uns im Folgenden einmal damit näher beschäftigen.
Person der Zeitgeschichte: Wer ist das eigentlich?
Wer ist eigentlich wann eine Person der Zeitgeschichte? Und um es noch etwas komplexer zu machen: Es gibt - heute müsste man wohl eher sagen, es gab (nicht nach dem Gesetz, aber nach der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung) absolute Personen der Zeitgeschichte und es gibt relative Personen der Zeitgeschichte. Mit der zunehmenden Einschränkung der Fotografenrecht und Stärkung der Rechte prominenter Persönlichkeiten am eigenen Bild kommt es zwar auf diesen Unterschied heute oft nicht mehr entscheidend an. Ich halte die Differenzierung aber immer noch für sinnvoll. Wer ist denn nun wer?
Was man unter diesen Begriffen zu verstehen hat, erläutert der Bundesgerichtshof (BGH) anhand der Klage einer Prinzessin aus Monaco. Über Mitglieder europäischer Fürstenhäuser berichtet eine bestimmte Art von Medien ja gern ausführlich in Wort und Bild, nicht immer sind die Hoheiten dann "amused". Die Bundesrichter führten nun aus (Urteil vom 06.03.2007 - VI ZR 14/06 -): „Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs den abkürzenden Begriff der "Person der Zeitgeschichte" entwickelt. Als "relative" Person der Zeitgeschichte ist eine Person anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen hat. Deshalb darf sie ohne ihre Einwilligung nur im Zusammenhang mit diesem Ereignis abgebildet werden. Demgegenüber gilt als "absolute" Person der Zeitgeschichte eine Person, die aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit findet, so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte ist und deshalb über sie berichtet werden darf.“
Der Begriff der Zeitgeschichte ist dabei vom berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen Er erstreckt sich, so der BGH weiter, grundsätzlich auf alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, wobei auch unterhaltende Beiträge in Betracht kommen (vgl. dazu auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15.12.1999,). Deshalb gehören zu diesem erlauchten Personenkreis nicht nur Prinzessinnen, sondern auch Politiker, bekannte Sportler oder sonstige Prominente. Das Landgericht Hamburg ordnete folgerichtig einen Fernsehmoderator dieser Gruppe zu: „G. J. zählt – wie die Klägerin selbst in ihrer Klagschrift ausführt – zu den bekanntesten und beliebtesten deutschen Fernsehmoderatoren. Wenn eine solche Person heiratet, ist dies nach den soeben dargestellten Grundsätzen als zeitgeschichtliches Ereignis von erheblichem Rang anzusehen.“
Kein Freiwild: dies gilt auch für Personen der Zeitgeschichte
Aber Achtung: auch Personen der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) sind kein Freiwild (jedenfalls seit ungefäghr 20 Jahren und einem wegweisenden Urteil des EuGMR nicht mehr). Das war damals der Ansatzpunkt, der langsam zu der heutigen Situation geführt hat. Aber der Reihe nach.
Wer beispielsweise eine bekannte Politikerin hinterherspioniert und sie beim privaten Sonnenbaden im heimischen Garten heimlich mit den Teleobjektiv „oben ohne“ fotografiert, wird in Deutschland bei einer Veröffentlichung dieses Werkes mit einiger Wahrscheinlichkeit doch bald ein Schreiben eines Rechtsanwaltes oder vom Gericht erhalten. Denn es gilt auch hier, einen unantastbaren Bereich der Intimsphäre zu wahren.
Entsprechend sagt der BGH im Fall der schönen Monegassin: „Auch sie hat jedoch ein Recht auf Privatsphäre, das nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Vielmehr muss sie die Möglichkeit haben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten unbehelligt von Bildberichterstattung zu bewegen (vgl. Senat, BGHZ 131, 332 ff., bestätigt von BVerfG, BVerfGE 101, 361 ff.).“ Doch Deutschlands oberste Zivilrichter erweitern den Schutzbereich noch über den „abgeschiedenen Ort“ hinaus: „Soweit sich die Bedenken des EGMR gegen den Begriff der "absoluten Person der Zeitgeschichte" richten (NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 72), geht es der Sache nach um die Frage, unter welchen Voraussetzungen über solche in der Öffentlichkeit bekannte Personen berichtet werden darf. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass die Klägerin unbeschadet der Frage, ob sie als absolute Person der Zeitgeschichte im Sinn der bisherigen Rechtsprechung anzusehen ist, jedenfalls eine in der Öffentlichkeit bekannte Person ist und in besonderem Maß das Interesse der Öffentlichkeit auf sich zieht. Auch hat sie sich bei der beanstandeten Abbildung nicht an einem Ort der Abgeschiedenheit im oben dargelegten Sinn befunden, so dass der Gesichtspunkt der Belästigung durch heimlich aufgenommene Fotos (vgl. EGMR NJW 2004, 2647, 2650 Rn. 68; BVerfGE 101, 361, 381; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3408; Senat, BGHZ 131, 332, 342) im Streitfall keine Rolle spielt. Allein diese Umstände können jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ausreichen, um einen Schutz der Privatsphäre zu verneinen. Das gilt nicht nur unter Berücksichtigung der Auffassung des EGMR, sondern ergibt sich bei richtigem Verständnis bereits aus dem abgestuften Schutzkonzept, wie es oben dargelegt worden ist. Hiernach ist auch bei Personen, die unter dem Blickpunkt des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, eine Verbreitung der Abbildung nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).“ In dem zu entscheidenden Fall ging es um ein der Zeitschrift "FRAU AKTUELL" veröffentlichte Bild, das die Klägerin und ihren Ehemann auf öffentlicher Straße in St. Moritz im Urlaub zeigte. Der Urlaub, so der BGH, gehöre grundsätzlich auch bei "Prominenten" zum geschützten Kernbereich der Privatsphäre. Letztendlich wies in diesem Einzelfall nach einer Interessenabwägung aber der BGH die Klage ab. Doch solche Interessenabwägungen zwischen den Interessen der „Person der Zeitgeschichte“ und denen der Allgemeinheit an einer Veröffentlichung sind immer Einzelfallentscheidungen. Auch wenn wir myHeimatler wahrscheinlich nicht allzu oft waschechte Prinzessinnen vor die Linse bekommen, sollte man sich deshalb gut überlegen, ob man mehr oder weniger prominente Mitbürger außerhalb von offiziellen Anlässen trotz § 23 KunstUrhG ins Netz stellt. Denn vor Gericht und auf hoher See...
Bei Verwendung des Fotos in Zusammenhang mit Werbung rate ich ebenfalls zur Vorsicht: Hierzu das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg in seinem Urteil vom 10.08.2010 - 7 U 130/09 -: „Die Veröffentlichung des großen Fotos, welches den Kläger im Hafen von St. Tropez auf seiner Jacht zeigt, sowie die begleitende Wortberichterstattung verletzen den Kläger in seiner Privatsphäre sowie seinem Recht am eigenen Bild, weil das Bild sowie der Begleittext den Kläger in einer offensichtlichen privaten Situation der Öffentlichkeit präsentieren, in der er davon ausgehen konnte, unbeobachtet zu sein. Demgegenüber besteht nur ein geringes schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit. Auch wenn es sich bei dem Kläger um eine prominente Person von einer gewissen zeitgeschichtlichen Bedeutung handelt, ergibt die Abwägung zwischen seinem Recht auf Schutz der persönlichen Sphäre einerseits und dem Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Information über das Zeitgeschehen andererseits ein Überwiegen des Persönlichkeitsrechtsschutzes des Klägers. Sowohl das beanstandete Bildnis als auch die mit ihm bebilderte Berichterstattung vermitteln dem Leser als aktuelle Neuigkeit lediglich die Tatsache, dass der Kläger am Sonntag auf seiner Jacht die Zeitung BILD am SONNTAG liest, somit einen Umstand, der für die breite Öffentlichkeit nur von geringem Interesse und nicht geeignet ist, der Meinungsbildung zu dienen. Wie der Bundesgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung vom 6.3.2007 (GRUR 2007, 527) ausgeführt hat, wiegt der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso höher, je geringer der Informationswert der Veröffentlichung für die Allgemeinheit ist. Dies führt im vorliegenden Falle dazu, dass dem Persönlichkeitsrecht des Klägers der Vorrang gebührt. … Es ist anerkannt, dass der widerrechtliche Einsatz des Fotos oder des Namens einer Person zu Zwecken der Werbung im Hinblick auf die darin liegende Ausbeutung eines vermögenswerten Aspekts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die üblicherweise nur gegen Entgelt gestattet zu werden pflegt, zu Bereicherungs- und Schadensersatzansprüchen führen können (vgl. Soehring, .Presserecht 4. Aufl. 32,39 m.w.N.; BGH, AfP 2009, 485ff;). Bei redaktionellen Beiträgen kommt allerdings im Regelfall weder ein Bereicherungsanspruch noch ein Schadensersatzanspruch in Betracht, da nach der Verkehrssitte für derartige Berichterstattungen kein Honorar gezahlt wird. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, angesichts der weitreichenden Kommerzialisierung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre, wie sie etwa in der Verbreitung von Homestories zum Ausdruck kommt, die von den Betroffenen gegen Entgelt ermöglicht werden, im Falle eines Eingriffs in die Privatsphäre zugleich einen Eingriff in vermögensrechtliche Bestandteile des Persönlichkeitsrecht zu sehen, der zu einem Lizenzanspruch führt (Götting/Schertz/Götting, Handpunkt des Persönlichkeitsrechts, §45, Rn. 4.; HH-Ko/MedienR/Wanckel, 44,43). Ob eine derartige Ausweitung von Lizenzansprüchen mit dem Recht der Presse auf freie Berichterstattung in Einklang zu bringen ist, erscheint fraglich. Zweifel ergeben sich schon deshalb, weil oftmals die Grenzen des Privatsphärenschutzes unklar sind, so dass in Zweifelsfällen die Bedrohung mit einem Anspruch auf Lizenz zu einem Einschüchterungseffekt und damit einer unangemessenen Einschränkung der Pressefreiheit führen kann. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch dahin stehen. Dieser ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte mit dem offenkundig rechtswidrigen Beitrag unter Verwendung der Abbildung des Klägers in Verbindung mit dem Begleittext offen für ihr Produkt wirbt. … Zwar ist für den Leser erkennbar, dass der Kläger nicht bewusst als Testimonial für die Zeitung wirbt, sondern dass es sich um ein ohne seine Einwilligung gefertigtes Paparazzi-Foto und um einen von der Redaktion gefertigten Text handelt. Ein Eingriff in die vermögensrechtlichen Aspekte des Persönlichkeitsrechts kann aber auch dann vorliegen, wenn der Abgebildete nicht als Testimonial fungiert, wenn aber durch das unmittelbare Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen wird, weil der Betrachter eine gedankliche Verbindung zwischen dem Abgebildeten und dem beworbenen Produkt herstellt, der zu einem Imagetransfer führt (BGH AfP 2009, 485; BGH AfP 2010, 237ff).“
Werben durfte man auch nicht mit dem Bild eines bekannten Fußballspielers. „Die Befugnis des Klägers, über die werbemäßige Verwertung seines Bildes selbst zu entscheiden, ist nach ständiger Rechtsprechung ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht (BGH NJW 1992, 2084)“, meinte das Landgericht Frankfurt im Urteil vom 12.03.2009 (2-3 O 363/08). In die gleiche Kerbe schlugen die Richter vom Oberlandesgericht (OLG) München (Urteil vom 06.03.2007 - 18 U 3961/06). Sie urteilten, dass für die Verwendung des Fotos eines bekannten Tennisspielers ohne dessen Einwilligung in einer Werbung für eine neu erscheinende Zeitung dem Sportler ein Anspruch auf Zahlung eines Honorars zusteht. Die Güterabwägung führe dazu, dass „den berechtigten Interessen des Abgebildeten, nicht zu einem Objekt der wirtschaftlichen Interessen eines Werbetreibenden und gegen seinen Willen kommerzialisiert zu werden, der Vorrang vor einer Bildberichterstattung ohne Einwilligung gebührt.“
Nicht immer kann sich aber ein Abgebildeter erfolgreich gegen eine Veröffentlichung eines Fotos aus dem privaten Bereich wehren. Deshalb hier zur Abwechslung einmal ein Fall, der andersrum ausgegangen ist. Zu entscheiden hatte auch hier das Landgericht Hamburg. Kläger war der bereits erwähnte hanseatische Fernsehmoderator, der in den Stand der Ehe trat. Über die Hochzeit des Klägers berichtete die Beklagte unter der Überschrift „Kläger heiratet seine T.S.“ Der Beitrag enthielt ein Foto, das den Kläger mit einem Sektglas zeigte, wobei sein Gesicht gepixelt war. Die Bildunterschrift lautete: „Kläger am Tag seiner Hochzeit in... Wir haben sein Gesicht unkenntlich gemacht, weil Kläger keine Berichterstattung über seine Hochzeit wünscht.“ Darauf wollte der Moderator materiellen und immateriellen Schadensersatz. Doch die Richter winkten ab: „Die Rechtswidrigkeit einer Veröffentlichung allein reicht demnach für die Zuerkennung einer fiktiven Lizenzgebühr nicht aus. Hinzukommen muss vielmehr, dass nach der Verkehrssitte vernünftige Vertragspartner in der Lage der Parteien – d.h. auch der des Verletzers – für die Autorisierung der konkret angegriffenen Veröffentlichung eine Honorarzahlung vereinbart hätten. Anders als für Werbung ist für den Bereich redaktioneller Berichterstattung von der Regelvermutung auszugehen, dass nach der Verkehrssitte Honorarzahlungen an den Betroffenen gerade nicht vereinbart werden.“ Ein Freibrief ist darin nicht zu sehen. In einem Parallelverfahren - auch die Braut hatte geklagt - sprach das Landgericht der frisch Angetrauten einen Unterlassungsanspruch zu, weil ihr Recht am Bild verletzt worden sei.
Ein letzter Fall, um zu zeigen, wie wenig voraussehbar das Ergebnis einer Schlacht vor dem Richtertisch sein kann. Oskar Lafontaine dürfte durchaus als wichtige Person der Zeitgeschichte anzusehen sein, egal, wo man selbst politisch steht. Nach seinem Rücktritt als SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister wurde sein Bild im Rahmen einer durchaus satirisch zu verstehenden Werbeanzeige eines Autovermieters verwendet. Der Politiker klagte und verlor. Das Ergebnis ist nach den bisherigen Ausführungen für mich ziemlich überraschend. Der BGH (Urteil vom 26.10.2006 - I ZR 182/04 stellt hier aber entscheidend auf den satirischen Seitenhieb in der Anzeige ab: „Die vom Kläger beanstandete Werbeanzeige dient nicht ausschließlich einem Werbezweck, sondern enthält im Zusammenhang mit der Abbildung des Klägers auch eine auf ein aktuelles Ereignis bezogene politische Meinungsäußerung in Form der Satire. Indem die Beklagte den Kläger mit einem Mitarbeiter vergleicht, der bereits in der Probezeit scheitert, setzt sie sich in ironischer Weise mit dem Umstand auseinander, dass der Kläger nach kurzer Amtszeit als Finanzminister zurückgetreten ist. Dieser meinungsbildende Inhalt wird durch den offensichtlichen Werbezweck der Anzeige nicht verdrängt.“ Wie schon gesagt, es kommt immer auf den Einzelfall an. Das Landgericht Hamburg entschied bei einem ehemaligen Bundesaußenminister anders. Auch absolute Personen der Zeitgeschichte dürfen nach dem Urteil vom 27.10.2006 (324 O 381/06) ohne deren Einwilligung mit ihrem Bild nicht in eine Werbung eingebunden werden. Die Hamburger Richter meinten, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG diene insofern ausschließlich dem Bedürfnis der Allgemeinheit nach sachgerechter bildmäßiger Information.
Noch’ne Einschränkung. Selbst wenn im Erwachsenenalter jemand etwa als Sportler oder Politiker berühmt und zu einer Person der Zeitgeschichte wurde, dürfen nicht ohne weiteres von ihm Bilder aus Kindheitstagen veröffentlicht werden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe urteilte dazu: „Auch bei einer bekannten Sportlerin, bei der die einwilligungslose Wiedergabe von Fotografien ihrer öffentlichen Auftritte von § 23 KUG gedeckt ist, bedarf es zur Wiedergabe von Fotografien aus ihrer Kinder- und Jugendzeit sowie aus ihrer privaten und häuslichen Umgebung ihrer Einwilligung“ (Urteil vom 10.09.2010 - 6 U 35/10 -).
Update: Im weiteren Verlauf dieser Serie habe ich eine Reihe von neueren Urteilen vorgestellt, die Aufschluss darüber geben, was noch als zulässig erachtet wird und wo es kritisch werden kann. Also, einmal auch späteren Beiträge zum Thema Fotorecht aufrufen.
Weitere Ausnahmen von der Einwilligung
§ 23 Abs. 1 KunstUrhG regelt weitere Ausnahmen. Ich brauche keinen Modelvertrag, wenn Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen. Aber auch hier gilt: mitunter lässt sich trefflich darüber streiten, ob der Mann oder die Frau nun nur noch Beiwerk ist, oder schon mehr. Als Faustregel lässt sich merken: kann die mitfotografierte Person hinweg gedacht werden, ohne dass sich der Charakter des Bildes verändert, dann ist die Person nur Beiwerk.
Ganz schwammig wird es bei der Nr. 4 der Vorschrift: „Fotos, die einem höheren Interesse der Kunst dienen“. Klar, viele Fotografen sehen ihre Arbeit als Kunst an. Doch ob der Richter ebenso begeistert von den Aufnahmen ist und diese Einschätzung teilt? Ich würde mich eher nicht darauf verlassen, zumal hier ebenfalls dann wieder eine Interessenabwägung zwischen Kunst und Persönlichkeitsrecht des „Models“ vorgenommen wird.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zu öffentlichen Versammlungen und Aufzügen (der Nr. 3 des Absatzes).
Gemeint sind damit Veranstaltungen, zu denen viele Menschen zu einem gemeinsamen Zweck zusammen kommen: Demonstrationen, Schützenausmärsche, Karnevalsumzüge, Konzerte, Sportveranstaltungen. Eine Warteschlange an einer Kasse oder eine Menschentraube an einer Haltestelle der Straßenbahn zählen nicht dazu.
Der Gedanke, der hinter dieser Vorschrift steht, ist, dass, wenn jemand an einer öffentlichen Aktion teilnimmt, dann auch dazu stehen muss und es sich gefallen lassen muss, wenn sein Bild in diesem Zusammenhang auftaucht. Wird das Bild später in einem ganz anderen Kontext gestellt, kann es schwierig werden. Lassen wir einmal das OLG Koblenz (Urteil vom. 02.03.1995 - 6 U 1350/93) zu Wort kommen. Es ging um eine öffentliche Modenschau. Die Richter in Koblenz haben zwar gesagt: „Rechnet ein für eine Modenschau engagiertes Mannequin mit einer Bildberichterstattung der Presse, so ist die Verbreitung der dort von ihr gemachten Pressefotos im Rahmen eines Berichts über die Modenschau durch ihre Einwilligung gedeckt.“ Aber, sie führten weiter aus, dies gelte nicht für die werbliche Verwertung eines solchen Fotos in einer Geschäftsanzeige.“ Genau das war indes passiert.
Das Koblenzer OLG musste in jenem Fall nur über Aufnahmen des Models in Bademode entscheiden. Diese Bilder sahen die Richter noch nicht als „in moralischer und ästhetischer Hinsicht bedenklich“ an (was immer das auch sein mag, hier kommen die persönlichen (Vor-)Urteile eines Richters zum Zug). Deshalb konnte das Mannequin kein Schmerzensgeld für die anderweitige Verwendung einklagen, die Richter sprachen dem Modell allerdings ein weiteres Honorar zu „in Höhe derjenigen Vergütung, die für die Erteilung der Einwilligung des Abgebildeten in die konkrete Verwertung ihres Fotos zu zahlen gewesen wäre (hier: 250 DM für eine Studentin, die gelegentlich als Mannequin arbeitet)“.
Und: mit Teleobjektiv jemanden aus einem Demonstrationszug herauspicken, das gilt nicht. „Der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG erfasst nicht den Fall, dass einzelne Teilnehmer einer Versammlung, eines Aufzugs oder eines ähnlichen Vorgangs so aus der Masse der Teilnehmer herausgelöst werden, so dass nicht mehr die repräsentative Abbildung der Menschenansammlung als solche im Vordergrund steht“ (LG Hamburg,. Urteil vom. 11.1.2008 - 332 O 126/07 -).
Vorsicht, jetzt kommt meine Interpretation. Wenn mit der Herauslösung aus der Masse aber gerade die repräsentative Abbildung der Versammlung oder des Umzuges betont werden soll - ich denke etwa an das Foto von einem besonders hübsch kostümierten Karnevalisten beim Faschingsumzug, der für die gesamte Veranstaltung steht- müssten die Aufnahme und ihre Veröffentlichung meiner Ansicht nach dann folgerichtig wieder zulässig sein. Dazu würde jedenfalls folgender Satz aus einem Urteil des Landgerichts Köln (Urteil vom. 29.06.1994 - 28 S 3/94 -) passen: „Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG liegen vor, wenn eine Person unabhängig von ihrer Erkennbarkeit nicht als Individuum, sondern als ein allgemeines Mitglied der abgebildeten Gruppe dargestellt wird.“
Zu guter Letzt:
Damit bin ich am Schluss meiner Betrachtungen über Fotografen und ihre Modelle angelangt. Ich habe mich bemüht, nichts Falsches zu schreiben. Eine Gewähr für die Richtigkeit meiner Ausführungen gibt es allerdings nicht. Und eine Rechtsberatung durch einen erfahrenen Juristen kann dieser Artikel natürlich erst recht nicht ersetzen.
Mit meinen Beiträgen zum Thema Fotorecht möchte ich gern mit anderen Fotografen zum Erfahrungsaustausch kommen. Deshalb freue ich mich über Kommentare und auch Ergänzungen. Vielleicht hat ja schon jemand (hoffentlich gute) Erfahrungen gemacht und kann diese mitteilen. Und es gibt noch zu einer Reihe anderer Rechtsfragen etwas zu sagen: Was ist, wenn Marken und Logos im Bild auftauchen, oder Objekte, deren Design geschützt ist?). Auch dies sollten wir diskutieren. Ich freue mich jedenfalls auf Kommentare, Anmerkungen und Berichte von anderen myHeimatlern.
Weitere Artikel zu Fotografie und Recht:
Wer sich für weitere Aspekte zum Thema Fotografie und Recht interessiert, mag vielleicht meine schon bei myheimat veröffentlichten Gedanken zum Schutz von Urhebern künstlerischer Werke und von Eigentümern fotografierter Sachen lesen.
Eine Auseinandersetzung mit dem Urheberrecht – speziell zur Frage der Panoramafreiheit im Internet findet sich unter
Die Panoramafreiheit – Eine Falle für Fotografen im Internet? Teil 1
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...
Die Panoramafreiheit – Eine Falle für Fotografen im Internet? Teil 2
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Ergänzt und abgeschlossen wird das Thema Urheberrecht und Panoramafreiheit mit dem Beitrag
Noch einmal Panoramafreiheit: Ja was darf denn nun fotografiert werden?
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Ein weiterer Artikel – wegen der Länge in 3 Teilen – beschäftigt sich speziell mit der Frage, ob man ohne Erlaubnis fremdes Eigentum fotografieren darf. Zu finden ist dieser Beitrag hier:
Teil 1: Fremde Sachen, eigenes Foto - Darf ich anderer Leute Eigentum einfach so fotografieren?
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Teil 2: Eigene Fotos - fremde Sachen: eine Gratwanderung mit Stolperfallen
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Teil 3: Ferienhäuser und Saunen mit Persönlichkeit
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Beim weiteren Nachdenken über das konkludente Einverstädnis kam mir ein Gedanke. Vielleicht sollte myheimat einen kleinen Ausweis (ähnlich den, den der DVF an seine Mitglieder ausgibt) auf Wunsch myheimat-Autoren, die regelmäßig über öffentliche Veranstaltungen berichten, zur Verfügung stellen. Mit so einer Legitimation macht man jedem klar, dass das Foto möglicherweise für einen Bericht auf myheimat verwendet wird. Wer trotzdem mit der Aufnahme einverstanden ist ...
Es ist mir bewust, dass ein solcher myheimat-Ausweis rechtlich nicht mehr gilt als ein selbstgebasteltes Ding. Aber es macht mehr Eindruck und wirkt professioneller. Liebes myheimat-Team, denkt doch mal drüber nach! Was halten andere Myheimatler von der Idee?