Zeitzeugen gesucht: LS-Bunker Schützenplatz, Gaubefehlsstand
Bereits seit mehreren Jahren beschäftige ich mich mit der Geschichte der Luftschutzanlagen ("Bunker") im Raum Hannover Stadt/Umland. Leider sind die überlieferten Quellen sehr dürftig, da in Hannover wichtige Unterlagen in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen sind. Bei den schweren Luftangriffen 1943 ging u.a. das Bauamtshaus neben dem Neuen Rathaus in Flammen auf, damit gingen viele Unterlagen für immer verloren, diverse Baupläne wurden im Keller vernichtet, oder verschwanden zu einem späteren Zeitpunkt. Hinzu kommt das während der NS-Diktatur auch nicht alles einfach fotografiert werden durfte, und das wenige was an Material vorhanden war, ging oft auch im Laufe der Jahre verloren. Konkretere Zeitzeugenaussagen sind leider auch eher selten, und das Wenige was berichtet wird, wird - aufgrund der vergangenen Jahrzehnte - oft sehr verzerrt und lückenhaft wieder gegeben.
Aus diesem Grund scheint es mir kurz vor knapp noch einmal eine gute Gelegenheit zu sein, einen Aufruf zu starten, und zu versuchen, noch lebende Zeitzeugen (vielleicht auch hier auf myheimat.de) zu finden.
Luftschutzbunker Schützenplatz
Der Luftschutzbunker Schützenplatz wurde 1942/43 erbaut. Der Bunkerkomplex war etwa 83 m lang, und 24 m breit. Die Decke bestand aus ca. 3 m Stahlbeton. Es handelte sich um einen Tiefbunker, unterteilt in vier separate Bereiche, die im Innern über einen Gang miteinander verbunden waren. Jeder dieser Bereiche war über ein eigenes Zugangsbauwerk erreichbar. Zum einen gab es den öffentlichen Luftschutzbunker für etwa 500 Personen. Dieser wurde von der Zivilbevölkerung genutzt; es gab einen Kranken-/OP-Bereich, in dem Ärzte und Schwestern aus dem nahe gelegenen - bereits leicht zerstörten - Krankenhaus Siloah, eingesetzt waren; der Polizeipräsident mit seinem Stab - u.a. in der Funktion des örtlichen Luftschutzleiters für die Stadt Hannover - hatte einen eigenen Bereich im Bunker; direkt daneben hatte die Gauleitung ihren Befehlsstand. Dieser Bereich ist auch als "Gaubefehlsstand der NSDAP" bekannt, hier residierte der damalige "Gauleiter" Hartmann Lauterbacher mit seinem Stab.
Um die Bereiche besser von einander zu trennen, werde ich die Bereiche wie folgt benennen: "öffentlicher Luftschutzbunker" (öLSR), "OP-Bunker", "Polizei-Bunker" und "Gaubefehlsstand".
Nutzungsphase
Etwa ab April/Mai 1943 konnte der Bunkerkomplex Schützenplatz genutzt werden. Im Sommer 1943 fand der Umzug des Gaubefehlsstands, der sich zuvor im Keller des westlichen Flügels im Neuen Rathaus befand, in den Bunker Schützenplatz um. Ebenfalls etwa zu dieser Zeit kamen die Ärzte und Schwestern aus dem Krankenhaus Siloah in den Bunker. Ab wann der Polizei-Bunker genutzt wurde, ist mir nicht bekannt. Der öffentliche Luftschutzbunker wurde wohl gleich nach Fertigstellung genutzt, belegt ist die Nutzung durch einen Zeitzeugen ab Herbst 1943.
Der Gaubefehlsstand
Der damalige "Gauleiter" Hartmann Lauterbacher schreibt in seiner selbstverfassten Autobiografie über den Gaubefehlsstand Hannover:
Zitat: "Der Gaubefehlsstand in Hannover hatte Modellcharakter. Goebbels besichtigte am 05.11.1943 (für ca. 60 Minuten) den Gaubehlsstand, von dem er (Goebbels) sofort überzeugt war. Er beorderte seinen Stellvertreter und alle Berliner Experten nach Hannover. Schließlich kamen viele Gauleiter (und Kreisleiter) zur Besichtigung (...)."
Auch ist überliefert, dass der Gaubefehlsstand Hannover als Vorbild für einige Kreisbefehlsstände, wie zum Beispiel in Braunschweig, diente.
Der "Gaubefehlsstand der NSDAP" (so die Bezeichnung, die auch auf einem Schild außerhalb des Bunkers angebracht war) soll aus mehreren kleinen Räumen bestanden haben.
Es ist überliefert, das der Gaubefehlsstand mit den modernsten technischen Anlagen (der damaligen Zeit) ausgestattet war. Es existierte eine Funk-, Telefon- und Fernschreibzentrale, sowie eine Luftlagezentrale. Außerdem existierten mindestens zwei Kabinen, aus denen die Drahtfunk- und Radiomeldungen zur aktuellen Luftlage für die Zivilbevölkerung gesendet wurden. Sprecher der Drahtfunkmeldungen waren neben Adolf Tölke, auch angehörige Frauen, sogenannte "Führerinnen" vom Bund Deutscher Mädel (BDM).
Vielleicht fragt man sich aus heutiger Sicht: wie entstanden eigentlich die Drahtfunkmeldungen? Mich hat es jedenfalls interessiert, und ich habe mehrere Zeitzeugen dazu befragt, mit folgendem Ergebnis: Die Meldungen kamen direkt vom Luftgaukommando zum Gaubefehlsstand. Im Gaubefehlsstand wurden die Luftlagemeldungen, also wo sich gerade im "Gaugebiet" feindliche Flugzeuge befanden, auf einer großen Karte dargestellt. Ich möchte im Folgenden versuchen, diesen Ablauf - so wie ich ihn verstanden habe - einmal zu beschreiben. Die aktuelle Luftlage wurde auf einer Karte dargestellt. Die Luftlagezentrale bestand aus zwei kleinen Räumen getrennt durch die große Lagekarte aus Glas. Im hinteren Raum waren drei Frauen, zwei davon haben mit Lappen veraltete Daten von der Glasfläche geputzt, während eine Frau die aktuelle Luftlage, die sie vom Luftgaukommando erhielt, auf die Karte "stempelte".
Im vorderen Raum saßen mindestens zwei Personen, nämlich zuerst ein, später wohl zwei, Sprecher, die die aktuelle Lageentwicklung etwa 10-15 Minuten verzögert der Zivilbevölkerung per Drahtfunk und Radiomeldung mitteilten; und eine Frau dokumentierte die Meldungen.
Ab Herbst 1943 wurde auch Nachrichten-HJ (HJ=Hitlerjugend) im Gaubefehlsstand eingesetzt. Die Jungen des Jahrgangs 1926/27 waren für die Nachrichtentechnik verantwortlich. Zum Beispiel mussten sie die Telefonleitungen instand halten, und, sofern diese beschädigt waren, wieder flicken. Desweiteren war ein Ausguck oberhalb des Gaubefehlsstands mit zwei Jungen von der Nachrichten-HJ besetzt, die solange die Lage meldeten, bis die nahe gelegenen Flak-Geschütze aus der Stellung am Schützenplatz anfingen zu schießen, erst dann suchten sie Schutz im Innern des Bunkers.
Funkverbindungen wurden u.a. zu den Kreisbefehlsständen unterhalten, wobei es sich hier um Sternverbindungen handelte, deren Mitte der Gaubefehlsstand war. Soweit bekannt durften die Kreisleitungen nur mit besonderer Erlaubnis direkt miteinander kommunizieren. Telefon- und Fernschreibverbindungen bestanden darüber hinaus noch zu allen wichtigen Parteistellen, wie zum Beispiel zum "Braunenhaus" (damalige Parteizentrale) in München, sowie zur "Reichskanzlei" nach Berlin.
Das Ende des Bunkers
Etwa am 05./06.04.1945 räumte Lauterbacher endgültig den Gaubefehlsstand, und setzte sich mit seinem Stab ab. Für vier, fünf Tage nutzte der Stadtkommandant Löhning den Bunker, räumte diesen aber entweder am Abend des 09.04.1945 oder am Vormittag des 10.04.1945, als die 84. US-Infanterie Division vor den Toren Hannovers stand und von drei Seiten aus die Stadt (bis auf ein paar kleinere Gefechte) fast kampflos einnahm. Nachdem der Bunkerkomplex von Löhning und seinem Stab verlassen war, wurde dieser um den 10.04.1945 von der Zivilbevölkerung vollständig geplündert. Wie der Bunker in der Zeit danach, also von April 1945 bis Herbst 1948, genutzt wurde, ist unbekannt.
Gesichert ist dagegen, dass der Bunker am 29.11.1948 von der britischen Militärregierung gesprengt wurde. Im Anschluss lag die Ruine wahrscheinlich brach.
Mitte der 1950er Jahre wurden die Reste der Eingangsbauwerke abgetragen, und auf den Resten der Bunkerruine Teile des Trümmerschutts aus Hannover aufgehäuft. Hier entstand der Neubau des Niedersachsen-Stadions (heute: AWD-Arena). Da wo einst Lauterbacher seinen Bunkerkomplex betreten konnte und Zivilisten Schutz vor den Alliierten Bomben suchten, gehen heute Besucher über eine Treppe in die AWD-Arena.
Wenn jemand weitergehende Informationen, Fotos oder Pläne über diesen oder andere ehemalige Luftschutzbunker im Raum Hannover besitzt, oder bereit wäre, mir über seine Erlebnisse zu berichten, so wäre ich sehr dankbar, von Ihnen zu hören.
Kontakt
Guido Janthor
Richard-Lattorf-Straße 53
30453 Hannover
Handy: 0179-12-555-18 (Provider: O2)
Bürgerreporter:in:Guido Janthor aus Hannover-Calenberger Neustadt |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.