Fahrgastbegleitservice geht ins zwölfte Jahr
Langsam und gekonnt schiebt Karsten W. (44) den Rollstuhl samt seinem körperbehinderten und blinden Besitzer Feisal vorbei an Hindernissen und Menschentrauben die Limmer Straße entlang. Es fängt an zu regnen. Karsten W. gibt dem jungen Mann zum Schutz vor den Wassertropfen seinen kleinen Schirm in die Hand, er selbst wird nass. Das Ziel der beiden ist die nächste Haltestelle der U-Bahn, mit der Feisal zu einem Arzttermin gebracht wird. Während der Fahrt in dem öffentlichen Verkehrsmittel behält Karsten seinen Schützling stets im Auge, blickt aber auch immer mal wieder mit großem Interesse durch die gläserne Abtrennung ins Führerhaus. Es ist ein großer Traum des ehemaligen Beikochs, selbst einmal solch eine Bahn zu steuern.
Szenenwechsel: Udo F. wartet bei Minusgraden geduldig vor der Haustür einer älteren, blinden Dame, die eine Begleitung zum Bewegungsunterricht benötigt. Als sie endlich erscheint, kommt von Udo fröhlich die Aufforderung: „Darf ich um ihre Hand bitten“? Leise kichernd schiebt die Frau ihre Hand in seine Armbeuge und sie machen sich gut gelaunt auf zur Bushaltestelle, während der 61jährige dabei penibel auf eventuelle Fallstellen achtet. Am Monatsende bezieht Udo, nachdem er die letzten drei Jahre in einem Männerwohnheim Unterschlupf fand, seine eigene, kleine Wohnung. Für ihn, der sich Jahrzehntelang Urlaube auf Kuba leisten konnte und Fidel Castro von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand, zusammen mit der ehrenvollen Aufgabe als Begleiter ein Schritt zurück in die Normalität.
Die beiden Protagonisten sind freiwillige 1-Euro-Jobber im Fahrgastbegleitservice der Üstra, die dieses Projekt zusammen mit dem Jobcenter Hannover im Jahre 2006 aus der Taufe hob. Ziel der für Nutzer kostenlosen Maßnahme ist es, mobilitätseingeschränkte Menschen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gesund und ohne Blessuren von A nach B zu bringen und Langzeitarbeitslosen als Begleitperson den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Eine Win/Win Situation für alle Beteiligten. Die rund 50 im Schichtdienst arbeitenden ALG 2-Empfänger gehen einer geregelten Tätigkeit nach und verdienen sich ein kleines Taschengeld hinzu, mobilitätseingeschränkte Menschen können ohne Angst den Nahverkehr nutzen und die Üstra, in Verbindung mit dem Jobcenter Hannover, ist in der Lage, einen kostenlosen und deutschlandweit ziemlich einmaligen Service anzubieten.
Leider gilt das Angebot der Fahrgastbegleitung lediglich für die Verkehrsmittel der Üstra und die Stadt Hannover inklusive Vororten. Es wäre wünschenswert diese Maßnahme auf die gesamte Region und den Verkehrsverbund GVH – bestehend aus Bahn, Regio-Bus und Üstra – auszuweiten. Mobilitätseingeschränkte Menschen in den Kleinstädten wie Barsinghausen, Gehrden oder Burgwedel würden sich sicher über Unterstützung freuen. Infos zum Fahrgastbegleitservice erhält man unter folgendem Link:https://www.uestra.de/kundenservice/barrierefreie-uestra/serviceangebote/
Bürgerreporter:in:Karsten Hein aus Barsinghausen |
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