Er dampfte mit der Hanomag durch Döhren: Johannes Beyer war einer der letzten Lokomotivführer der Wolle
Alles war ganz amtlich. Der Vorstand des Bundesbahn-Maschinenamtes Hannover stellte am 21. Juni 1965 ein „Befähigungszeugnis zum Dampf-Lokomotivführer“ aus. Damit war der Döhrener Johannes Beyer berechtigt, die Hanomag-Tenderlok der Döhrener Wolle „auf den Gleisen der Wollwäscherei- und Kämmerei Döhren selbstständig zu führen.“ Und dann dampfte er tatsächlich auf der 3,2 Kilometer langen Gleistrecke mit sieben Weichen und einer Drehscheibe durch Döhren.
Die Döhrener Stadtteil-Zeitung „ Maschseebote“ tauchte vor längerer Zeit in die Historie der Werksbahn der Wolle ein und stellte die frühere Eisenbahnbrücke an der Leineinsel als letztes Überbleibsel vor. Als Johannes Beyer diesen Artikel las, „kamen bei mir viele Erinnerungen wieder in den Kopf“ , wie er sagt. Denn Bayer war einer der letzten Dampflokführer der Wollwäscherei.
Seit seinem zweiten Lebensjahr wohnt Johannes Beyer in Döhren. „Als Kinder haben wir an den Wollegleisen gespielt. Wie oft bin ich mit meinen Freunden auf die Wagons aufgesprungen, um ein Stück mitzufahren“, erzählt er. „Obwohl es verboten war, hat es uns viel Spaß gemacht, auch wenn der Lokomotivführer und der Rangierer schimpfte. An die Gefahr hat damals keiner von uns gedacht.“ Seine Berufsplanung führte Beyer zur Wolle, zunächst aber als Schlosser. „Nach kurzer Zeit wurde ich vom damaligen Kesselhausmeister, Herrn Kahlert, gefragt, ob ich nicht Lokführer werden wollte“, erinnert sich Johannes Beyer weiter. Nach einer viermonatigen Anlernzeit legte er dann die Prüfung zum „Dampf-Lokomotivführer“ ab. Bayer: „Das war seinerzeit der schönste Tag meines Lebens.“ Ab jetzt durfte er die alte Hanomag-Lok aus dem Jahr 1908 und die etwas jüngere „La Meuse“ , eine belgische Schachtlok, führen. Diese Zugmaschine wurde 1936 erbaut und fuhr zunächst in Barsinghausen in den Deister hinein, um die Kohle ans Tageslicht zu bringen. 1940 kam die Bergwerkslok dann nach Döhren und dampfte fortan unter den Namen „Döhren II“. Bis zu 10 Waggons koppelte man damals an die beiden kleinen Tenderloks an, um sie samt Inhalt zum Bahnhof Wülfel zwecks Weiterverladung zu bringen. „Jede der beiden Dampflokomotiven verbrauchte pro Tag circa 8o Zentner Kohle und mindestens 400 bis 500 Liter Wasser, um den nötigen Dampf zum Fahren zu erzeugen“ sagt Johannes Beyer. Wehmütig blickt der heute 71jährige Döhrener zurück: „Die Dampfzug-Zeit war für mich als Lokführer eine schöne Zeit.“
Im Frühjahr 1966 verkaufte die Fabrik die rollenden Dampfmaschinen, bis zur Betriebseinstellung 1973 ratterte zum Schluss eine moderne Diesellok über die Gleise.